Tarifverträge

Lebensaltersstufen ist ein Tabellenentgelt vorgesehen, das in der Entgeltgruppe Ä 1 fünf Stufen und in der Entgeltgruppe Ä 4 lediglich eine Stufe umfasst. Die Grundvergütung lag bisher zwischen 2 252 und 5 036 ; die Entgelte betragen nunmehr 3 848 bis 7 479 monatlich.

Geprüft wurden stichprobenweise insbesondere die

· Eingruppierung der Oberärzte,

· Gewährung von Zulagen, vorrangig für Ärzte der Entgeltgruppen Ä 3 und Ä 4,

· Gestaltung von Arbeitszeitmodellen und

· Erfassung, Abrechnung und Zahlbarmachung von Rufbereitschafts-, Bereitschafts- und Visitendiensten. zu T 270: Der zum 01.07.07 in Kraft getretene Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an der Charite-Universitätsmedizin Berlin (TV-Ärzte Charite), während dessen Geltungsdauer die Prüfungen des Rechnungshofes erfolgten, ist zum 01.10.09 durch den neuen Tarifvertrag abgelöst worden, der frühestens zum 30.09.11 gekündigt werden kann. Auch dieser Tarifvertrag enthält wie zuvor in der Entgeltgruppe Ä1 fünf Stufen und in der Entgeltgruppe Ä4 lediglich eine Stufe. Die Gehälter wurden über alle Arztgruppen hinweg um durchschnittlich elf Prozent angehoben, wodurch die Charite-Ärzte den Tarifstandard der anderen Universtätskliniken im Bundesgebiet erreichen. Zum 01.09.10 erhöhen sich die Gehälter um noch einmal 3,9 Prozent.

Die Eingruppierung von Oberärzten ist im TV-Ärzte Charite erstmalig begrifflich geregelt worden und abhängig von fachlichen und organisatorischen Kriterien, wie fachliche Aufsicht über Assistenz- und Fachärzte, Bereichsverantwortung, herausgehobene klinische Kompetenz, wissenschaftliche Qualifikationen, Organisationsverantwortung, Ausbildungsfunktion und Hintergrunddienst. Die Charite hat versäumt, sachgerechte und einheitliche Vorgaben zur Umsetzung zu erstellen. Ob und inwieweit die Kriterien für die jeweilige Eingruppierung zum Oberarzt tatsächlich erfüllt waren, war weder ausreichend dokumentiert noch sonst ersichtlich, weil

· Nachweise, die im Einzelfall eine Oberarzttätigkeit durch eine ausdrückliche Anordnung oder mittelbar aus einer Dienstanweisung, eine Verwaltungsverfügung, einen aussagefähigen Geschäfts- bzw. Organisationsplan oder eine detaillierte Stellenausschreibung belegen, überwiegend nicht vorhanden waren,

· die geforderten Kriterien ohne ausreichende Erläuterung als erfüllt bestätigt wurden; schon der Hinweis auf eine Tätigkeit in einer bestimmten Station wurde als ausreichende Begründung angesehen,

· der für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe und -stufe ausschlaggebende Termin für den Beginn der Oberarzttätigkeit bei der Überleitung in den neuen Tarifvertrag zumeist ohne ersichtlichen Grund rückwirkend zum Jahresende 2006 angegeben wurde und

· die bereits bei der Überleitung aufgrund der Aktenlage festgesetzte Entgeltgruppe und Stufenzuordnung oftmals ohne Begründung durch eine höhere Entgeltgruppe oder -stufe ersetzt wurde.

Die Anzahl von Oberärzten (Entgeltgruppe Ä 3) hat sich gegenüber der Ausstattung mit nach den Regelungen des BAT/BAT-O entsprechend eingruppierten Ärzten um mehr als das Achtfache erhöht.

Insgesamt waren zum Zeitpunkt der Prüfung 374 Beschäftigte als Oberärzte eingruppiert.

Der Rechnungshof hat beanstandet, dass die Charite den TV-Ärzte Charite überwiegend fehlerhaft, ohne sachgerechte und einheitliche Vorgaben zu erstellen sowie zudem stets zugunsten der Beschäftigten umgesetzt hat. Allein durch die stark erhöhte Anzahl von Oberärzten nach der Überleitung sind jährliche Mehrausgaben von 3,9 Mio. entstanden. Der Rechnungshof hat die Charite aufgefordert, die Eingruppierung der Oberärzte grundlegend zu überprüfen.

Die Charite hat entgegnet, dass es sowohl bundesweit als auch innerhalb der Charite Auslegungsdifferenzen zur Eingruppierung der Oberärzte gegeben habe. Seit dem Dezember 2009 seien mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts ergangen, zu denen bisher keine Entscheidungsgründe vorliegen. Die Charite hat zugesagt, nach Veröffentlichung der Urteile die Ausführungen über die einschlägigen Tätigkeitsmerkmale zu beachten. Zu den fehlenden einheitlichen Vorgaben für die Eingruppierung von Oberärzten hat sie sich nicht geäußert.

