Grundstück

Bauleitplanung keine Rolle spielen, aber für die Vertragshaftung war die Veränderung der Eigentümersituation entscheidend.

Vergleichsverhandlungen ohne Bahnbeteiligung

Nachdem die Versuche, sich mit der Deutschen Bahn AG und dem Investor Müller-Spreer zu einigen, gescheitert waren, führte die Senatsverwaltung für Finanzen die Verhandlungen ohne Beteiligung der Deutschen Bahn AG weiter. Infolgedessen waren an den Gesprächen zur Vertragsanpassung nur noch die Senatsverwaltung für Finanzen, der Investor MüllerSpreer sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beteiligt.

Vergleichsstrategie der Senatsverwaltung für Finanzen

Der Sachbearbeiter Zucker unterrichte Finanzsenator Dr. Sarrazin mit einem Vermerk vom 13. Dezember 2002 über den Sachstand. Dabei wies er darauf hin, dass der überarbeitete Entwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (gemeint ist der Nalbach-Entwurf) nur mit Zustimmung der Bahn und daraus resultierenden sehr hohen Gründungsmehrkosten realisierbar sei. Der Investor lehne diesen Entwurf ab, da er nicht bereit sei, die damit verbundenen Kosten zu tragen. Die Versuche, sich mit der Bahn über eine Zuordnungsregelung zu einigen, die dem Land Berlin ermögliche, das Kaufgrundstück in seiner Gesamtheit zu übereignen, seien fehlgeschlagen.

Herr Zucker gab dabei folgende zusammenfassende Stellungnahme ab. „1. Grundstückskaufvertrag

Durch den Änderungsbescheid kann Berlin den Vertrag nicht erfüllen und das Grundstück lastenfrei übertragen. Bei Vertragsabschluss war dem Erwerber bekannt, dass das Grundstück hinsichtlich der bestehenden Leitungsrechte und des U- und SBahnbetriebes problembehaftet war, und er wurde verpflichtet, die diesbezüglichen Abstimmungen mit den Leitungsträgern und den Verkehrsbetrieben herzustellen. Auf Wunsch des Investors wurde der Vertrag hierzu sehr moderat formuliert, um seine Verhandlungsposition gegenüber den Verkehrsbetrieben nicht zu schwächen.

Nunmehr dringt er auf Vertragserfüllung und macht insbesondere den Verzugschaden geltend, da er bereits 30,8 Mio. DM für die Ablösung der Ansprüche zum Deutschen Theater und 3 Mio. DM als Zusatzzahlung für das Kaufgrundstück geleistet hat. Eine Rückabwicklung des Vertrages löst Zahlungsverpflichtungen des Landes Berlins in Höhe des Kaufpreises sowie des Verzugsschadens aus.

2. Zuordnung

Es wurde versucht, mit der Bahn eine Zuordnungsregelung zu finden, in der die Bahn auf die Eigentumsübertragung des S-Bahn-Einganges gegen Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit verzichtet. Der von der Bahn vorgelegte Entwurf war unannehmbar und enthielt weitreichende Auflagen, die auch von dem Investor nicht akzeptiert werden konnten bzw. immense Kosten verursacht hätten. Insoweit sollte angestrebt werden, die Zuordnungsverhandlungen von dem Grundstückgeschäft zu trennen.

3. Planung

Das von SenStadt mit der Überarbeitung des B-Plans vorgelegte Baukonzept ist durch das Überbauungsverbot der Tunnelanlagen nicht realisierbar. Für die Umbauung des S-Bahn-Einganges ist die kostenpflichtige Zustimmung der Bahn erforderlich.

Darüber hinaus ist eine zentrale Gründung sehr kostenintensiv. Eine Lösung der

Probleme böte sich in der Weise an, dass im Rahmen einer Baukörperausweisung die Bahnanlagen einschließlich des Eingangsbereiches nicht berührt werden, sodass Beeinträchtigungen des Bahnbetriebes und zusätzliche Abstimmungserfordernisse sowie grundbuchliche Sicherungen vermieden werden.

