Forschung

AKTUELLE ENTWICKLUNGEN ­ SPIONAGEABWEHR 127

7 SPIONAGEABWEHR

Die Aufklärungsaktivitäten der Nachrichtendienste fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland setzen sich in unverändertem Maß fort. Eine Vielzahl von Staaten versucht sich mit Hilfe ihrer Nachrichtendienste Interessenvorteile im politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bereich zu verschaffen. Darüber hinaus hat insbesondere für Nachrichtendienste totalitärer Staaten die Ausforschung von in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Oppositionellen und Dissidenten ihrer Heimatländer Priorität.

Das Agieren fremder Nachrichtendienste unter dem schützenden Diplomatenstatus der Botschaften in Berlin zählt zu den typischen Tarnmethoden. Zudem ist in Berlin die Präsenz fremder Nachrichtendienste besonders hoch, da es bundespolitisches Entscheidungszentrum mit vielen politikberatenden Einrichtungen, Interessenverbänden und entsprechenden Veranstaltungen ist.

Die in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind bevorzugte Zielobjekte von Ländern, die Wirtschaftsspionage187 und Proliferation188 betreiben. Für die deutsche Wirtschaft stellen Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung einen Deliktbereich mit hohem Gefährdungspotenzial dar. Der durch ungewollten Informationsfluss eintretende Schaden dürfte in Deutschland pro Jahr in Milliardenhöhe liegen.

Wirtschaftsspionage ist die staatlich gelenkte oder unterstützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen. Sie ist abzugrenzen vom Begriff der Konkurrenzausspähung / Industriespionage, die ein konkurrierendes Unternehmen gegen ein anderes betreibt.

Unter Proliferation wird die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte einschließlich des dafür erforderlichen Wissens sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen verstanden.

Vgl. u. a. Universität Lüneburg: Fall- und Schadensanalyse bezüglich Know-how- / Informationsverlusten in Baden-Württemberg ab 1995. Bei Überprüfung der Festplatte wurde festgestellt, dass die kopierten Daten teilweise als Betriebsgeheimnisse anzusehen waren und keinen Bezug zum Arbeitsbereich des Studenten aufwiesen.

Das betroffene Unternehmen brachte den Sachverhalt zur Anzeige und der chinesische Student wurde im März 2010 wegen Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu einer Geldstrafe in Höhe von 2 250 Euro verurteilt.

Im Phänomenbereich Proliferation bemühen sich insbesondere Krisenländer, in den Besitz von atomaren, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen, der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte und Vorprodukte oder des für die Herstellung erforderlichen Wissens zu gelangen. Besonders problematisch ist dabei, dass die Wissenschaft und die gewerbliche Wirtschaft die wahren Absichten ihrer „Partner" aus proliferationsrelevanten Ländern häufig nicht erkennen können.

Die Spionageabwehr ist bei ihrer Arbeit auch auf Hinweise aus der Öffentlichkeit angewiesen. Diesen Hinweisen geht sie vertraulich und diskret nach. Im Falle einer bereits vorhandenen nachrichtendienstlichen Verstrickung kann die Spionageabwehr Hilfe anbieten, sich aus ihr zu lösen. Für weitere Informationen und die Sensibilisierung zu Fragen der Wirtschaftsspionage und Proliferation steht der Berliner Verfassungsschutz jederzeit zur Verfügung.

Kontaktadressen und Telefonnummern des Berliner Verfassungsschutzes, darunter auch ein „Vertrauliches Telefon", finden Sie am Schluss dieses Verfassungsschutzberichts.

Az. Wi Js 162/20 vom 24.3.2010. § 17 Abs. 2 UWG. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Krisenländer sind in diesem Fall Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus ABC-Waffen eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird.

Proliferation Kontakt zum Verfassungsschutz AKTUELLE ENTWICKLUNGEN ­ GEHEIM- UND SABOTAGESCHUTZ 129

8 GEHEIM- UND SABOTAGESCHUTZ

Der Schutz von Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen, die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, ist unverzichtbar. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Antrag der zuständigen öffentlichen Stelle daran mit, durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen Ausforschungen durch Unbefugte in sicherheitsempfindlichen Bereichen zu verhindern.

Ferner sind sicherheitsempfindliche Stellen bei lebens- und verteidigungswichtigen öffentlichen Einrichtungen zu schützen, deren Ausfall oder Zerstörung eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und das Leben zahlreicher Menschen verursachen könnte oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind. Welche Einrichtungen dazu zählen, wird durch eine Rechtsverordnung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport festgelegt.

Die Verfassungsschutzbehörde überprüft bei öffentlichen Stellen und Wirtschaftsunternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (so genannte Sicherheitsüberprüfungen) und trifft selbst oder veranlasst Maßnahmen zum materiellen Geheimschutz. Zum Zweck des so genannten personellen Sabotageschutzes sind Sicherheitsüberprüfungen gesetzlich vorgesehen.

Personeller und materieller Geheimschutz im öffentlichen Bereich

Der personelle Geheimschutz soll den Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen (so genannten Verschluss192

§ 5 Abs. 3 Nr. 1 u. Nr. 3 VSG Bln, Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BSÜG) vom 2.3.1998 (GVBl. S. 26) in der Fassung vom 25.6.2001 (GVBl. S. 243), zuletzt geändert durch Art. XV des Gesetzes vom 17.12.2003 (GVBl. S. 617). Das Gesetz ist im Anhang abgedruckt.

Verordnung zur Festlegung der Arten lebenswichtiger Einrichtungen im Land Berlin vom 2.9.2003 (GVBl. S. 316). Sicherheitsüberprüfungen personeller Geheimschutz