Grundstück

Die grundbuchführende Stelle, hier das Grundbuchamt Mitte, hat dabei die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht zu prüfen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 VZOG). Ein Vollzug des Vermögenszuordnungsbescheides ist für das Grundbuchamt u. a. aber dann nicht mehr möglich, wenn der zuzuordnende Vermögensgegenstand vorbehaltlos an einen gutgläubigen Dritten veräußert und eine auf Rechtsgeschäft beruhende, notariell beantragte Eigentumsveränderung im Grundbuch eingetragen ist. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Eigentumsveränderung noch nicht im Grundbuch eingetragen worden. „Vorangehende Auflassungsvormerkungen hindern die Eintragung aufgrund Ersuchens dagegen nicht, da ein Vermögensgegenstand mit der Belastung übergehen kann und bei Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 die Auflassungsvormerkung nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes gegenstandslos wird."

Dem Zuordnungsbescheid vom 11. September 2001 i. d. F. des Berichtigungsbescheides vom 18. September 2001 nach ist die Deutsche Bahn AG seit dem 3. Oktober 1990 Eigentümerin einer noch zu vermessenden Grundstücksteilfläche (S-Bahn-Eingang) des Flurstücks 241 und zugleich der unterirdisch verlaufenden Tunnelanlage (ausschließlich des Fußgängertunnels). Demzufolge konnte die Deutschen Bahn AG die Eigentumsabschreibung der Teilfläche für sich beanspruchen. Darüber hinaus stand der Deutschen Bahn AG das Recht auf Eintragung einer Dienstbarkeit zu, da die dingliche Absicherung der aus dem Eigentumsübergang erwachsenden Rechte und Pflichten mittels Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu erfolgen habe.

Die Rechtsansprüche der Deutschen Bahn AG standen dabei zu dem Rechtsanspruch des Erwerbers des Grundstücks „Spreedreieck" auf lastenfreie Eigentumsübertragung des Flurstücks 241 mit einer Fläche von 2.109 m² aus dem Vertrag vom 19. Dezember 2000 im Widerspruch. Die Ansprüche der Deutschen Bahn AG und der Anspruch des Investors richteten sich dabei jeweils gegen das Land Berlin.

Die Rechtspositionen der Beteiligten führten dabei in der Folgezeit zu einem Rechtsstreit zwischen den Beteiligten, zu dessen Schlichtung auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beteiligt wurde. Bevor im Einzelnen der Ablauf des Einigungsversuches geschildert wird, wird vorab die Rechtsposition des Investors aus dem Vertrag vom 19. Dezember 2000 dargestellt.

Rechtsposition des Investors Müller-Spreer

Bereits vor Erlass des geänderten Zuordnungsbescheides hatte die vom Investor beauftragte Rechtsanwaltskanzlei der Senatsverwaltung für Finanzen mitgeteilt, dass dem Grundbuchamt ein Schreiben der OFD Berlin vorliege, wonach der Vermögenszuordnungsbescheid vom 9. Mai 1995 nicht die unter dem Grundstück befindliche Tunnelanlage umfasse. Der Rechtsanwalt machte darauf aufmerksam, dass diese Ansicht dem Inhalt des Kaufvertrages vom 19. Dezember 2000 widerspreche. Der Vertrag sehe vor, dass mit der Übertragung des Eigentums am Grundstück „Spreedreieck" selbstverständlich auch die Tunnelanlage in das Eigentum des Erwerbers übergehen sollte, da die unterirdische Tunnelanlage einen wesentlichen Bestandteil des Vertragsobjekts darstelle. Darüber hinaus habe sich das Land Berlin in § 2 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, § 3 Abs. 8 und § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 in dem Vertrag vom 19. Dezember 2000 zur lastenfreien Übertragung verpflichtet. Für den Fall, dass die Deutsche Bahn AG einen Antrag auf Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit hinsichtlich der unterirdischen Tunnelanlage stelle, verstieße die Eintragung dieser dinglichen Sicherung gegen die vom Land Berlin übernommene vertragliche Hauptleistungspflicht auf lastenfreie Übertragung.

Siehe Kimme, Offene Vermögensfragen II, § 3, Rn. 23-26.

Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei W, C & P vom 5. September 2001, F 2, Bl. 824 f.

