StrABG begründen keine neuen oder höheren Straßenausbaubeiträge

Anlagenbegriff entschieden, der allerdings - aufgrund inzwischen gewonnener vielfältiger Praxiserfahrungen in diesen Ländern - teilweise neue Fragen aufwirft und dadurch keine erhöhte Rechtssicherheit bietet.

Für die Straßenausbaubeiträge der Brandenburgischen Gemeinden hat sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 9.8.2007 (AZ: 9 S 22.07) zu dieser Frage - sehr unbestimmt - wie folgt geäußert (Leitsatz): „Für Straßenausbaubeiträge nach § 8 KAG (KAG BB) dürfte nicht der erschließungsbeitragsrechtliche (enge), sondern ein eigenständiger Begriff im Sinne des sogenannten weiten Anlagenbegriffs maßgeblich sein."

Schließlich wird auf den Beschluss des VGH Kassel vom 30.9.1996 - AZ. 5 TG 2165/96 verwiesen, in dem die ständige Rechtsprechung für das Land Hessen dargestellt ist, wonach sich der Inhalt der Regelung des neuen § 1 Abs. 1 Satz 3 StrABG im Land Hessen bereits weitgehend durch Auslegung des dortigen § 11 des Hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (Hess KAG) durch den VGH Kassel ergibt. Über diese Auslegung stellt der VGH Kassel in dem Leitsatz seines oben genannten Beschlusses (sinngemäß) fest, was auch nach dem erweiterten § 1 Abs. 1 StrABG für Berlin verbindlich gelten soll: Bezieht sich eine Um- oder Ausbaumaßnahme bei einer Straße nur auf einen als Teilstrecke abgrenzbaren Teil der gesamten Straße/Verkehrsanlage, bestimmt sich der beitragspflichtige Personenkreis nach den an dieser Teilstrecke anliegenden Grundstücken. Deckt sich der aus- oder umgebaute Straßenteil räumlich nicht mit einer abrechnungsfähigen Teilstrecke, muss auf die nächstgrößere - den ausgebauten Teil umfassende - Abrechnungseinheit zurückgegriffen werden, was sowohl eine einzelne Teilstrecke, eine Mehrzahl von Teilstrecken oder auch die gesamte Straße/Verkehrsanlage sein kann.

Die neuen Regelungen des § 1 Abs. 1 StrABG begründen keine neuen oder höheren Straßenausbaubeiträge. Sie schaffen lediglich Rechts- und Anwendungssicherheit. Die neuen Vorschriften kommen den Beitragserhebungsstellen ebenso wie den Beitragspflichtigen zugute, weil sie die Grundlage für eine einheitliche und gerechte Beitragserhebung in Berlin bilden.

b) Einzelbegründung

Zu 1.: Die Ergänzungen in § 1 Abs. 1 StrABG erlauben die Bildung von Teilstrecken als neuen Abrechnungstyp einer Verkehrsanlage, der bei der Abrechnung der Straßenausbaubeiträge neben die bisherigen Abrechnungstypen Straßen, Wege und Plätze gestellt wird.

Außer Straßen, Wegen und Plätzen werden künftig auch deren Teilstrecken abgerechnet werden können, wenn in diesen Teilstrecken Ausbaumaßnahmen ausgeführt worden sind.

Zu 2.: In den neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 StrABG sind die Voraussetzungen der Teilstrecken bestimmt.

1. Die Teilstrecke muss selbständig nutzbar sein. Sie muss zudem hinreichend deutlich, insbesondere durch Straßenkreuzungen, Bezirksgrenzen oder Grenzen von Baugebieten begrenzt sein.

2. Die Teilstrecke muss über 200 m lang sein. Durch diese Voraussetzung soll die Abrechnung besonders kleinteiliger Ausbaumaßnahmen verhindert werden. Die Teilstreckenbildung unter 200 m Länge ist ausgeschlossen.

