HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden

3. Methodisches Vorgehen

Das hier vorliegende Rahmenkonzept wurde gemeinsam und im Konsens mit den Vertreterinnen und Vertretern der freien Träger bzw. Projekte im IGV geförderten Handlungsfeld HIV/Aids, STI und Hepatitiden erarbeitet. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe initiiert, die die Details der Themen Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der delphi GmbH ausarbeiteten. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe wurden dem Plenum zur abschließenden Diskussion vorgestellt und abgestimmt.

Um die Arbeitsfelder und Aufgaben im Handlungsfeld „HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden" in Berlin beschreiben zu können, wurden zunächst die Ziele und Zielgruppen der Arbeit im Handlungsfeld1 in Berlin dargestellt. Zu diesem Zweck wurden die Konzepte und Sachberichte der zwölf in diesem Handlungsfeld agierenden Projekte hinsichtlich der Zielsetzungen und Zielgruppen der jeweiligen Einrichtung ausgewertet. Die Unterlagen folgender Projekte wurden dabei berücksichtigt:

Ergänzend dazu wurden die Konzepte zur Aids-Bekämpfung der Bundesregierung (BMG, 2005) sowie verschiedener Landesregierungen (z. B. Standards der Aidshilfe-Arbeit in Niedersachsen, 2004, Sächsisches Aktionsprogramm zur HIV/Aids-Bekämpfung, 2008) in die Analyse einbezogen. Abschließend wurden alle Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/Aids, STIs und Hepatitiden in Berlin erfasst.

Mit „Handlungsfeld" ist im Folgenden stets der IGV-geförderte Aufgabenbereich gemeint. Dieses Handlungsfeld umfasst nicht alle HIV/Aids-relevanten Maßnahmen im Land Berlin. delphi GmbH Beschreibung der Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen im Handlungsfeld „HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden" in Berlin 7

4. Klassifikation präventiver Maßnahmen

Zur systematischen Klassifikation von Zielen und Maßnahmen gibt es verschiedene Ansätze. Das bekannteste und lange Zeit gebräuchliche System zur Klassifizierung präventiver Maßnahmen wurde 1964 von Caplan beschrieben. Er unterscheidet zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention. Der Begriff der Prävention orientiert sich bei Caplan am Fortschritt einer Erkrankung. Maßnahmen der primären Prävention sind solche, die verhindern sollen, dass das Individuum überhaupt erkrankt.

Sekundärprävention setzt bei Menschen an, die zwar bereits erste Symptome einer Krankheit aufweisen, aber noch nicht unter den Folgen der Erkrankung leiden. Sie dient der Verhinderung der weiteren Manifestation der Erkrankung. Leiden die Betroffenen bereits unter den Folgen einer Erkrankung, ist es das Ziel der tertiären Prävention, einer weiteren Verschlechterung der Situation entgegen zu wirken. Der Vorteil dieser Klassifizierung ist die gute Etablierung in der öffentlichen Fachdiskussion. Dadurch wird eine Vergleichbarkeit der Arbeit von verschiedenen Projekten grundsätzlich ermöglicht. Ein Nachteil dieses Ansatzes ist in seiner ausschließlichen Orientierung am Krankheitsverlauf und am Interventionszeitpunkt zu sehen. Zudem werden Maßnahmen der primären Prävention nicht danach unterschieden für welche Zielgruppe sie bestimmt sind. So können sich nicht nur Ziele, sondern auch Orte der Prävention, eingesetzte Ressourcen, Ansprache der Zielgruppe und vor allem Inhalte in Abhängigkeit von der Zielgruppe stark unterscheiden. Dadurch kann die Vergleichbarkeit von Maßnahmen stark eingeschränkt werden. Diese tradierte Klassifikation von Prävention wurde in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt und präzisiert.

Ein Ansatz, der diesen Umständen Rechnung trägt, ist das Klassifikationssystem von Gordon (1983).

Dieses System orientiert sich an der jeweiligen Zielgruppe. Nach Gordon lassen sich drei Formen unterscheiden: universelle Prävention selektive Prävention indizierte Prävention

Im Rahmen der universellen Prävention sind Maßnahmen zu verstehen, die sich an die Allgemeinbevölkerung richten. Dies können Fernsehspots oder Plakataktionen sein, die sich ungeachtet des individuellen Risikopotentials an alle richten. Im Unterschied dazu fokussiert die selektive Prävention auf Gruppen, die ein erhöhtes (statistisches) Risiko tragen. Ein Beispiel dafür wäre die Vermittlung von Wissen über die Gefahren des mehrfachen Spritzengebrauchs an intravenös Drogengebrauchende.

Verengt sich der Fokus weiter auf Menschen, die bereits ein problematisches Verhalten (z. B. Alkoholmissbrauch) oder eine Erkrankung aufweisen, wird von indizierter Prävention gesprochen. Im Handlungsfeld HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden können dies z. B. Maßnahmen sein, die zur Schadensminimierung beitragen.

Unabhängig vom gewählten Klassifizierungssystem kann zusätzlich unterschieden werden, ob die Maßnahmen auf eine Veränderung des Verhaltens abzielen (Verhaltensprävention) oder auf eine Veränderung der Lebenswelt der Betroffenen (Verhältnisprävention).

Darüber hinaus wird im Handlungsfeld HIV/Aids seit etwa 2000 auch der Begriff der „strukturellen Prävention" (Ketterer, 1998) gebraucht. Theoretisch bezieht sich der Begriff auf die von der Weltgedelphi GmbH Beschreibung der Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen im Handlungsfeld „HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden" in Berlin Gsundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung. Darin heißt es „...dass Gesundheit für ein positives Konzept steht, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit betont wie die körperlichen Fähigkeiten. Die Verantwortung für Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur bei dem Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen und zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden hin." (vgl. WHO, 2006).

Von dieser Forderung ausgehend, versucht strukturelle Prävention eine scharfe Abgrenzung der oben beschriebenen Präventionsarten (Primär- vs. Sekundär- vs. Tertiärprävention bzw. Verhaltens- vs.

Verhältnisprävention) zu vermeiden und betont vielmehr, dass das Gelingen der Präventionsarbeit auch von der erfolgreichen Verknüpfung der einzelnen Bereiche abhängt. Eine Änderung des individuellen Verhaltens ist demnach nur im Kontext der Verhältnisse möglich, d.h. Verhaltens- bzw. Verhältnisprävention bedingen sich gegenseitig. Die individuellen Verhaltensmöglichkeiten werden in einem engen Zusammenhang mit den konkreten Lebensumständen und Bedürfnissen des einzelnen Menschen gesehen. Das bedeutet, dass Maßnahmen nicht nur auf den Einzelnen ausgerichtet sind sondern auch die verschiedenen Bereiche des sozialen Lebens einbeziehen, z. B. Arbeit, Wohnen, Freizeit. Strukturelle Prävention im Handlungsfeld HIV/Aids zielt auf die Stärkung der Betroffenen in ihrer Identität und ihren Handlungskompetenzen und sie zielt auf Veränderung größerer gesellschaftlicher Zusammenhänge im Sinne des Abbaus von Benachteiligung, Diskriminierung und Ausgrenzung. delphi GmbH Beschreibung der Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen im Handlungsfeld „HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden" in Berlin 9.