Die Rechtsanwaltskanzlei bezog sich dabei auf folgende vertragliche Regelungen: „§ 2.2 Grundbuchliche und außergrundbuchliche Belastungen des Objekts werden vom Erwerber nicht übernommen; ausgenommen hiervon sind Rechte, die der Erwerber selbst bestellt und zur Eintragung beantragt hat.

§ 2.4 Etwa sonstige in Abt. II oder III noch eingetragene oder zur Eintragung gelangende Lasten hat der Übertragende auf seine Kosten zu löschen. Die Parteien stimmen bereits jetzt der Löschung aller Belastungen zu, die der Erwerber nicht ausdrücklich übernimmt; sie beantragen die Löschung solcher Belastungen nach Maßgabe der entsprechenden Bewilligung der Gläubiger.

§ 3.8 Das Objekt wird frei von Nutzungsrechten sowie frei von jeder tatsächlichen Benutzung verkauft. Der Übertragende gewährleistet, dass das Objekt spätestens zum 31.01.2001 von derzeitigen Nutzern oder von sonstigen Dritten geräumt ist.

§ 4.1 Das Objekt wird, mit Ausnahme der genannten Grundschuld frei von Belastungen in Abteilungen II und III des Grundbuchs übertragen. Das Objekt ist unbelastet."

Nachdem die Rechtsvertreter des Investors die Senatsverwaltung für Finanzen auf die problematische Vertragsabwicklung aufmerksam gemacht hatte, fand am 13. September 2001 ein erstes Sondierungsgespräch mit dem Investor Müller-Spreer unter Beteiligung des für das Zuordnungsverfahren zuständige LARoV statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Anhörung bei der OFD Berlin bereits stattgefunden. Herr Schulte-Goebel, Mitarbeiter des LARoV, klärte die Beteiligten daher darüber auf, dass gegenwärtig ein Änderungsbescheid in Bearbeitung sei, der eine Zuordnung des S-Bahn-Einganges und der Nord-Süd-Bahn an die Deutsche Bahn AG vorsehe.

Darüber hinaus werde mit der Deutschen Bahn AG über den Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit verhandelt. Die Zuordnung des Fußgängertunnels sei dagegen einer gesonderten Zuordnung vorbehalten.

Im Rahmen dieses Gespräches habe der Investor Müller-Spreer erklärt, er strebe keine juristische Auseinandersetzung, sondern eine pragmatische wirtschaftliche Lösung an. Er erläuterte, er habe in seine Kalkulation eine kommerzielle Verwertung des Fußgängertunnels vorgesehen und beanspruche daher das uneingeschränkte Eigentum an dem Fußgängertunnel. Er wies dabei auf die im Grundbuch eingetragene Eigentumsverschaffungsvormerkung hin. Im Übrigen werde er mit der Deutschen Bahn AG Verhandlungen über eine pragmatische Lösung der Eigentumsverhältnisse der unterirdischen Anlagen aufnehmen.

Als Kompensationsvorschlag unterbreitete der Investor Müller-Spreer hier schon die Möglichkeit der Übertragung des Flurstücks 242. Er erinnerte weiter an die Zusage des Liegenschaftsfonds, die Betreiber des „Tränenpalastes" in einem Vertrag zu verpflichten, keine nachbarrechtlichen Einsprüche gegen eine beabsichtigte Hochhausbebauung geltend zu machen.

In der Folgezeit wiederholten und ergänzten die Vertreter des Investors Müller-Spreer ihre Rechtsauffassung hinsichtlich der noch ausstehenden Vertragserfüllung.

Sie wiesen nochmal darauf hin, dass das Land Berlin sich mit dem Vertrag vom 19. Dezember 2000 verpflichtete, das vollständige Eigentum am Grundstück „Spreedreieck"

Vertrag vom 19. Dezember 2000, F 2, Bl. 785.

Der Zuordnungsbescheid vom 11. September 2001 ist erst am 13. September 2001 dem LARoV zugegangen.

Gesprächsvermerk vom 14. September 2001, F 2, Bl. 831.

Schreiben vom 24. September 2001, F 2, Bl. 834 ff. lastenfrei zu verschaffen. Aufgrund der Tatsache, dass die Deutsche Bahn AG nunmehr erhebliche Teilflächen des Grundstücks beanspruche, werde der Käufer hinsichtlich einer Teilfläche voraussichtlich nicht Eigentümer und bezüglich anderer Teilflächen wahrscheinlich nicht lastenfreier Eigentümer.

