Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge

Ein weiteres ALB-Mitglied wird mit den Worten zitiert: „[D]as Anzünden von Autos ist im Rahmen von Stadtumstrukturierung ein radikaler Akt der Negation, der die Grenzen der konstruktive Kritik verlässt."

Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge sind seit Anfang der 80er Jahre eine Aktionsform von Teilen der linksextremistischen Szene in Berlin. Es kursierten Bauanleitungen für einen „Nobelkarossentod" genannten Brandsatz. Unter dem Titel „Wagensportliga" verübten Linksextremisten schon damals Sachbeschädigungen und Brandstiftungen an (vermeintlich) hochwertigen Kraftfahrzeugen.

Die Art der Tatbegehung ist, anders als in den 80er Jahren, äußerst unkompliziert: Es sind weder eine detaillierte Planung und Vorbereitung noch eine Absprache in einem feststehenden Gruppenzusammenhang erforderlich. Die Gruppe der Täter ist vermutlich sehr heterogen strukturiert. Es ist davon auszugehen, dass einige Brandanschläge auch durch „Trittbrettfahrer" ohne extremistische Motivation begangen wurden.

Günstige Tatgelegenheiten, einfache Tatmittel und ein geringes Entdeckungsrisiko dürften ebenso wie die steigende Wahrnehmung in Presse und Öffentlichkeit und die damit verbundene Darstellung von politischen Zielen zum rapiden

Kas Dubro: „Gegen Rassismus, Ausverkauf und Stadtumstrukturierung". In: „die tageszeitung" vom 23.2.2010.

Julia Schaaf: „Berlin soll brennen". In: „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 25.4.2010.

Brandanschläge bereits seit den 80er Jahren feste gewalttätige Aktionsform:

Anstieg dieser Deliktzahlen 2009 beigetragen haben. Das im Szenejargon „Abfackeln" genannte Inbrandsetzen eines Fahrzeuges entwickelte sich für die linksextremistische Szene in Berlin zu einer festen gewalttätigen Aktionsform. Es wird als symbolträchtiger Akt gesehen, der für entsprechende Aufmerksamkeit auch in den bürgerlichen Medien sorgt.

Zudem wurde unter anderem durch verniedlichende Wortwahl ein vermeintlicher „Spaßfaktor" beim Begehen dieser Straftaten suggeriert.

Es gibt in der Szene aber auch kritische Stimmen gegen die Brandstiftung an Kraftfahrzeugen. So könne nicht genau bestimmt werden, ob sie „die Richtigen" träfen, führt ein Sprecher der ARAB an: „Die Klassenzugehörigkeit anhand eines Autos einzuschätzen sehe ich aber eher kritisch. Anders ist es bei gezielten Angriffen auf Fahrzeuge der Bundeswehr, von DHL oder der Deutschen Bank."

Die „militante gruppe" kritisierte Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen wegen ihrer „mangelnden Vermittelbarkeit" in anderen linksextremistischen Spektren und vor allem im demokratischen Spektrum: „Außerhalb jedes Vermittlungsverhältnisses steht dabei die narzisstische Brandsatzlegerei des Nobelkarossentodes. [...] Die allabendliche alternative Freizeitbeschäftigung des automobilen Herumzündelns trägt nur noch zur Diskreditierung von militanten und klandestinen Aktionsformen bei." „Antimilitarismus"

Seit der zweiten Jahreshälfte 2008 und im Verlauf des Jahres 2009 stellte „Antimilitarismus" einen Aktionsschwerpunkt eines Großteils der linksextremistischen Szene in Berlin dar.

Konrad Litschko: „Diese bürgerliche Gewaltdiskussion nervt nur". Interview mit Jonas Schiesser, Sprecher der ARAB. In: „die tageszeitung" vom 21.4.2009. „militante gruppe": „schriftliches interview zu fragen der organisierung des revolutionären widerstandes mit der militanten gruppe". In: „radikal". publikation der „revolutionären linken". Nr. 161, 2009, S. 34, vgl. auch Kapitel „Kurz notiert", S. 112 f.

Schwerpunkt: „Antimilitarisierungskampagne":

Anlässlich des Bundestagsbeschlusses, das Bundeswehrmandat in Afghanistan zu verlängern und im Zusammenhang mit dem Prozessbeginn gegen drei mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe" hatte im Spätsommer 2008 eine bundesweite „Antimilitarismuskampagne" begonnen. Neben zahlreichen nicht-extremistischen Akteuren haben sich auch weite Teile des linksextremistischen autonomen Spektrums daran beteiligt. Die Kampagne thematisierte auch die „Münchener Sicherheitskonferenz" am 6. und 7. Februar sowie die Feierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen der NATO am 3. und 4. April in Straßburg, Baden-Baden und Kehl. In Bezug auf Aktionsformen und Beteiligungsmöglichkeiten war die Kampagne bewusst offen gehalten worden.

Mehrere Unternehmen wurden wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Bundeswehr von Linksextremisten als mögliche Ziele benannt. Im Visier einer so genannten „Competitive Resistance"-Kampagne war vor allem das Unternehmen DHL, auf deren Fahrzeuge in Berlin 2009 fünf Brandanschläge verübt wurden (zwölf angegriffene Fahrzeuge). Zudem wurden zahlreiche Sachbeschädigungen, z. B. an Postfilialen, DHL-Packstationen und Briefkästen, verübt. „Es geht darum, den Postdienstleister und Kriegslogistiker DHL ins Visier zu nehmen. [...] Die Deutsche PostTochter entpuppt sich nämlich als Deutsche Heeres Logistik und bietet sich deswegen für eine aktionsbezogene Mobilisierung im Vorfeld der NATO-Feierlichkeiten an."

Auch gegen Soldaten selbst wurde in aggressiver Weise gehetzt. Der Juni-Ausgabe der Szenezeitschrift INTERIM lag ein Faltblatt mit dem Titel „FEINDerkennung. Eine Gebrauchsanweisung für den Alltag" bei. Darin wurde zu Angriffen auf Angehörige der Bundeswehr ­ in der Intensität differenziert nach Rang ­ aufgerufen. „DHL ­ olivgrün mit postgelbem Tarnanstrich". Internetauftritt der Kampagne, datiert 28.10.2009.