Diese Ausführungen entkräften die Beanstandungen des Rechnungshofs nicht. Auch Auslegungsdifferenzen entbinden die Charite nicht von der Pflicht, das Vorliegen von tarifrechtlichen Voraussetzungen im Einzelfall ausreichend zu überprüfen und nachvollziehbar zu dokumentieren. Zudem ist es bei Auslegungsdifferenzen umso dringlicher, einheitliche Vorgaben zur Umsetzung von Vorschriften zu erstellen. zu T 271 und 272: Zutreffend ist, dass das Tarifmerkmal „Oberarzt" erstmals bundesweit mit Abschluss der Tarifverträge in den Jahren 2006/2007 eingeführt wurde. Diese Bezeichnung war vorher eine funktionelle Unterscheidung in der medizinischen Hierarchieebene. Die Ärzteschaft war danach in allen Kliniken bundesweit in die neue Vergütungssystematik zu überführen. Die im Klinikalltag häufig zuvor benutzte Bezeichnung „Oberarzt" wurde durch den Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an der Charite (TVÜ-Ärzte) im Sinne einer Besitzstandregelung beibehalten, wodurch die Berechtigung zur weiteren Führung dieser Bezeichnung bestand, die jedoch ohne Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen keinen Anspruch auf eine entsprechende Eingruppierung zubilligte. Insoweit hat die Charite den Vorwurf der unangemessenen achtfachen Erhöhung der Oberarztstellen zurück gewiesen.

Bundesweit und auch bei der Charite waren vielfältige gerichtliche Verfahren zu diesem neuen Vergütungsmerkmal die Folge. Letztinstanzlich hat das Bundesarbeitsgericht in sieben Entscheidungen am 09.12.09 die neuen Tarifbestimmungen zu den einschlägigen Tätigkeitsmerkmalen ausgelegt und damit Rechtssicherheit geschaffen.

In der Charite wurde zwischenzeitlich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die bestehenden Regelkriterien der Oberarzteinstufung anhand der vorliegenden Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts und des neuen erst im März 2010 redaktionell abgeschlossenen Tarifvertrages auf Änderungsnotwendigkeiten überprüft. Die Charite hat zugesagt, bei der Überprüfung der Eingruppierungen der Oberärzte die Hinweise des Rechnungshofes zu berücksichtigen.

Die tarifvertraglichen Vereinbarungen des TV-Ärzte Charite sehen die Gewährung von Zulagen zur Deckung des Personalbedarfs oder zur Bindung von qualifizierten Fachkräften in unterschiedlicher Höhe vor. Insbesondere die Centren 7 (Anästhesiologie, OP-Management und Intensivmedizin), 8

(Chirurgische Medizin), 9 (Unfall- und Wiederherstellungschirurgie), 13 (Innere Medizin und Kardiologie, Gastroenterologie, Nephrologie) und 17 (Frauen-, Kinder- und Jugendmedizin mit Perinatalzentrum und Humangenetik) haben diese Regelung zu weitgehend angewendet und zur Begründung lediglich nicht näher bezeichnete „besondere Leistungen oder Funktionen" angegeben sowie auf die Einhaltung des jeweiligen Klinikbudgets verwiesen.

Der Rechnungshof hat diese Praxis, die zu jährlichen Mehrausgaben von 860 000 geführt hat, beanstandet. Er hat die Charite aufgefordert, alle Fälle zu überprüfen und die Gewährung von Zulagen entweder sachgerecht zu begründen oder einzustellen.

Mehreren Oberärzten der Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 1 wird als Zulage ein um eine Stufe höheres Entgelt (342 monatlich) vorweg gewährt. Bei diesen Beschäftigten bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel an der vorgenommenen Eingruppierung, da nach Aktenlage eine entsprechende Tätigkeit nicht erkennbar ist (vgl. T 271). Zusätzlich wird diesen Beschäftigten zumeist eine Zulage (158 monatlich) für die Wahrnehmung von Funktionen - z. B. Rotationsbeauftragte, Qualitätsbeauftragte, Fortbildungsbeauftragte und Gerätebeauftragte - gewährt. Für diese Tätigkeiten sind die Dienstkräfte nach den Vorschriften des Tarifvertrages zwar in erforderlichem Umfang freizustellen, ein finanzieller Ausgleich ist jedoch nicht vorgesehen.

Zudem erhalten einige Oberärzte, denen bereits die Zulage von 342 monatlich gewährt wird, für die „Wahrnehmung einer relevanten Funktion" Zulagen von 500 monatlich. Diese Praxis ist schon deshalb nicht vertretbar, weil selbst nach einer internen Entscheidung der Charite die Zulage von 500 die nur in der Endstufe möglich ist, nicht gewährt werden kann, wenn die Dienstkraft sich lediglich aufgrund einer anderen Zulage in der Endstufe befindet.