Sollte dies zutreffen, könne er das zu einem Preis von mehr als DM 34 Mio. erworbene Grundstück möglicherweise überhaupt nicht oder ­ was dem gleichstehe ­ nicht in wirtschaftlich sinnvoller Weise bebauen. Jedenfalls könne er nunmehr nicht das gesamte Grundstück, sondern allenfalls eine um ein Drittel kleinere Fläche bebauen.

Hieraus ergeben sich erhebliche Schadensersatzansprüche gegen das Land Berlin, die im zweistelligen Millionenbereich anzusiedeln seien. Der Investor sei aber in erster Linie an einer Realisierung des Bauprojektes interessiert. Dieses sei bei einer Minderung der übertragenen Grundstücksfläche bzw. nicht lastenfreiem Erwerb des Grundstücks nur dann möglich, wenn das Büro- und Geschäftshochhaus über die Grundstücksgrenze hinweg errichtet werden könne. Hierzu sei der Erwerb der Flurstücke 236, 239, 240, 242 und 243 erforderlich.

Im Übrigen sei der Investor zudem an einem Erwerb des „Tränenpalastes" und seiner Fortführung als kulturelle Begegnungsstätte interessiert.

Darüber hinaus verweigerte der Rechtsbeistand des Investors Müller-Spreer schon zu Beginn die Zustimmung zur Eintragung einer Dienstbarkeit, da die Eintragung von Dienstbarkeiten dazu führen würde, dass das Grundstück nicht in wirtschaftlich sinnvoller Weise bebaut werden könne.

Auffassung der Senatsverwaltung für Finanzen

Im Nachgang des ersten Sondierungsgespräches hatte der LARoV-Mitarbeiter SchulteGoebel der Senatsverwaltung für Finanzen mit Schreiben vom 17. September 2001 den zur Diskussion gestellten Wortlaut einer Dienstbarkeit zugunsten der Deutschen Bahn AG sowie die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes überreicht.

Dabei wies er darauf hin, dass angesichts des vom Land Berlin abgeschlossenen Kaufvertrages die Bewilligung unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Senatsverwaltung für Finanzen stehe. Sofern über die Dienstbarkeit keine Einigung erzielt werde, werde der Bescheid mit aller Wahrscheinlichkeit nicht zu vollziehen sein. Folglich werde die Frage der Dienstbarkeit einer zivilgerichtlichen Klärung („durch die Bahn angestrengtes Enteignungsverfahren?") vorbehalten bleiben. Die Senatsverwaltung für Finanzen müsse entscheiden, ob diese Vorgehensweise angesichts des bestehenden Kaufvertrages und der eingetragenen Vormerkung zugunsten des Käufers wünschenswert sei.

Die Senatsverwaltung für Finanzen hatte dem LARoV schon frühzeitig gegenüber die Erklärung abgegeben, dass die erbetene Zustimmung zur Eintragung der vorgeschlagenen Dienstbarkeit zunächst nicht abgeben werden könne, obwohl dies in der Sache gerechtfertigt sei. Zur Begründung führte der Bearbeiter an, dass das Land Berlin sich vertraglich gebunden habe, das Grundstück „Spreedreieck" lastenfrei zu übertragen. Für die Eintragung der Dienstbarkeit, sei die Zustimmung des Erwerbers notwendig. Diese liege bisher noch nicht vor.

Nachdem die Rechtsanwaltskanzlei die Zustimmung zur Eintragung einer Dienstbarkeit ausdrücklich verweigerte, lehnte die Senatsverwaltung für Finanzen mit Schreiben vom 17. Oktober 2001 erneut dem LARoV gegenüber die Bewilligung zur Eintragung einer Dienstbarkeit ab. In dem Schreiben heißt es:

Anfrage der SenFin vom 28. September 2001, F 2, Bl. 862; Antwortschreiben der Rechtsanwaltskanzlei W, C & P vom 8. Oktober 2001, F 2, Bl. 863.

Schreiben des Mitarbeiters Schulte-Goebel vom 17. September 2001, F 2, Bl. 843.

Schreiben der SenFin vom 27. September 2001 an das LARoV, LA 14, Bl. 70.