Baugrundstücke

Bebauungsplan II-201c 70 Stand: April 2010 ­ Begründung gemäß § 9 Abs. 8 BauGB

Eine Überschreitung der GRZ ist nicht möglich, da sie im MK bis 1,0 zulässig sein darf.

Eine Überschreitung der zulässigen Obergrenzen der Nutzungsmaße des § 17 Abs. 1 BauNVO ist nach § 17 Abs. 2 BauNVO zulässig, wenn besondere städtebauliche Gründe die Überschreitung erfordern (Nr. 1), sie durch Umstände oder Maßnahmen ausgeglichen wird, die sicherstellen, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden und die Bedürfnisse des Verkehrs befriedigt werden (Nr. 2), und wenn sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen (Nr. 3). Besondere städtebauliche Gründe

Die Überschreitung der Obergrenzen des § 17 BauNVO setzt eine städtebauliche Situation und eine durch den Bebauungsplan zu lösende Problematik voraus, die nicht alltäglich und nicht in beliebiger örtlicher Lage anzutreffen ist. Es muss sich um eine städtebauliche Ausnahmesituation handeln, reguläre städtebauliche Gründe in einer Standardsituation reichen nicht aus. Die Überschreitung muss aus dem Charakter oder aus besonderen Umständen des neu überplanten Gebietes objektiv begründbar sein, die Gründe müssen ein gewisses Gewicht besitzen und nicht in jeder Standardsituation einsetzbar sein. Ein besonderer städtebaulicher Grund ist insbesondere dann anzuerkennen, wenn eine besondere, qualifizierte planerische Lösung bzw. eine städtebauliche Idee umgesetzt und dabei stadtgestalterische Gesichtspunkte in einer städtebaulich herausgehobenen Situation berücksichtigt werden sollen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:

- Die Bedeutung der Lage im direkten Umfeld des zentralen Hauptbahnhofes, der auch als Umsteigebahnhof fungiert und die damit verbundene außergewöhnlich gute Anbindung des Gebietes an den ÖV prädestiniert das Gebiet im Interesse der Innenentwicklung für eine verdichtete Bebauung.

Bebauungsplan II-201c Stand: April 2010 ­ Begründung gemäß § 9 Abs. 8 BauGB 71

- Die Nähe zum Regierungsviertel aus der sich die besondere Funktion des Gebietes und seine Aufgabe im gemeindlichen Gefüge ableitet, erfordert die Vorhaltung eines langfristig ausreichenden Flächenpotentials für einen Dienstleistungssektor, der im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit der Hauptstadtfunktion expandieren wird sowie für mit der zentralen Bahnhofsfunktion korrespondierende Nutzungen wie z. B. Hotels.

- Die vorhandenen und geplante unterirdischen (Tunnelbauwerke, Bahnhofszugänge etc.) und oberirdischen (Rettungsplatz mit Treppenhäusern, Entrauchungsanlagen etc) Bahnanlagen schränken eine Bebaubarkeit der Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplanes in einem außerordentlich hohem Maße ein. Um dennoch dem imposanten Bahnhofsgebäude ein adäquates Pendant mit einer städtebaulichen Gewichtung gegenüberstellen zu können, ist eine sehr hohe Verdichtung erforderlich. Sie ermöglicht gleichzeitig die Ausprägung eines dem Bahnhof vorgelagerten großen repräsentativen Platzes, der über die Invalidenstraße hinausgeht.

- Dementsprechend ist für die städtebauliche Akzentuierung der Bebauung, die sich an die informelle Planung anlehnt, (im Masterplan als „central station" bezeichnet) die Ausbildung zweier Hochhäuser vorgesehen, die einerseits mit dem südlich auf dem Europaplatz zulässigen Hochhaus (im festgesetzten Bebauungsplan II -201a als MK 8 bezeichnet) korrespondieren und andererseits „Wegweiser" zum Kulturcampus bzw. ins nördliche Heidestraßenquartier darstellen. Diese städtebaulichen Vorgaben erfordern ein deutlich über die Grenzen der BauNVO erhöhtes Nutzungsmaß, wenn sie im Kontext mit einer umgebenden dichten Bebauung - wie in diesem Fall ­ ermöglicht werden sollen.

Solitäre Punkthochhäuser auf freier Fläche entsprechen an dieser Stelle hingegen genau nicht der städtebaulichen Intention.