Die Beitragserhebungsstellen müssen bei der Bildung von Teilstrecken darauf achten, dass immer die gesamte Straße als Verkehrsanlage zu betrachten und im Einzelfall zu entscheiden ist, ob und mit welchen Abgrenzungen eine Teilstreckenbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 StrABG möglich und nach den Grundsätzen des Gleichbehandlungsgebots und der Verteilungs- bzw. Abgabengerechtigkeit zulässig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bildung von Teilstrecken nur möglich ist, wenn die Straße als Verkehrsanlage über 400 m lang ist. Nur eine über 400 m lange Straße bietet die Möglichkeit, sie in zwei 200 m lange Teilstrecken aufzuteilen. In einer z. B. nur 300 m langen Straße als Verkehrsanlage kann keine (mindestens 200 m lange) Teilstrecke gebildet werden, weil die Reststrecke von 100 m wegen ihrer zu geringen Länge nicht mehr abgerechnet werden könnte. Die Ausbaumaßnahme in einer 300 m langen Straße als Verkehrsanlage kann nur auf der Basis der gesamten Straße als Verkehrsanlage oder gar nicht abgerechnet werden.

3. Der neue § 1 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz StrABG berücksichtigt die Möglichkeit, dass die Grenzen der Ausbaumaßnahmen nicht immer mit den Grenzen der Teilstrecken übereinstimmen können. Es wird Fälle geben, dass Ausbaumaßnahmen auch benachbarten Grundstücken außerhalb der Teilstrecken die Vorteile der möglichen Inanspruchnahme vermitteln. So darf z. B. der Bau von Parkplätzen, die voraussichtlich insbesondere auch den außerhalb der Teilstrecke gelegenen benachbarten Gewerbebetrieben zugute kommen, nicht unberücksichtigt bleiben. In diesem Fall muss die Teilstrecke bis zur nächsten möglichen Abgrenzung, z. B. Kreuzung, ausgedehnt werden (Erweiterung des Ermittlungsraums).

c) Umgang mit der Stellungnahme des Rats der Bürgermeister

Der Rat der Bürgermeister hat in seiner Sitzung am 18. Februar 2010 wie folgt Stellung genommen: „Der Rat der Bürgermeister stimmt der RdB-Vorlage Nr.: R-639/2009: "Zweites Gesetz zur Änderung des Straßenausbaubeitragsgesetzes" zu. Der Rat der Bürgermeister fordert jedoch den Senat von Berlin auf, folgende Änderungen im Gesetzestext vorzunehmen: § 1 Erhebungsgrundsatz:

(1) Das Land Berlin erhebt zur teilweisen Deckung seines Aufwands für die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung (Ausbaumaßnahmen) an öffentlichen Straßen,

Wegen und Plätzen oder deren Teilstrecken (Verkehrsanlagen) Beiträge von den Grundstückseigentümern, den Erbbauberechtigten und den Inhabern eines dinglichen Nutzungsrechts, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Verkehrsanlagen Vorteile geboten werden. ²Teilstrecken im Sinne des Satzes 1 sind selbständig nutzbare und hinreichend deutlich, insbesondere durch Kreuzungen, Einmündungen, Bezirksgrenzen oder Grenzen von Baugebieten, abgrenzbare, über 300 m lange Straßen- und Wegestrecken, in denen Ausbaumaßnahmen ausgeführt werden, wenn sich die Vorteile der Inanspruchnahmemöglichkeit im Wesentlichen auf diese Strecken begrenzen. ³Zu den Verkehrsanlagen im Sinne des Satzes 1 gehören auch unbefahrbare Wohnwege.

§ 2 Begriffsbestimmungen Abs. 3 (3) Eine Erneuerung ist die nach Ablauf der üblichen Nutzungsdauer und tatsächlicher Abnutzung in Gesamtheit oder in einem Umfang von mehr als der Hälfte des Gesamtumfangs der Verkehrsanlage erforderliche Ersetzung einer Verkehrsanlage durch eine neue von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktionaler Aufteilung der fläche und gleicher Befestigungsart. Dies gilt entsprechend für Teileinrichtungen einer Verkehrsanlage.

