Schulhelferunterstützung

Hier gibt es kein Ermessen, sondern einzig und allein die Frage: Kann das betroffene Kind ­ mit Schulhelferunterstützung ­ die Schule besuchen oder muss es ­ ohne diese Unterstützung ­ zu Hause bleiben? Mit anderen Worten: Gilt für diese Kinder die Schulpflicht wie für alle anderen auch oder wird sie ausgesetzt? Können diese Kinder ihr Grundrecht auf Bildung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit wahrnehmen wie alle anderen auch, oder wird ihnen dieses vorenthalten?

Da Schulpflicht und Recht auf Bildung selbstverständlich auch für schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche uneingeschränkt gelten, müssen die notwendigen Hilfen bereitgestellt werden. Da die notwendigen Hilfen aber sehr individuell sind, müssen sie auf der Grundlage von Einzelfallentscheidungen für jedes Kind auch individuell festgestellt und bewilligt werden. Da viele Kinder ausschließlich mit einer 1:1-Assistenz lernen können, kann diese nicht durch Pauschalierungen oder Kontingentierungen der Mittel in Frage gestellt werden. Kinder, die eine 1:1-Assistenz benötigen, können auch nicht einfach zu Gruppen zusammengefasst werden. Das bedeutet: Wenn eine Schule eine bestimmte Schulhelferstundenzahl ­ fachlich gut begründet ­ beantragt, dann muss diese Zahl auch ohne Abstriche bewilligt werden.

Der Hilfebedarf und die Art und Weise, wie die Hilfe erbracht werden muss (z.B. 1:1), besteht bei den hier in Rede stehenden Kindern und Jugendlichen in der Regel nicht nur temporär, sondern auf Dauer. Er richtet sich auch nicht nach Kalender- oder Haushaltsjahren, nach denen dann immer wieder neu entschieden werden müsste. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler ebenso wie ihre Eltern brauchen Planungssicherheit über die gesamte Schulzeit. Das ständige Bangen, ob denn die Hilfen im kommenden Schuljahr verlängert würden, ist für die betroffenen Familien unzumutbar und muss beendet werden.

Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Schulhelferunterstützung bei vielen betroffenen Schülerinnen und Schülern auf Grund der Art und Schwere der Behinderung keine ständigen Wechsel der Bezugspersonen erlaubt. Vielmehr hängen Sinnhaftigkeit und Erfolg der Hilfen oft davon ab, dass diese kontinuierlich und immer wieder von derselben oder denselben Vertrauensperson/en erbracht werden. Auch dieser Erkenntnis folgend, die niemand ­ auch keine Verwaltung ­ in Frage stellen kann, ist das ständige Drehen an der Finanzierungsschraube und die permanente Unsicherheit der Schulhelferversorgung für die betroffenen Schülerinnen und Schüler und ihre Familien nicht länger hinnehmbar.

Die zweite Grundsatzfrage, die der aktuelle Konflikt um die Schulhelferstunden in sich birgt, betrifft das Verhältnis von Integration im gemeinsamen Unterricht an der Regelschule und der Unterrichtung an Sonderschulen. Man hört immer wieder das Argument, dass auf Grund der Zunahme des gemeinsamen Unterrichts an den Regelschulen dort mehr Schulhelfer gebraucht würden und deshalb diese z.T. von den Sonderschulen abgezogen werden müssten.

Sollte tatsächlich versucht werden, den gemeinsamen Unterricht ausgerechnet in der Schulhelferfrage gegen die Sonderschulen auszuspielen, so muss diesem Ansinnen eine klare Absage erteilt werden.

Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung hat sich im vorangegangenen Verstößebericht deutlich für den Vorrang des gemeinsamen Unterrichts vor einer Beschulung an einer Sonderschule ausgesprochen und steht damit im Einklang mit dem Berliner Schulgesetz. Er hat die fortlaufende Beschulung von in Berlin immer noch knapp Zweidrittel der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Sonderschulen als nicht zulässige Diskriminierung bezeichnet und für den Einstieg in den Ausstieg aus dem Sonderschulsystem plädiert ­ angefangen bei den sog. Lernbehindertenschulen. In diesem Zusammenhang hat er folgendes Zitat aus einem Schreiben des Senators Prof. Dr. Zöllner an ihn positiv hervorgehoben: „Angestrebt wird, die beiden Ressourcenanteile der sonderpädagogischen Förderung (gemeinsamer Unterricht und Sonderschulbesuch) so miteinander zu verbinden, dass freiwerdende Stellenanteile an Sonderschulen durch Absinken der Schülerzahlen als Erweiterung der Ausstattung des gemeinsamen Unterrichts transferiert werden können."

Diese Aussage darf jedoch nicht so interpretiert werden, dass dem Sonderschulsystem Ressourcen wahllos entzogen werden könnten ­ ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der dort lernenden Schülerinnen und Schüler. Selbstverständlich ­ und anders hat das der Senator auch nicht gemeint ­ können nur „freiwerdende Stellenanteile an Sonderschulen durch Absinken der Schülerzahlen" dem gemeinsamen Unterricht zugeschlagen werden. Davon kann in der Frage der Schulhelfer, die ­ wie oben ausgeführt wurde ­ ganz individuelle Hilfen für ganz bestimmte Schülerinnen und Schüler leisten ­ keine Rede sein. Überhaupt muss der Umbau hin zu einem inklusiven Schulsystem sehr behutsam erfolgen und darf in keinem Falle den zwischenzeitlich noch an den Sonderschulen verbliebenen Schülerinnen und Schülern zum Schaden gereichen.

Wenn Schulhelferstellen von Sonderschulen an Regelschulen transferiert werden sollen, dann nur zusammen mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern. Schulhelferstunden sind nicht an eine Schule oder gar ein Schulsystem gebunden, sondern an die Personen, die diese Unterstützung zum Lernen brauchen.

Aus diesem Grunde ist in der neuen Verwaltungsvorschrift Schule Nr. 8/2009 Abschnitt III Punkt 4 erster Satz unverzüglich zu korrigieren! Die für die Person beantragten Stunden sind flexibel zwischen den verschiedenen Schulformen eben für die entsprechende Person individuell nach Bedarf zu verwenden! So sind beispielsweise Schulversuche Sonderschule / Integration klar geregelt hinsichtlich der zusätzlichen Hilfe für die betroffenen Schülerinnen und Schülern.

Und zum Dritten soll noch kurz auf die neue Rechtslage durch die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen eingegangen werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit der Ratifikation der Konvention dazu verpflichtet, die darin enthaltenen Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen.

Artikel 24 der Konvention formuliert das Recht auf Bildung behinderter Menschen ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit und fordert ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen sowie lebenslanges Lernen. Dabei müssen sie die notwendige Unterstützung erhalten.

Vor diesem Hintergrund soll abschließend aus einem Brief einer Mutter an die Behindertenbeauftragten auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene vom 9. Juli 2009 zitiert werden: „Die Unterschrift der Bundesregierung unter der UN-Konvention gab uns neue Hoffnung, dass nun auch von Seiten der Politik alles unternommen wird, um unsere Kinder in die Gesellschaft zu integrieren - auch um den höheren Preis, den es kostet - denn unsere Kinder benötigen häufig besondere Rahmenbedingungen. Und für diese Bedingungen müssen wir anscheinend nun halbjährlich immer wieder unsere letzten Energien bündeln und kämpfen, obwohl unsere Ressourcen durch die alltägliche Auseinandersetzung mit allen alltäglichen Schwierigkeiten und Barrieren nicht unendlich sind. Es ist ein erneuter ungeheuerlicher Skandal, dass uns die Senatsverwaltung für BWF und die Senatsverwaltung für Finanzen immer wieder dazu zwingt, sollte sie doch eigentlich dafür sorgen, dass auch unsere Kinder das Recht auf adäquate Bildung erhalten, in allen Schulformen. Dies wird unseren Kindern immer wieder beschnitten und nun auch verwehrt." Lösungsvorschlag: Ähnlich wie im vorigen Jahr müssen alle von den Schulen beantragten Schulhelferstunden nachträglich bewilligt werden. Da der Beginn des neuen Schuljahres unmittelbar bevorsteht, muss dies unverzüglich geschehen.

