Opferrente

Für die Bezieher der Opferrente verbessern sich spürbar die soziale und damit auch die psychische Lage. Als Problem stellen sich nach wie vor die Kriterien dar, die Voraussetzung für den Erhalt der Opferrente sind. Da die Rente an eine bestimmte Mindesthaftzeit und an den Nachweis sozialer Bedürftigkeit gekoppelt ist, bleiben nicht wenige der politisch Verfolgten der SED-Diktatur von der Opferrentenregelung ausgeschlossen. Es sei in diesem Zusammenhang auch noch einmal darauf hingewiesen, dass die Opferrente ­ entgegen manch anders lautender Äußerungen ­ nicht als Zeichen der Anerkennung und Würdigung für den Einsatz für Demokratie und Freiheit in der SED-Diktatur konzipiert wurde, sondern lediglich eine Ausgleichsleistung darstellt, die helfen soll, andauernde Verfolgungsschäden abzumildern.

Ein immer wieder zu verzeichnendes Ärgernis ist es, dass einige Berliner Job-Center die Opferrente als reguläre Einkunft werten und auf andere Sozialleistungen ­ z.B. das Arbeitslosengeld II ­ anrechnen. Dies steht im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben. Der Landesbeauftragte konnte in konkreten Fällen vermittelnd agieren, obwohl einige Sachbearbeiter erst nach Übersendung des Gesetzestextes bereit waren, ihre Entscheidung rückgängig zu machen. Es wäre wünschenswert, wenn die Sachbearbeiter in den Behörden entsprechende Schulungen erfahren würden, damit auf diese Weise das leider häufig vorherrschende Konfliktpotenzial zwischen Antragstellern und Sachbearbeitern in den Berliner Behörden abgebaut werden kann.

Abermals meldete sich in der Behörde des Landesbeauftragten eine Reihe von Betroffenen, bei denen das Landesamt für Gesundheit und Soziales hinsichtlich der Gewährung von Ausgleichsleistungen Ausschlussgründe geltend gemacht hat. Bei diesen Menschen handelt es sich insbesondere um Personen, die während ihrer Haftzeit zu einer MfS-Mitarbeit genötigt worden waren. In regelmäßigen Gesprächen mit den Mitarbeitern des Landesamtes werden die jeweiligen Hintergründe dieser Fälle besprochen. Entscheidungen konnten daher auch in Rücksprache mit dem Landesbeauftragten und unter Berücksichtigung der Charakteristik der Einzelfälle getroffen werden.

Sowohl von den Betroffenen als auch vom Landesbeauftragten wurde positiv aufgenommen, dass der Bundesrat im Jahr 2009 die Initiative ergriffen hat, Korrekturen am Dritten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vorzunehmen. Nach wie vor sind jedoch einige Defizite des Gesetzes nicht in das Bewusstsein des Gesetzgebers ge7

rückt. Dies betrifft beispielsweise die Nichtvererbbarkeit der Opferrente. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gerade die Ehepartner von politischen Häftlingen zu DDR-Zeit unter verschärften Formen von Bespitzelungen, Benachteiligungen und Ähnlichem zu leiden hatten. Häufig sind sie dadurch selbst gesundheitlich beeinträchtigt. Diese Sicht wird durch Erfahrungen der Beratungsstelle „Gegenwind" bestätigt. Die Mitarbeiter der Beratungsstelle berichten dem Landesbeauftragten, dass zunehmend Familienangehörige von ehemals politisch Verfolgten psychologischen Rat und Unterstützung suchen.

Berufliche Rehabilitierung

Für das Jahr 2009 verzeichnete das Landesamt für Gesundheit und Soziales 335 eingegangene Anträge nach dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Dies ist ein geringer Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. In der Hauptsache handelt es sich dabei um Anträge nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Die Anzahl der beschiedenen Anträge belief sich im Jahr 2009 auf 525. Zum Ende des Jahres waren noch 1.266 Anträge ohne Bescheid. Den Landesbeauftragten erreichten zum Themenkreis der beruflichen Rehabilitierung ebenfalls zahlreiche Anfragen. Viele Antragsteller müssen einige Jahre warten, bis sie einen Bescheid erhalten und entsprechende Ansprüche anmelden können.

