Arbeitgeber

Die Erhebung biographischer Angaben bei Pflegebedürftigen setzt deren informierte Einwilligung voraus.

Bei der Prüfung einer Bürgereingabe hatten wir die Frage zu beurteilen, ob und auf welcher Rechtsgrundlage die Berliner Ärztekammer im Rahmen eines berufsrechtlichen Beschwerdeverfahrens Patientenunterlagen bei Ärztinnen und Ärzten anfordern darf.

Die Ärztekammer überwacht nach dem Berliner Kammergesetz die Einhaltung der Berufspflichten ihrer Mitglieder. Sie hat daher bei Bekanntwerden von Tatsachen, die den Verdacht einer Berufspflichtverletzung rechtfertigen, von Amts wegen berufsrechtliche Ermittlungen einzuleiten. Dabei ist es in vielen Fällen auch erforderlich, auf die bei der oder dem Beschuldigten geführte Patientendokumentation zuzugreifen, um einen konkreten Pflichtverstoß belegen zu können. Dem steht jedoch die ärztliche Schweigepflicht entgegen, die grundsätzlich auch bei Auskünften gegenüber der Kammer zu beachten ist.

Eine Offenbarung von Patientendaten ist nur zulässig, wenn die Ärztin oder der Arzt wirksam von der Schweigepflicht entbunden wurde oder besondere gesetzliche Offenbarungsbefugnisse bestehen.

Letztere finden sich im Berliner Kammergesetz nicht.

Der Kammer wird nicht in hinreichend konkreter Form gestattet, Zugriff auf Patientenunterlagen und damit auf personenbezogene Daten Dritter zu nehmen.

Insoweit unterscheidet sich das Berliner Gesetz von den Regelungen anderer Bundesländer, die zum Teil die Anforderung von Behandlungsunterlagen ausdrücklich vorsehen. Die Ärztekammer will daher eine entsprechende Gesetzesänderung initiieren.

Nach der derzeitigen Rechtslage ist vor der Anforderung von Patientenunterlagen im Rahmen berufsrechtlicher Ermittlungen in aller Regel eine Schweigepflichtentbindungserklärung der betroffenen Patientinnen und Patienten einzuholen. Dabei ist im Hinblick auf die Form der Patienteneinwilligung zu differenzieren:

Wenn eine Patientin oder ein Patient selbst Beschwerde einlegt, das beanstandete Verhalten der Ärztin oder des Arztes unter Bezugnahme auf bestimmte Erkrankungen darlegt und um entsprechende Prüfung durch die Kammer bittet, wird er in der Regel die Einsichtnahme der Kammer in die ärztliche Dokumentation bereits voraussetzen. In diesen Fällen kann von einem konkludenten Einverständnis ausgegangen werden, das dem Berufsgeheimnisträger eine Offenbarung entscheidungserheblicher Tatsachen gegenüber der Kammer erlaubt.

Eine Beschwerde kann aber auch umgekehrt der Kammer nahelegen, keine personenbezogene, d.h. unter Nennung des Patientennamens erfolgende Rückfrage oder Anforderung von Unterlagen bei der Ärztin oder dem Arzt vorzunehmen. Es kommt insoweit auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Um mögliche Zweifelsfälle zu vermeiden und den diesbezüglichen Willen der Patientin oder des Patienten zu ermitteln, halten wir es für erforderlich, aber auch ausreichend, in der an sie oder ihn gerichteten Eingangsbestätigung darauf hinzuweisen, dass die Kammer die Beschwerde an die Ärztin oder den Arzt zur Stellungnahme weiterleitet und gegebenenfalls Behandlungsunterlagen anfordert.

Widerspricht die Beschwerdeführerin oder der -führer dem nicht, kann daraus auf eine entsprechende Schweigepflichtentbindung geschlossen werden. Die Ärztekammer hat diesem Vorgehen zugestimmt und ihr Musterschreiben entsprechend angepasst.

Von dieser Konstellation sind Fälle zu unterscheiden, in denen sich Dritte in der Angelegenheit einer oder eines Kranken bei der Ärztekammer beschweren oder die Kammer auf anderem Wege Hinweise über mögliche Berufspflichtverletzungen erhält. Hier ist das ausdrückliche Einverständnis der oder des Kranken einzuholen, bevor sie oder ihn betreffende Behandlungsunterlagen beim Beschwerdegegner oder bei weiteren Ärzten angefordert werden. Lediglich wenn das aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, etwa weil die oder der Kranke verstorben ist, kommt eine mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund für die Offenbarung in Betracht. Die Ermittlungen sollten allerdings nur weitergeführt werden, wenn ein konkreter Anfangsverdacht besteht.