Die Verwaltungsvorschrift Schule Nr. 8/2009 ist unverzüglich entsprechend anzupassen.

Langfristig muss ­ orientiert an den Bestimmungen der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung ­ ein tragfähiges und ausfinanziertes dynamisiertes Schulhelferkonzept entwickelt werden, das den betroffenen Schülerinnen und Schülern und ihren Familien über die gesamte Schulzeit Sicherheit garantiert. Bei der Erarbeitung dieses Konzepts müssen die betroffenen Eltern und Schulen mit einbezogen werden.

Die von Ihnen vorgenommene Einschätzung, dass behinderte Kinder einer besonderen Förderung und Forderung bedürfen, teile ich uneingeschränkt. Deshalb möchte ich Ihnen gern auf die von Ihnen angesprochenen grundlegenden Probleme eine Antwort zukommen lassen.

In der neuen Verwaltungsvorschrift Schule Nr. 8/2009 (Schulhelfer) wurde verankert, dass Schulhelferstunden bewilligt werden können, wenn auf Grund der Art, der Schwere und des Umfangs der Behinderung die erforderlichen Maßnahmen der ergänzenden Pflege und Hilfe nicht im Rahmen der personellen Grundausstattung der Schule zu leisten sind. Dabei war der im Schulgesetz festgehaltene Grundsatz des Vorranges der sonderpädagogischen Förderung im gemeinsamen Unterricht ebenfalls in der neuen Verwaltungsvorschrift umzusetzen.

In Ausnahmefällen ist der besonders zu begründende Schulhelfereinsatz auch an Sonderpädagogischen Förderzentren im Rahmen der verfügbaren Mittel möglich.

Die personelle Grundausstattung dieser Förderzentren sieht für schwer- und schwerstmehrfach behinderte Kinder mit der Förderstufe II in einer Klasse mit 5 Schüler/innen eine/n Sonderpädagog(en)/in, eine/n Betreuer/in sowie eine Pädagogische Unterrichtshilfe (also insgesamt 3 VZE) als personelle Grundausstattung vor.

Daneben wird auf Antrag der Schule der Bedarf an Maßnahmen der ergänzenden Pflege und Hilfe durch die regionalen Koordinator(en)/innen für Sonderpädagogik geprüft Und durch die regionale Schulaufsicht ggf. bewilligt.

Neben der Prüfung des Vorliegens der erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen entsprechend der Verwaltungsvorschrift sind Möglichkeiten des effektiven Einsatzes der personellen Ressourcen mit den jeweiligen Schulen zu beraten. Im Ergebnis dessen entscheidet die zuständige Schulaufsicht, in Kenntnis der tatsächlichen Situation in der Einzelschule, in welchem Umfang zusätzlich Schulhelferstunden zur Verfügung gestellt werden können.

Genau wie Sie teile ich die Ansicht, dass es in der Schulhelferfrage nicht um „ein Ausspielen des gemeinsamen Unterrichts gegen die Sonderschulen" gehen kann. Bei der Bewilligung der Schulhelferstunden muss jedoch die gesamte personelle Situation einer Schule betrachtet werden - und diese ist insbesondere an einem Förderzentrum mit dem Schwerpunkt "Geistige Entwicklung" - wie beschrieben - deutlich besser als in einer Grundschule.

Der auch im Verstößebericht erwähnte voraussichtliche Haushaltsansatz von je 8,012 Mio für die Haushaltsjahre 2010 und 2011 stellt die Berechnungsgrundlage für die regionalen Budgets dar. Diese Budgets wurden entsprechend der jeweiligen Anzahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (außer Lernen und Sprache) unter besonderer Berücksichtigung der schwerpunktmäßigen Verwendung im gemeinsamen Unterricht berechnet.