- Das städtebaulich gewünschte Umgebensein der Baukörper von freien Platzflächen bzw. die Konzentration der privaten Baufelder im östlichen Plangebiet ermöglicht die Ausbildung eines großen dreieckigen Vorplatzes (Fußgängerbereich - im Masterplan als nördlicher Europaplatz bezeichnet) und einer öffentlichen Durchwegung (ebenfalls Fußgängerbereich) sowie einer weiteren Verbindung zum Kulturcampus, bewirkt aber gleichzeitig eine Reduzierung der Baugrundstücke auf die Baukörper und damit ein erhöhtes Maß der Nutzung, da diese Flächen eindeutig einen öffentlichen Charakter haben sollen und nicht als nicht überbaubare Grundstücksfläche in die Berechnung eingehen können.

- Insgesamt gesehen, begründet die Summierung der o.g. besonderen städtebaulichen Gründe ein so hohes Maß an öffentlichem Interesse an der Verwirklichung des dargelegten Planungsziels, dass dafür die Abweichung von der Regelfestsetzung in Anspruch genommen wird. Die geplante Maßnahme ist ohne die Überschreitung der zulässigen Obergrenzen des § 17 BauNVO nicht zu ermöglichen.

Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse

Die Überschreitung der zulässigen Obergrenzen der Nutzungsmaße nach § 17 Abs. 1 BauNVO setzt voraus, dass die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und bedarf mit Blick auf die gleichzeitige punktuelle Verkürzung von Abstandsflächen innerhalb des Plangebietes nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 BauOBln einer besonderen städtebaulichen Rechtfertigung, bei der die Wirkungen auf die Schutzgüter Bebauungsplan II-201c 72 Stand: April 2010 ­ Begründung gemäß § 9 Abs. 8 BauGB des Abstandsflächenrechts besonderes gewichtet und in die Abwägung aufgenommen werden müssen. Die Anforderungen, die durch das Maß der Nutzung berührt werden können, beziehen sich dabei insbesondere auf die Belichtung, Besonnung und Belüftung der Wohnund Arbeitsstätten.

Die einzelnen Auswirkungen der verdichteten Bebauung sind untersucht und insbesondere im Kapitel II.5.3.3 dargelegt worden; auf die jeweiligen Ausführungen kann daher verwiesen werden. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Überschreitung der zulässigen Obergrenzen der Nutzungsmaße nach § 17 Abs. 1 BauNVO im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt, durch Umstände oder Maßnahmen ausgeglichen ist und die Bedürfnisse des Verkehrs befriedigt werden. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

- Die zusätzlichen verkehrlichen Belastungen, die im Allgemeinen aus einer hohen baulichen Dichte folgen, werden im Plangebiet begrenzt. Die günstige Anbindung des Plangebietes an den ÖPNV und der zentrale Hauptbahnhof ermöglichen eine der Baudichte und Nutzung angemessene Erschließung. Das öffentliche Nahverkehrssystem wird weiter ausgebaut (U55/U5, S21 und Straßenbahn).

- Im Zusammenwirken mit dem ÖPNV-Angebot werden somit sowohl die Verkehrsnotwendigkeiten befriedigt als auch die verkehrsbedingten, nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt reduziert und eine flächensparende Verkehrsbedienung vorgesehen.

- Die aus städtebaulichen Gründen erforderliche hohe bauliche Dichte in den einzelnen Baugebieten wird relativiert, da sie von öffentlichen Platzflächen und weiträumigen Straßen (Invalidenstraße und Minna-Cauer-Straße) umgeben werden, die sich positiv hinsichtlich der Belichtung und Belüftung auswirken.

- Der Ausschluss oberirdischer Stellplätze dient dazu, zur städtebaulichen Verträglichkeit der zulässigen Stellplätze beizutragen.

- Die Festsetzung von extensiver Dachbegrünung (TF 6) ermöglicht folgende ausgleichende Wirkungen:

Der Energie- und Wärmebedarf der Gebäude wird durch die Erd-/ Substratschichten auf den jeweiligen Flächen verringert.

Das in der Substratschicht gespeicherte Niederschlagswasser wird wieder im Gebiet verdunstet. Die Dachbegrünung wirkt staubbindend und ist zugleich Lebensraum von Kleintieren und potentieller (Teil-)Lebensraum von Vögeln.

Abhängig von der Mächtigkeit der Substratschicht wirkt die Dachbegrünung kaltluftbildend und ­ bei austauschschwachen Wetterlagen ­ anregend auf Ausgleichströmungen.

- Die in angrenzenden Bebauungsplänen II-201a und II-201b geplanten und mittlerweile vollständig realisierten öffentlichen Parkanlagen des ULAP-Geländes und Parkanlage „Geschichtspark Zellengefängnis" wirken als Maßnahme ausgleichend. Neben der Kompensation des „Eingriffs" im naturschutzrechtlichen Sinne für Eingriffe im Gesamtkontext des Entstehens des „Stadtquartiers Lehrter Bahnhof" stellt der „Geschichtspark Zellengefängnis" auch die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung der nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dar.