Forschung
Darüber hinaus hat der Bezirk Pankow für die KurtTucholsky-Bibliothek eine Softwareänderung beantragt, die ebenfalls den datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechen wird.
Wir haben in dem Bemühen, die grundsätzlich anerkennenswerte ehrenamtliche Mitarbeit zu ermöglichen, alle in Frage kommenden rechtlichen Möglichkeiten daraufhin überprüft, ob sie einen so weitgehenden landesweiten Datenzugriff legitimieren können.
Von beiden im Bericht angesprochenen Bezirken (Thomas-Dehler-Bibliothek - Tempelhof-Schöneberg und Kurt-Tucholsky-Bibliothek - Pankow) liegen dem Senat Bestätigungen vor, dass derzeit für die Übergangslösungen bis zur Einführung von RFID bzw. der Softwareerweiterung gewährleistet ist „... der Datenzugriff der ehrenamtlich Beschäftigen durch dienstrechtliche Aufsicht begrenzt..."/.
Eine „Datenverarbeitung im Auftrag" nach §3 BlnDSG scheidet aus, weil sich die ehrenamtliche Tätigkeit auf alle, auch die allgemein beratenden Funktionen des Bibliotheksbetriebs erstreckt und nicht auf eine enge, weisungsgebundene Datenverarbeitung beschränkt ist. Die ehrenamtliche Tätigkeit ist also rechtlich nicht als Datenverarbeitung im Auftrag anzusehen, sondern als eine „Funktionsübertragung"111 aller Bibliotheksaufgaben auf ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Eine Funktionsübertragung kann, jedenfalls soweit sie hoheitliche Befugnisse einräumt, nur durch eine formelle „Beleihung" erfolgen, die ihrerseits eines Gesetzes bedarf, in dem die Befugnisse der Beliehenen klar definiert und die Rechtsaufsicht über sie sichergestellt sind. Ohne gesetzliche Regelung konnten wir die Funktionsübertragung folglich nicht befürworten.
Die ehrenamtlich Tätigen sind auch nicht als bloße „Verwaltungshelfer" der öffentlichen Verwaltung einzustufen. Denn als Verwaltungshilfe kommen grundsätzlich nur untergeordnete Hilfsfunktionen in Betracht, die letztlich doch der umfassenden Kontrolle und Verantwortung der Verwaltung unterliegen, wie z. B. bei Schülerlotsen oder bei Abschleppdiensten, die von Polizei- oder Ordnungsbehörden mit der Umsetzung von Kraftfahrzeugen beauftragt werden.
Der Datenzugriff der ehrenamtlich Tätigen kann schließlich nicht auf das Verpflichtungsgesetz gestützt werden, denn es ist nicht dazu da, Zugriffsbefugnisse zu schaffen. Es bildet nur die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung von Beschäftigten auf den Datenschutz.
Es käme einer systemwidrigen Umkehrung des Datenschutzrechts gleich, wenn durch eine einfache Verpflichtungserklärung der Zugriff auf so umfangreiche öffentlich-rechtliche Datenbestände wie beim Rechnerverbund der bezirklichen Bibliotheken ermöglicht würde. Das Berliner Datenschutzgesetz lässt in §8 ohnehin nur eine Verpflichtung von Dienstkräften von Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen bzw. von Personen zu, die bei nicht-öffentlichen Auftragnehmern öffentlicher Stellen Zugang zu personenbezogenen Daten haben.
Die Kurt-Tucholsky-Bibliothek erfüllt diese Voraussetzung ebenso wenig wie die Thomas-DehlerBibliothek im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, die ebenfalls ehrenamtlich betrieben wird.
Angesichts der bildungspolitischen Bedeutung der Berliner Bibliotheken haben sich sowohl die Senatskanzlei mit dem Bereich Kulturelle Angelegenheiten als auch der Unterausschuss „
Zwischenzeitlich soll ihr Datenzugriff technisch auf den örtlichen Bezug der bezirklichen Nutzenden beschränkt werden und nur vorgenommen werden können, wenn die Nutzerin oder der Nutzer ihn autorisiert.
FAZIT
Wir gehen davon aus, dass es für ehrenamtliche Tätigkeiten in den öffentlichen Bibliotheken viele Möglichkeiten gibt, die datenschutzgerecht realisiert werden können und müssen. Die Umsetzung der angedachten Möglichkeiten sollte von den betroffenen Bezirken im Interesse aller Bibliotheken und Bibliotheksnutzenden zügig in Angriff genommen werden, damit der Betrieb der Bibliotheken bürgerfreundlich und datenschutzgerecht aufrechterhalten werden kann. Denn die Benutzerfreundlichkeit darf die datenschutzgerechte Gestaltung nicht ausschließen, vielmehr bedingen sich beide gegenseitig.
Forschung mit Friedhofsdaten AUS DER PRAXIS
Ein Bezirksamt legte uns die Anfrage eines unternehmerisch tätigen Anbieters von Familienforschungsdaten vor, der eine Kooperation mit dem Bezirksamt anstrebte, um Daten Verstorbener ins Internet einstellen zu können und kommerziell anzubieten. Der Anbieter bekundete seine Absicht, Daten verstorbener Berliner ab 1950 weiter rückdatierend in seinen Internetseiten darstellen zu wollen. Hierzu würden auch Kooperationsvereinbarungen mit namhaften Verlagshäusern und ähnlichen Institutionen vorliegen.
Der Persönlichkeitsschutz des Einzelnen wirkt für eine begrenzte Zeit über den Tod der Betroffenen hinaus.
Die Fortdauer dieser „Schutzwirkung über den Tod hinaus" unterliegt im Einzelfall unterschiedlichen Bewertungen. Besonders geschützte Daten, etwa im Bereich der ärztlichen Schweigepflicht, unterliegen längeren Schutzfristen als andere, nicht besonders geschützte Daten. In Anlehnung an das MephistoUrteil des Bundesverfassungsgerichts112 kann jedoch im Normalfall von einer Fortwirkungsdauer von etwa 25 Jahren über den Tod hinaus ausgegangen werden, falls keine besonderen gesetzlichen Vorschriften vorliegen. Die Aufbewahrung von Daten Verstorbener auf Friedhöfen und in der Friedhofsverwaltung ist nach dem Friedhofsgesetz und der Friedhofsdatenverarbeitungsverordnung113 zeitlich begrenzt. Nach §6 Abs. 2 dieser Verordnung sind die Daten Verstorbener aufzubewahren, solange ein Nutzungsrecht an einer Grabstätte besteht. Danach dürfen die Daten der Verstorbenen nur noch gesondert, durch technische und organisatorische Maßnahmen gesichert, aufbewahrt werden. Sie dürfen dann nur noch genutzt werden, wenn auskunftsbegehrende Angehörige ein berechtigtes Interesse geltend machen können oder die Daten für wissenschaftliche Zwecke erforderlich sind.
Mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben wir uns darauf verständigt, dass diese Regelung im Lichte der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung anzuwenden ist. Dies bedeutet, dass der Schutzbedarf von Daten Verstorbener mit zunehmendem Zeitablauf abnimmt. Da bei der Schutzbedürftigkeit auf den Einzelfall und nicht auf Datenkategorien abzustellen ist, können große Datenmengen nicht ohne Weiteres pauschal aus der Schutzwirkung des über den Tod hinaus fortwirkenden informationellen Selbstbestimmungsrechts entlassen werden.
Anhaltspunkte für die Einzelfallentscheidung ergeben sich insbesondere aus der archivrechtlichen Nutzungsregelung114. Die Regelung zur Nutzung von personenbezogenem Archivgut kann auf die Daten Verstorbener in der Friedhofsverwaltung angewendet werden. Unter das Archivgesetz fallen nicht nur Daten, die im Landesarchiv gespeichert werden, sondern auch Daten, die in dezentralen Bereichen als Archivgut der Bezirke verwaltet werden.