Kreditinstitut

Die ehemalige Oberfinanzdirektion (OFD) erließ aufgrund dessen eine Rundverfügung, die den Dienstkräften als Grundlage für die zukünftige ordnungsgemäße Bearbeitung dienen sollte. Gleichzeitig übertrug die OFD das Zeichnungsrecht für alle maßgeblichen Verfügungen betreffend Abgaben an andere Bundesländer bzw. Übernahmen aus anderen Bundesländern den Sachgebietsleiterinnen und Sachgebietsleitern.

Im Jahre 2009 prüfte der Rechnungshof, inwieweit die anlässlich seiner damaligen Prüfung ergriffenen Maßnahmen die ordnungsgemäße Bearbeitung der unmittelbaren Steuerberechtigung Berlins nach § 1 Zerlegungsgesetz (ZerlG) bei Abgabe- und Übernahmefällen in der Praxis gewährleisteten. Er stellte erneut gravierende Mängel fest.

Einer der Gründe für die Mängel ist nach Einschätzung des Rechnungshofs, dass den Dienstkräften die Weisung der Senatsverwaltung für Finanzen nicht bekannt war, wonach die Bearbeitung der Abgabe-/Übernahmeverfahren in andere Bundesländer bzw. aus anderen Bundesländern durch die Sachgebietsleiter/innen Schluss zu zeichnen ist. Einen weiteren Grund sieht der Rechnungshof in der fehlenden Überwachung im Rahmen von Fachgeschäftsprüfungen.

Der Rechnungshof hält einen IT-unterstützten Hinweis, der auf die Notwendigkeit der Überprüfung der Steuerberechtigung nach § 1 ZerlG verweist und eine sich daran anschließende IT-unterstützte Überwachung der Wiedervorlagetermine für zweckdienlich.

Die Feststellungen nahm die Senatsverwaltung für Finanzen zum Anlass, den Dienstkräften mit Runderlass vom 09.02.10 die bestehenden Regelungen nochmals gebündelt zu vergegenwärtigen. Ferner wurde den Dienstkräften am 11.05.10 eine Arbeitshilfe zu § 1 ZerlG zur Verfügung gestellt.

Eine IT-Unterstützung ist in dem Programmierverbund EOSS, dem Berlin angehört, nicht vorgesehen. Um den Finanzämtern dennoch eine Unterstützung bei der Überprüfung und Überwachung der Ansprüche Berlins zu gewährleisten, veranlasste die Senatsverwaltung für Finanzen, dass den Finanzämtern jährlich zum 30.06. eine Liste übersandt wird, die alle Abgabe- und Übernahmefälle des Körperschaftsteuerbzw. Einkommensteuersignals in andere bzw. aus anderen Bundesländern vom 01.01. des Vorjahres bis zum Tag der Erstellung der Liste enthält. Die Liste wird den Finanzämtern nach Veranlagungs- bzw. Festsetzungs- und Erhebungsplätzen gegliedert übersandt. Die Prüfung der in der Liste aufgeführten Fälle ist mit einem kurzen Vermerk, Namenszeichen und Datum zu dokumentieren. Die Bearbeitung der Liste ist von den Sachgebietsleiter/innen zu überprüfen.

Die Senatsverwaltung für Finanzen wird sich im Rahmen von Fachgeschäftsprüfungen davon überzeugen, inwieweit die eingeleiteten Maßnahmen wirken.

2. Unzulängliche Beitreibung von Steuerforderungen durch zwei Finanzämter

Die Finanzämter Neukölln und Steglitz haben es häufig versäumt, zur Vorbereitung der Beitreibung von Steuerforderungen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners umfassend zu ermitteln, um zeitnah Kenntnis von geeigneten Vollstreckungsmöglichkeiten zu erlangen. Da die Dienstkräfte oft auch keinen Gebrauch von den bestehenden elektronischen Abfragemöglichkeiten gemacht haben, war nicht sichergestellt, dass alle

Informationen, die anderen Sachgebieten des Finanzamts bekannt waren, auch für Beitreibungszwecke genutzt werden. Dieses Verhalten hat zu vermeidbaren Verzögerungen geführt. Dadurch bedingte Steuerausfälle sind nicht ausgeschlossen.

Am 31. Dezember 2009 betrugen die sog. echten Rückstände der Berliner Finanzämter 486 Mio. darunter 331 Mio., für die bereits Rückstandsanzeigen erstellt waren. Als echte Rückstände werden die Beträge ausgewiesen, die zum Stichtag der Statistikerstellung zwar fällig gewesen sind, aber nicht entrichtet und weder gestundet, ausgesetzt, erlassen noch niedergeschlagen wurden. Darüber hinaus haben die Finanzämter allein im Jahr 2009 Steuerforderungen von 329 Mio. niedergeschlagen, weil mit einer Realisierung dieser Rückstände in absehbarer Zeit nicht zu rechnen war. Es handelt sich bei einer Niederschlagung nicht um einen endgültigen Verzicht auf die Forderungen. Die Finanzämter müssen deshalb auch diese Fälle weiter überwachen und prüfen, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldner im Laufe der Zeit verbessert haben. Sollte dies der Fall sein, sind erneut Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.