Häufiger als in den Vorjahren kamen Betroffene in die Beratung, die ein reguläres Verfahren zur beruflichen Rehabilitierung hinter sich haben, die rehabilitiert wurden, bei denen jedoch eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Nachhinein zu einer Rücknahme der Rehabilitierungsbescheinigung führte.

Zum Beispiel Frau K.: Frau K. hatte im Jahr 1999 einen Antrag auf berufliche Rehabilitierung beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales gestellt. Nach über fünfjähriger Bearbeitungszeit wurde Frau K. als verfolgte Schülerin rehabilitiert. Ihr wurde eine mehr als siebenjährige Verfolgungszeit bescheinigt. Da Frau K. jedoch außerdem einen Arbeitsplatzverlust aus politischen Gründen geltend gemacht hatte, dies in der Bescheinigung jedoch nicht berücksichtigt war, legte sie gegen den Bescheid Widerspruch ein. Daraufhin erhielt sie ein weiteres Jahr später einen Bescheid über die Rücknahme des ursprünglichen und von ihr angefochtenen Bescheids. Nun wurde die Anerkennung jeglicher Verfolgungszeit abgelehnt. Die Angelegenheit befindet sich zwischenzeitlich vor dem Verwaltungsgericht. Ein Ende des Verfahrens ist nach über zehnjähriger Bearbeitung nicht abzusehen. Frau K. ist bislang nicht zu vermitteln, weshalb ihr nach sorgfältiger Prüfung ihrer Belege und Aussagen zunächst eine Rehabilitierungsbescheinigung ausgestellt, diese jedoch nach Einreichen eines Widerspruchs gänzlich zurückgenommen wurde.

Es muss in diesem Zusammenhang nicht abermals detailliert auf die Schwierigkeiten, die die Verfahren zur beruflichen Rehabilitierung für die Antragsteller mit sich bringen, hingewiesen werden. Es bleibt eine wichtige Aufgabe des Landesbeauftragten, zwischen Antragsteller und Rehabilitierungsbehörde zu vermitteln, Recherchen in Archiven zu unterstützen, beim Auffinden von Zeugen zur Glaubhaftmachung einzelner Aussagen zu helfen und aussagekräftige Unterlagen zusammenzustellen. Dennoch ist die Ablehnungsquote bei den Anträgen zur beruflichen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung relativ hoch. Häufig kommt es dann zu Widerspruchsoder Klageverfahren, die sich zeitaufwendig gestalten und für die Betroffenen psychisch belastend sind. Manche Betroffene nehmen auch nach Jahren einen neuen Anlauf, ihren Rehabilitierungsantrag nochmals zu stellen. Da ein solches Wiederaufnahmeverfahren jedoch nur unter eng gefassten Rahmenbedingungen möglich ist, kann der Landesbeauftragte bei der Vorbereitung der Antragstellung Hinweise und Unterstützung geben.

Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden

Aus Sicht des Landesbeauftragten ergeben sich die meisten Probleme für die Betroffenen im Zusammenhang mit der Antragstellung auf Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden. Leider hat der Gesetzgeber auch im Jahr 2009 keine wirksamen Anstrengungen unternommen, in dieser Hinsicht für die Betroffenen günstigere Regelungen zu schaffen und damit die Verfahren zu vereinfachen. Weil aber seit Jahren Verbesserungen in Aussicht gestellt werden und nichts geschieht, ist die Verbitterung bei den Betroffenen an dieser Stelle besonders groß. Immer wieder sieht sich der Landesbeauftragte in diesem Zusammenhang mit Bürgern konfrontiert, denen jegliches Verständnis für die noch immer unveränderte Situation fehlt.