§ 26 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft und gilt für Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Gesetzeskraft auf Beitragspflichtigkeit noch nicht geprüft worden sind."

Hierzu nimmt der Senat wie folgt Stellung:

1. Dem Wunsch des Rats der Bürgermeister, den neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 StrABG zu ergänzen und als weiteres Abgrenzungsmerkmal der Teilstrecken „Einmündungen" einzuführen, kann nicht gefolgt werden.

Grundlage des für das Straßenausbaubeitragsgesetz geltenden erschließungsbeitragsrechtlichen Verkehrsanlagenbegriffs sind die augenscheinlichen bzw. die optisch wahrnehmbaren Merkmale einer Straße, z. B. die Straßenbreite, die Straßenlänge, die Straßenausstattung usw. Für den in dem Gesetzentwurf geregelten Fall, dass eine Straße/Verkehrsanlage in Teilstrecken aufgeteilt wird, sollten dieselben augenscheinlichen bzw. optisch klar wahrnehmbaren Merkmale gelten. Diese bieten in hervorragender Weise die Kreuzung. Durch eine Kreuzung kann ganz klar bestimmt werden, wie weit eine Teileinrichtung reicht und welche Anlieger auf beiden Straßenseiten in die Abrechnung der Teilstrecke einzubeziehen sind. Demgegenüber bietet eine Einmündung diese klare Abgrenzung der Teilstrecke nicht. In der Anwendungspraxis der Einmündung würden sehr schnell die Fragen auftauchen, welche Qualität die Einmündung aufweisen müsste, durch die ein bestimmtes Teilstreckenende bestimmt wird. Fraglich wäre, ob z. B. eine Stichstraße, ein unselbständiger Einhänger, eine private Zuwegung o. ä. ausreicht. Außerdem würde es bei der Einmündung regelmäßig Probleme mit dem der Einmündung gegenüber liegenden Grundstück geben. Fraglich wäre in diesem Zusammenhang, mit welchem Anteil das gegenüberliegende Grundstück an der Abrechnung der Teilstrecke zu beteiligen ist.

2. Dem Antrag des Rats der Bürgermeister, die Mindestlänge der Teilstrecken „über 200 m" auf „über 300 m" auszudehnen, „um zu verhindern, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf künftig mehr Straßenausbaumaßnahmen beitragspflichtig werden", kann nicht entsprochen werden.

Nach gegenwärtig geltender Rechtslage können kleinere Ausbaumaßnahmen nur abgerechnet werden, wenn sie einen Ausbau der gesamten Verkehrsanlage oder einen Ausbau „in wesentlichem Umfang" (gemäß § 2 Abs. 3 StrABG), d. h. einen Ausbau von mehr als einem Drittel der Verkehrsanlage, ausmachen. Beitragsfrei bleiben danach die unter einem Drittel der Verkehrsanlage liegenden Ausbaumaßnahmen. Würde in der Neuregelung über die Bildung und Abrechenbarkeit von Teilstrecken keine Mindestlänge vorgeschrieben, dann wären auch kleinere und kleinste Ausbaumaßnahmen beitragspflichtig, sofern sie zwischen Kreuzungen, Bezirks- oder Baugebietsgrenzen liegen, die die abrechenbare Teilstrecke abgrenzen.

Über die Mindestlänge der Teilstrecken von 200 m wurde mit den an der Erarbeitung des Referentenentwurfs beteiligten Senatsverwaltungen und Tiefbauämtern der Bezirke intensiv diskutiert. Dabei war zunächst abgelehnt worden, die Mindestlänge der Teilstrecke auf nur 100 m festzulegen. Im Ergebnis der Diskussionen wurde dann die Mindestlänge von 200 m für sachgerecht gehalten, weil die damit verbundene regelmäßige Beitragsfreiheit aller Ausbaumaßnahmen kürzer als 66 m in den über 400 m langen Straßen, die in Teilstrecken aufgeteilt werden können, angemessen und vertretbar erscheint.