Einzelfallhilfe für psychisch erkrankte und behinderte Menschen auf eine solide Basis stellen!

Der Senat wird aufgefordert, das Rundschreiben Nr. 9/2009 zurückzunehmen und gemeinsam mit den Bezirken die Einzelfallhilfe für psychisch erkrankte und behinderte Menschen weiter zu entwickeln, indem:

· ein Konzept der Qualitätssicherung der Einzelfallhilfe erarbeitet wird, das die Entwicklung fachlicher Standards für Einzelfallhilfe beinhaltet;

· die Einzelfallhilfe in die Strukturen der Gemeindepsychiatrie inklusive der dortigen Fallkonferenzen und Budgetmodelle integriert wird;

· aufgrund fachlicher Standards eine zielgerichtete Einbindungsstruktur und ein adäquates Vergütungssystem für die Einzelfallhilfe entwickelt wird.

Es muss sichergestellt werden, dass in der Einzelfallhilfe eine qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird. Die Ergebnisse der Evaluation des Schöneberger Trägermodells sollen in die Konzeptarbeit mit einfließen.

Der Senat wird aufgefordert, über die Umsetzung bis zum 31. Mai 2010 zu berichten.

Begründung:

Die Einzelfallhilfe dient nach den §§ 53 und 54 SGB XII als Leistung der Eingliederungshilfe der Stärkung von psychischen, physischen und sozialen Kompetenzen von Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder/und seelischen Behinderung besonderen Förderbedarf haben.

Über die Einzelfallhilfe werden in Berlin mehr als 2000 Menschen mit Behinderungen betreut, damit sie ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können.

Obwohl mit der Einzelfallhilfe mehr psychisch kranke Menschen versorgt werden als beispielsweise mit dem „Betreuten Einzelwohnen", gibt es für die Arbeit der Einzelfallhilfe keine fachlichen Vorgaben und keine Einbindung in die relevanten bezirklichen Steuerungsgremien. So wird die Einzelfallhilfe im Psychiatrieentwicklungsprogramm (PEP) sowie im Landes-Behindertenbericht nicht erwähnt. Dadurch ist die Steuerung der gesamten Psychiatrielandschaft in Berlin sehr eingeschränkt und die notwendige Transparenz kann nicht gewährleistet werden.

Die Berliner Einzelfallhilfe im bisherigen Honorarmodell, wie sie zurzeit in allen Berliner Bezirken mit Ausnahme von Tempelhof-Schöneberg durchgeführt wird, weist starke Mängel bei wichtigen Qualitätsstandards auf. Es gibt keine verbindlichen sowie transparenten Auswahlkriterien für EinzelfallhelferInnen. Es besteht weder Dokumentationspflicht der Arbeit mit den KlientInnen noch eine Verpflichtung zur Supervision. Durch die individuelle Arbeit der einzelnen HelferInnen ist keine Einbindung im Team möglich und ein Erfahrungsaustausch kann nicht stattfinden. Die EinzelfallhelferInnen im Honorarmodell erhalten keine fachliche Anleitung sowie professionelle Unterstützung ­ sie sind meistens auf sich allein gestellt. Ohne fachliche Standards wird die qualitative Arbeit der EinzelfallhelferInnen erschwert bzw. unmöglich gemacht.

Das Vergütungssystem muss aufgrund von Qualitätsstandards, die noch entwikkelt werden müssen, erarbeitet werden. Nur so ist die dringend notwendige qualitativ hochwertige Arbeit erreichbar. Durch das Rundschreiben I Nr. 9/2009 der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vom 18. September 2009 wird ein neues Honorarsystem für EinzelfallhelferInnen erlassen, welches nach Einschätzung von zahlreichen Fachleuten eine qualitative Arbeit unmöglich macht. Hinzu kommt, dass dies auch für viele EinzelfallhelferInnen, die im Rahmen des jetzigen Trägermodells in Tempelhof-Schöneberg arbeiten, das Aus ihrer Tätigkeit bedeutet. Diese Veränderung würde für ca. die Hälfte der HilfeempfängerInnen dieses Bezirkes bedeuten, dass sie sich von ihren bisherigen HelferInnen verabschieden müssen. Damit würde jahrelang aufgebaute psychosoziale Arbeit mit Qualitätssicherung zunichte gemacht.

Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist, welche finanziellen Risiken durch das Honorarmodell im Zusammenhang mit SGB IV § 11 (Scheinselbständigkeit) für das Land Berlin entstehen könnten. Der Hauptpersonalrat hat bereits angedroht, eine Überprüfung beim Rentenversicherungsträger in Auftrag zu geben.

Die wissenschaftliche Expertise „Trägermodell versus Honorarmodell" hat genauso wie die jahrelange Praxis der sozialpädagogischen Familienhilfe und Einzelfallhilfe im Jugendbereich gezeigt, dass das Trägermodell zu einer besseren Praxis führt und erst einmal höhere Kosten durch niedrigere Ausgaben in anderen Bereichen ausgeglichen werden.