Die Ärztekammer hat uns des Weiteren auf Fälle hingewiesen, in denen die Patientin oder der Patient selbst kein Interesse an der Aufklärung der Berufspflichtverletzung hat, da sie oder er diese Verletzung als in eigenem Sinne versteht oder sogar mit der Ärztin oder dem Arzt zusammenarbeitet (z.B. Gefälligkeitsbescheinigungen oder ärztliche Verordnungen zur Weiterveräußerung oder zum Missbrauch von Psychopharmaka). Eine Schweigepflichtentbindungser- 0klärung wird die Patientin oder der Patient daher gerade nicht abgeben.

Die Herausgabe der Patientendokumentation auch gegen ihren oder seinen Willen kann im Ausnahmefall zwar gerechtfertigt sein. So kann die Ärztin oder der Arzt sich auf die Wahrung eigener Interessen berufen, soweit die Geheimnisoffenbarung zur Abwendung eines drohenden berufsgerichtlichen Verfahrens erforderlich ist. Eine Verpflichtung zur Offenbarung folgt daraus aber nicht. Verweigert daher die Ärztin oder der Arzt unter Berufung auf die Schweigepflicht die Herausgabe der Akten, bleibt der Ärztekammer nur die Möglichkeit, einen gerichtlichen Beschlagnahmebeschluss zu erwirken. Die Vorschriften des Disziplinarrechts finden hier entsprechend Anwendung. Die insoweit zu beachtenden Beschlagnahmeverbote beziehen sich ausschließlich auf das Verhältnis der Ärztin oder des Arztes zu ihren Patientinnen und Patienten als Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens. Sie greifen dann nicht, wenn die Ärztin oder der Arzt selbst beschuldigt ist.

FAZIT

Die Übermittlung von Patientenunterlagen an die Ärztekammer im Rahmen eines berufsrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist nur aufgrund einer Schweigepflichtentbindungserklärung der betroffenen Patienten zulässig. Beschwert sich die Patientin oder der Patient selbst bei der Ärztekammer, ist in aller Regel von einem konkludenten Einverständnis auszugehen. Verweigert die Ärztin oder der Arzt die Herausgabe der angeforderten Unterlagen, kann ein gerichtlicher Beschlagnahmebeschluss beantragt werden.

Ein großer Verband betrieb seit Mai 2007 für seine Mitglieder eine Datei (AGG-Hopper-Datei), die Daten abgelehnter Bewerberinnen und Bewerber enthielt, die sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dort auf einen Diskriminierungsgrund berufen hatten. Im Kern ging es um eine Warndatei, in die Personen aufgenommen werden sollten, die rechtsmissbräuchlich Ansprüche nach dem AGG geltend gemacht hatten. Einmeldungen erfolgten ausschließlich durch die Mitglieder des Verbandes, die von einer betroffenen Person nach den Vorschriften des AGG in Anspruch genommen worden waren. In dem AGG-Archiv selbst wurden der Name der betroffenen Person, der betroffene Arbeitgeber sowie der meldende Verband gespeichert.

Im Zuge der Meldung wurde darüber hinaus auch der Schriftwechsel zwischen betroffener Person und Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens sowie der gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzung in einer gesonderten Akte gespeichert. Dabei wurden weitere, auch sensitive personenbezogene Daten nach §3 Abs. 9 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) intern gespeichert.

Insgesamt waren in der Datei zehn Personen gespeichert.

Unsere Prüfung dieser Datei ergab erhebliche datenschutzrechtliche Mängel. In dem gesamten AGG-Hopper-Verfahren waren keinerlei Hinweise darauf erkennbar, dass und anhand welcher Kriterien das „rechtsmissbräuchliche Verhalten" der eingemeldeten Person überprüft worden wäre.

Insbesondere wurde der Ausgang des jeweiligen Verfahrens nicht abgewartet. Darüber hinaus wurde auch kein abschließender Vermerk angefertigt, in dem festgehalten wurde, ob die oder der Betroffene in die Datei aufgenommen werden soll.