Der Rechnungshof hat die Anwendung und Auslegung der tarifvertraglich vorgesehenen Zahlung von Zulagen durch die Charite beanstandet. Offensichtlich sollte möglichst vielen Oberärzten eine Zulage gewährt und die bereits mit der Vergütung abgegoltene Oberarzttätigkeit zusätzlich honoriert werden.

Damit erhöht sich für die vorher in der Regel als Facharzt tätigen Dienstkräfte die Vergütung nach der Überleitung in den TV-Ärzte Charite um monatlich durchschnittlich 1 500 bis 2 000. Der Rechnungshof hat die Charite aufgefordert, die gewährten Zulagen zu überprüfen und zumindest die Zahlung der Zulagen für die Wahrnehmung von Funktionen einzustellen.

Die Charite hat mitgeteilt, dass bereits aufgrund der Prüfung die Zahlung von Zulagen teilweise eingestellt worden sei. Nach Einschätzung des Rechnungshofs wären damit Einsparungen von 100 000 jährlich verbunden. Zu der fehlenden einheitlichen Regelung für die Gewährung von Zulagen hat sie sich ebenfalls nicht geäußert.

Einigen Oberärzten der Entgeltgruppe Ä 4, denen die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) übertragen worden ist, wird eine monatliche Zulage zwischen 500 und 2 500 gezahlt. Diese Zulage wurde ihnen bereits in ihrer Tätigkeit als Oberärzte der Entgeltgruppe Ä 3 für „besondere Leistungen und Funktionen" gewährt. Diese Verfahrensweise ist nicht vertretbar. Nach den tariflichen Bestimmungen können zwar Ärzte mit einem Entgelt der Endstufe bis zu 20 v. H. der Stufe 2 als Zulage zusätzlich erhalten. Die Entgeltgruppe Ä 4 umfasst jedoch nur eine Stufe, sodass eine Endstufe schon begrifflich ausscheidet. Deshalb ist eine dem Rechnungshof vorgelegte interne Festlegung der Charite tarifwidrig, nach der „zur Vermeidung verschiedenster Probleme sowie zur deutlichen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit das tarifliche Instrument der flexiblen Vergütungsgestaltung sich auch auf die Entgeltgruppe Ä 4 erstreckt mit der Maßgabe, dass die Höhe der Zulage gemäß § 16 TV-Ärzte Charite auf Basis der Stufe 1 ermittelt wird".

Der Rechnungshof hat die Zahlung dieser Zulage beanstandet, für die im Jahr 2008 insgesamt 110 000 aufgewendet worden sind.

Die Charite hat ausgeführt, dass sie zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen die Zahlung der Zulage für Ärzte der Entgeltgruppe Ä 4 weiterhin für nötig erachte. Diese Argumentation lässt außer Acht, dass diese Verfahrensweise tarifwidrig ist. zu T 273 bis 277: Die Charite hat die Anspruchsvoraussetzungen auf Zahlung der Zulagen umfänglich geprüft.

Grundlegende Mängel liegen auch in den mit über 100 verschiedenen Varianten unübersichtlich gestalteten Arbeitszeitmodellen für Ärzte, die neben den Zeiten für die reguläre Arbeitszeit (gegliedert in Früh-, Zwischen-, Spät- und Nachtdienst) die Zeiten der Bereitschaftsdienste, der Rufbereitschaftsdienste und der Visitendienste erfassen. Diese Regelungen erschweren die reibungslose Anpassung der Dienste untereinander und führen zu Fehlern bei der Erfassung und Abrechnung von Arbeitszeiten und Bereitschaftsdiensten, Rufbereitschaftsdiensten, Visitendiensten sowie Überstunden und damit zu erheblichen finanziellen Mehraufwendungen.

Wie schon bei früheren Prüfungen hat der Rechnungshof zahlungsrelevante Fehler bei der Erfassung und Abrechnung der einzelnen Dienste durch falsche und unzulängliche Eintragungen sowie fehlende Plausibilitätskontrollen innerhalb des Systems der Personaleinsatzplanung festgestellt. Mit der Einführung eines elektronischen Systems zur Zeiterfassung wurde die Kontrolle der geleisteten, erfassten und abgerechneten Dienste den jeweiligen Dienstplanverantwortlichen übertragen. Eine Kontrolle findet aber entweder überhaupt nicht oder nur ungenügend statt. Offensichtlich gehen die Dienstplanverantwortlichen davon aus, dass durch die elektronische Zeiterfassung alle Daten koordiniert und auf Plausibilität geprüft sind.

Mängel, die zu Überzahlungen führten, ergaben sich auch bei der Erfassung und Abgeltung der Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienste.