Wohlfahrt

Orte mit erhöhtem Gefährdungspotential sind die Szenetreffpunkte. Vor allem in der offenen Drogenszene liegt ein hohes Infektionsrisiko vor, da in diesem Setting das gemeinsame Benutzen von Spritzutensilien üblich ist.

e) Menschen in Haft

Zwar sind Menschen in Haftanstalten prinzipiell den vorgenannten Personengruppen mit erhöhter Gefährdung zuzuordnen; das Setting Haftanstalt setzt sie aber einem doppelten Infektionsrisiko aus, weswegen sie hier als gesonderte Zielgruppe aufgeführt werden. Einerseits sind sterile Spritzutensilien für Drogengebraucher(innen), zum anderen auch Kondome in diesem Setting oftmals nicht erhältlich.

Häufig ist auch das Wissen um Übertragungsrisiken nicht in ausreichendem Maße vorhanden: Da sich das Thema Sexualität im Justizvollzug seit jeher in einem problematischen Spannungsfeld bewegt, finden gelebte Sexualkontakte oftmals verdeckt statt. In Ermangelung heterosexueller Kontakte im Strafvollzug sind nur gleichgeschlechtliche Sexualkontakte möglich. Viele Insass(inn)en üben während der Haft homosexuelle Praktiken als „Notlösung" aus, was sich über längere Zeit zur Normalität unter den Gefangenen entwickelt ­ jedoch ohne offizielle Anerkenntnis und Verantwortungsübernahme. Die in Haft erlebten homosexuellen Kontakte entsprechen dabei nicht dem eigenen heterosexuell definierten Verständnis der Inhaftierten, wodurch das konkrete hohe Infektionsrisiko für männliche Gefangene häufig unterschätzt bzw. negiert wird. Insbesondere bei jugendlichen Insassen spielen auch die Lust am Abenteuer sowie Unverletzlichkeitsphantasien eine Rolle bei ungeschütztem Sex.

Darüber hinaus kommen zum mangelnden Selbstbewusstsein von einzelnen Gefangenen Selbstablehnung bis zu Selbsthass sowie starke Scham- und Schuldgefühle hinzu, was dann zu fehlender Kommunikation und Aushandlungsfähigkeit bezüglich Safer Sex führen kann. Eigene Wünsche werden schließlich untergeordnet und die Wünsche der Sexualpartner z. B. nach ungeschütztem Sex verstärkt erfüllt.

2) Menschen mit chronischen Infektionen

Zu dieser Zielgruppe gehören Menschen mit HIV/Aids sowie auch Menschen mit einer chronischen Hepatitisinfektion.

Eine wesentliche Rolle für den Verlauf einer chronischen Infektion spielen insbesondere psychosoziale Faktoren.

Menschen mit chronischen Infektionen müssen neben den körperlichen Beschwerden, welche die Krankheit verursacht, mit weiteren Belastungssituationen umgehen, die nicht unmittelbar durch die Infektion hervorgerufen werden. So stellen ein geringer ökonomischer und sozialer Status sowie ein unsicherer Aufenthaltstatus bei Migrant(inn)en Stressfaktoren dar, die sich zusätzlich belastend auf die Psyche auswirken und somit den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen können.

Häufig kommt es dabei zu einer Wechselwirkung zwischen den Faktoren, so dass sich auch die Folgen der Erkrankung negativ auf den ökonomischen und sozialen Status auswirken. Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund der geringeren Belastbarkeit bis hin zur Berentung sind häufig Folgen der Erkrankung.

Neben den hier aufgeführten Zielgruppen sollen im Rahmen der Verhältnisprävention auch Angehörige und Partner(innen) der Betroffenen sowie Multiplikator(inn)en erreicht werden.

Akteure und Versorgungsstrukturen

Freie Träger

Mit Beginn der 90er Jahre wurden freie Träger im Bereich HIV/Aids/STI im Rahmen von Projektförderungen vom Land Berlin unterstützt; seit 1994 erfolgt die Projektförderung über öffentlich-rechtliche Verträge mit einem Treuhänder.

Über den Integrierten Gesundheitsvertrag (IGV), der seit Anfang 2006 bis zum Jahresende 2010 mit dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPW) als Vertragspartner des Landes Berlin läuft, werden derzeit 12 Projekte mit unterschiedlicher Zielgruppenorientierung gefördert (der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass es in Berlin auch noch weitere freie Träger im Bereich HIV/Aids/ STI gibt, die aber keine Förderung über den IGV erhalten).

Die Förderung bezieht sich dabei auf folgende Leistungsbereiche im Handlungsfeld „HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden":

Versorgung (Beratung, Betreuung, Begleitung) von Menschen mit HIV/Aids sowie deren Angehöriger und Partner(innen)

Prävention (sowohl primär als auch sekundär)

Planung und Entwicklung (inhaltlich-konzeptionelle und/oder strukturelle Weiterentwicklung von Leistungsbereichen und Angeboten)

Öffentlichkeitsarbeit

Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung im Rahmen eines transparenten Dokumentationssystems

Leitung und Verwaltung der einzelnen Projekte

Anwaltschaft (Vertretung von Klienteninteressen gegenüber Dritten)

Die Selbsthilfegruppen haben im Aids-Bereich eine besondere Bedeutung und Funktion. Sie haben für ihren Anteil an Prävention und Versorgung Anspruch auf staatliche Unterstützung.

Folgende 12 Projekte mit in Klammern aufgeführten Arbeitsschwerpunkten werden über den IGV gefördert:

Berliner Aids-Hilfe e.V. (psychosoziale Betreuung, Begleitung, Beratung, Selbsthilfe und Prävention)

FELIX Pflegeteam gGmbH (ambulanter Aids-Pflegedienst)

Fixpunkt e.V. ­ Mobilix (Aids-Prävention, Gesundheitsförderung und medizinische Basisversorgung für Drogenabhängige)

Hilfe-für-Jungs e.V. (präventive Straßensozialarbeit und Selbsthilfe für junge Stricher)

Hydra e.V. (Treffpunkt und Beratung für Prostituierte ­ präventive Aidsberatung, Information, Aufklärung und Selbsthilfe)

Mann-O-Meter e.V. (Information, Aufklärung, Beratung und Selbsthilfe für MSM)

Notdienst für Suchtmittelgefährdete und ­abhängige Berlin e.V. ­ Frauentreff OLGA (niedrigschwellige medizinische Versorgung von intravenös drogenabhängigen Frauen)

Schwulenberatung Berlin / Kursiv e.V. (Beratung und Selbsthilfe, Maßnahmen zur Wiedereingliederung in Arbeit)

Schwulenberatung Berlin / manCheck (präventive Vor-Ort-Arbeit bei MSM)

Schwulenberatung Berlin / Pluspunkt (Beratung, Begleitung, Information und Selbsthilfe für HIV-Positive, insb. Beratung zu „HIV/Aids und Arbeit/Beschäftigung)

VIA Regionalverband Berlin-Brandenburg e.V. (gesundheitliche Aufklärung und Beratung von Migranten und Migrantinnen sowie Netzwerkstelle zur interkulturellen Öffnung)

ZIK gGmbH ­ Sozialmakler (Wohnraumvermittlung für Menschen mit HIV/Aids und/oder chronischer Hepatitis C)

Die Angebote der Projekte sind überbezirklich ausgerichtet, was dem Bedürfnis der Klientel nach Anonymität entspricht. Der größte Teil der Angebote richtet sich an die Zielgruppe der MSM.

Bis auf ein Projekt sind alle Projekte im Landesverband der Berliner AidsSelbsthilfegruppen (LABAS) e.V. organisiert, der als gemeinsamer Interessenverbund fungiert. Besonders zu erwähnen ist der hohe Anteil an ehren-amtlicher Arbeit, der in die Projekte einfließt und ohne den manche Projekte nicht funktionsfähig wären.568.578 (inkl. 81.807 Regiekostenpauschale) 2003: 2.464.658 (reduzierte Zuwendung wg. Kürzung bei Pflegeprojekt um 25 %; Regiekostenpauschale: 81.807) 2004: 2.361.000 (weitere Kürzung bei Pflegeprojekt; Regiekostenpauschale: aufgerundet auf 82.000) 2005: 2.257.000 (nochmalige Kürzung bei Pflegeprojekt; Regiekostenpauschale: 82.000) Integrierter Gesundheitsvertrag: (für das Handlungsfeld „HIV/Aids, STI und Hepatitiden") 2006: 2.172.938,86

2007: 2.170.599,00

2008: 2.120.533,10

2009: 2.102.145,58