Die Finanzämter haben die Steuern gemäß § 85 AO nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Dazu gehört, dass sie die festgesetzten Beträge so schnell und so umfassend wie möglich beitreiben, wenn Steuerpflichtige ihrer Zahlungsverpflichtung nicht freiwillig nachkommen.

Die Senatsverwaltung für Finanzen strebt seit Jahren eine konsequente Vollstreckung an. Die Dienstkräfte des Sachgebiets Erhebung (Bereich Vollstreckung) der Finanzämter sollen hierzu nach Erhalt der Rückstandsanzeige frühzeitig und umfassend die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners ermitteln und ggf. mehrere Vollstreckungsmaßnahmen gleichzeitig ergreifen, wenn nicht abzusehen ist, dass eine einzelne Maßnahme bereits zur vollständigen Tilgung der Rückstände ausreicht. Damit soll einerseits erreicht werden, dass die Finanzämter die Rückstände möglichst zeitnah beitreiben.

Andererseits rechtfertigen konsequente Beitreibungsversuche unter Umständen auch die schnelle Niederschlagung von Steuerrückständen, wenn sich dabei herausstellt, dass in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Realisierung besteht. Die Dienstkräfte können sich dann auf die Bearbeitung der übrigen Fälle konzentrieren.

Der Rechnungshof hat bei den Finanzämtern Neukölln und Steglitz den Arbeitsstand und die Arbeitsweise des Sachgebiets Erhebung (Bereich Vollstreckung) überprüft. Die sog. echten Rückstände dieser Finanzämter beliefen sich am 31. Dezember 2009 auf mehr als 39 Mio.. Für die Bearbeitung der finanziell bedeutsamen Vollstreckungsfälle hatten beide Ämter - wie in allen Berliner Finanzämtern üblich - Großschuldnerplätze eingerichtet. Die Bearbeitung der übrigen Vollstreckungsfälle oblag den Erhebungsplätzen.

Insbesondere auf den Erhebungsplätzen war die Arbeitsweise von wenig effektiven Abläufen geprägt.

Die Dienstkräfte haben regelmäßig zunächst schriftliche Zahlungsaufforderungen versandt und darin für den Fall der Nichtzahlung Vollstreckungshandlungen angekündigt, obwohl die Schuldner zuvor bereits maschinell erstellte Mahnschreiben erhalten hatten. Blieben die Zahlungen dennoch aus, haben die Dienstkräfte meist Vollziehungsbeamte mit der Beitreibung der Rückstände beauftragt. Führte auch dies zu keinem Erfolg, haben die Dienstkräfte nach einer anderen Beitreibungsmöglichkeit gesucht. Blieb der Vollstreckungserfolg auch dann immer noch aus, begannen die Dienstkräfte mit ihren Ermittlungsbemühungen erneut. Dabei haben sie sich oft noch immer keinen vollständigen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners verschafft, sondern Nachforschungen zumeist abgebrochen, sobald sich eine andere Vollstreckungsmöglichkeit abzeichnete. Diese Arbeitsweise hatte zur Folge, dass sich die Beitreibungsverfahren häufig über einen sehr langen Zeitraum hinzogen und eine Realisierung der Rückstände oft nicht mehr möglich war. Die Finanzämter haben außer Acht gelassen, dass die zeitliche Komponente für den Erfolg der Vollstreckungsarbeit von entscheidender Bedeutung ist, weil sich die wirtschaftliche Lage des Schuldners während des Verfahrens weiter verschlechtern kann.

Die dargestellte Arbeitsweise hat dazu geführt, dass zu Beginn des Verfahrens ggf. noch vorhandene Beitreibungsmöglichkeiten zu spät oder gar nicht genutzt wurden. Bei nur 16 v. H. der überprüften Fälle haben die auf den Erhebungsplätzen eingesetzten Dienstkräfte von der Möglichkeit der Einsichtnahme in die Steuerakten des Festsetzungsbereichs Gebrauch gemacht. Selbst die vorhandenen, besonders leicht zu handhabenden elektronischen Abfragemöglichkeiten zur Ermittlung von Vollstreckungsansätzen blieben weitestgehend ungenutzt.

Darüber hinaus waren die Beitreibungsbemühungen der beiden Finanzämter zum Nachteil des Fiskus von weiteren Unzulänglichkeiten gekennzeichnet:

· Anträge auf Vollstreckungsschutz gegen Ratenzahlung wurden teilweise nicht zeitnah bzw. ohne ausreichende inhaltliche Überprüfung beschieden. So stand beispielsweise die Entscheidung über einen derartigen Antrag seit mehr als einem Jahr aus. Trotz freiwilliger Zahlungen des Schuldners sind die Rückstände in dieser Zeit von ehemals 13 000 auf 36 000 angestiegen, ohne dass das Finanzamt Beitreibungsmaßnahmen ergriffen hat.

· Aufgrund unzureichender Fristenüberwachung kam es zwischen den einzelnen Beitreibungsmaßnahmen immer wieder zu ungerechtfertigten Bearbeitungspausen. Vollstreckungsaufträge sind teilweise über mehrere Monate bei den Vollziehungsbeamten verblieben, ohne dass Vollstreckungshandlungen vorgenommen worden sind.

· Andauernd ansteigenden Steuerrückständen sind die Finanzämter nicht in gebotener Form mit rückstandsunterbindenden Maßnahmen begegnet. So haben sie beispielsweise nur selten die Untersagung der Ausübung eines Gewerbes oder berufsrechtliche Verfahren bei den hierfür zuständigen Stellen angeregt.

Die Einrichtung der Großschuldnerplätze hat sich in der Praxis weitestgehend bewährt. Die auf diesen Plätzen eingesetzten Dienstkräfte, denen für die Bearbeitung des Einzelfalls allerdings auch deutlich mehr Zeit zur Verfügung steht als den übrigen Dienstkräften, wenden die Grundsätze einer konsequenten Vollstreckung größtenteils an. Eine erfolgreiche Beitreibung durch die Großschuldnerplätze setzt aber voraus, dass sie von allen in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Vollstreckungsfällen auch zeitnah Kenntnis erhalten. Dies ist immer dann gewährleistet, wenn die finanzielle Größenordnung des Vollstreckungsfalls bereits zu Beginn des Vollstreckungsverfahrens erkennbar ist. Wenn die Rückstände jedoch erst im Laufe des Verfahrens soweit angestiegen sind, dass die Bearbeitung in die Zuständigkeit der Großschuldnerplätze fällt, sind notwendige Aktenabgaben seitens der Erhebungsplätze teilweise über längere Zeit oder sogar gänzlich unterblieben. Diese Fälle sind wie bisher weiterbearbeitet worden. Eine konsequente Vollstreckung war deshalb trotz der gestiegenen Rückstände nicht immer gewährleistet.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass es sich bei der Beitreibung von Steuerrückständen um ein Massenverfahren handelt. Daher ist die Nutzung der zur Verfügung stehenden elektronischen Hilfsmittel bei allen Fällen angezeigt, weil die Dienstkräfte so innerhalb kurzer Zeit Kenntnis von möglicherweise erfolgversprechenden Vollstreckungsmöglichkeiten (wie beispielsweise der Pfändung von Ansprüchen gegenüber Kreditinstituten oder von pfändbaren Teilen des Arbeitslohns) erlangen können. Die Finanzämter haben die Vollstreckungsverfahren zügig voranzutreiben, um finanzielle Nachteile für den Fiskus auszuschließen. Das zögerliche Handeln der Finanzämter kann zu einer Benachteiligung des Fiskus führen. Ein derartiges Verhalten ist auch angesichts der finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte nicht hinnehmbar.

Die Sachgebietsleiter/-innen sind gemäß Abschnitt 2.3 der Geschäftsordnung für die Finanzämter für die rechtzeitige, sachgerechte und wirtschaftliche Erfüllung der Aufgaben in ihren Sachgebieten verantwortlich. Ihnen stehen hierfür vor allem verschiedene in regelmäßigen Abständen ausgegebene Arbeitslisten über bestimmte Vollstreckungsfälle zur Verfügung. Die Dienstkräfte haben in den Listen zu den einzelnen Vollstreckungsfällen kurze Vermerke über den Sachstand anzubringen und diese dem/der zuständigen Sachgebietsleiter/-in zur Prüfung vorzulegen. Bei einer ordnungsgemäßen Überprüfung hätten die Unzulänglichkeiten bei der Aufgabenerfüllung auffallen müssen, weil die Listen teilweise keine oder wenig aussagekräftige Bearbeitungsvermerke enthielten. Die Bearbeitungsmängel sprechen dafür, dass die Sachgebietsleiter/-innen ihrer Dienst- und Fachaufsicht in nicht ausreichendem Maß nachgekommen sind.

Der Rechnungshof hatte sich in der Vergangenheit bereits wiederholt mit der Beitreibung von Steuerrückständen befasst und auf bestehende Unzulänglichkeiten zuletzt in seinem Jahresbericht 2004

(T 235 bis 242) hingewiesen. Auch die Senatsverwaltung für Finanzen hatte im Rahmen von Fachgeschäftsprüfungen wiederholt Defizite in diesem Bereich festgestellt. Betroffen waren auch die vom Rechnungshof geprüften Finanzämter. Dennoch haben diese Finanzämter es nicht vermocht, die Bearbeitungssituation entscheidend zu verbessern.

Die Senatsverwaltung für Finanzen hat eingeräumt, dass die Finanzämter die Grundsätze einer konsequenten Vollstreckung nicht immer einhalten. Sie strebt deshalb eine Verbesserung durch organisatorische und technische Veränderungen an.