Durch den Rechtsmangel am Kaufgrundstück ergeben sich Schadensersatzforderungen des Investors. Die Höhe anzuerkennender Forderungen muss noch geprüft werden. Sie dürfte jedoch zwischen 3 bis 5 Mio. liegen. Da ein finanzieller Ausgleich vermieden werden sollte, ist die Lösung in der Erhöhung der baulichen Ausnutzung und Einräumung eines Unterbaurechtes zur Errichtung einer Tiefgarage an dem Bahnhofsvorplatz („Stadtplatz") anzustreben. Hierzu ist die Bereitschaft SenStadt zur entsprechenden Planungsänderung erforderlich. Bisher hat sich SenBauDir geweigert, das Baurecht zu erhöhen."

Laut Aktenlage habe der Bearbeiter Zucker am 17. Dezember 2002 in einem Telefonat mit dem Investor erörtert, dass das Ziel der kommenden Besprechung sein sollte, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Dazu forderte er den Investor auf, seine Vorstellungen zu einer gütlichen Einigung darzulegen. Der Mitarbeiter Zucker vertrat dabei die Auffassung, Verhandlungen seien ohne Bezifferung des Schadens weiter zu führen, da anderenfalls die Gefahr bestehe, sich über die Höhe monatelang zu streiten, ohne zu einer Einigung zu gelangen. Der Investor wurde aufgefordert, für die Besprechung einen angemessenen Ausgleich durch Änderung des Baurechts zu formulieren, da finanzielle Leistungen ausscheiden sollen. Hierbei sollte auf jeden Fall eine direkte Abhängigkeit von der Bahn vermieden werden, sodass die Bahnanlagen einschließlich des S-Bahn-Einganges von einer Überbauung ausgeschlossen werden sollten.

Der Vermerk zur Gesprächsvorbereitung enthält darüber hinaus eine Strategie für den Fall, dass es in der Verhandlung dennoch auf eine Schadensbezifferung ankomme. Folgende Positionierung wurde empfohlen: „Überbauungskosten: zunächst ohne Ansatz Mehrplanungskosten 1.000.000 jedoch auf Nachweis Grundstückswertminderung 0 (100 x 7.500) Nichtlastenfreistellung 0 Finanzierungsmehraufwand 1.750.000 (1/2 der Kosten) Wertverfall 850.000 (1/2 des Ansatzes) 3.600.000 " Lege man die Schadenshöhe von 3.600.000 zugrunde, ergebe sich daraus eine Erhöhung der baulichen Ausnutzung (GFZ) von 3.200 m², wenn man den von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ermittelten Kaufpreisanpassungsbetrag in Höhe von 1.125,--/m² berücksichtige. Dabei sei aber noch nicht die Einräumung eines Unterbaurechts am „Stadtplatz" mit einem Wert von 369,- berücksichtigt worden.

In der Besprechung vom 19. Dezember 2002 empfahl der Abteilungsleiter Dr. Baumgarten, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Gesamtlösung anzustreben, die nicht auf Einzelpositionen abstelle, über die ein jahrelanger Rechtsstreit entstehen könne. Der Investor Müller-Spreer unterstrich das Ziel, eine Unabhängigkeit von der Bahn bei der Bebauung zu erreichen, sodass der Baukörper auf einer reduzierten Grundfläche errichtet werde. Der Unterschied zu der vergleichsweise angeführten Überbauung am Leipziger Platz sei, dass dort andere statische Möglichkeiten zur Verfügung stehen, da die Tunneldecke nicht direkt

Unterrichtung des Sen Dr. Sarrazin, F 3, Bl. 1088.

Vermerk zur Gesprächsvorbereitung vom 18. Dezember 2002, F 3, Bl. 1092; siehe Wertanpassung von SenStadt vom 3. Dezember 2002, F 3, Bl. 1080. unterhalb der Straßenoberfläche liege. Die Anwesenden einigten sich dahin gehend, dass der Investor bauliche Varianten erarbeite und ein Schreiben an den Senator aufsetze.

Über das Ergebnis setzte Senator Dr. Sarrazin den Stadtentwicklungssenator mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 in Kenntnis. Danach seien die Forderungen der Deutschen Bahn AG sowohl für das Land Berlin als auch für den Investor als Rechtsnachfolger im Eigentum nicht annehmbar. Sie würden die Umsetzung der Planung mit erheblichen finanziellen Auswirkungen behindern. Er sei bestrebt, die finanziellen Auswirkungen für den Landeshaushalt so gering wie möglich zu halten. Der Investor habe angeboten, den eingetretenen Schaden auch durch Erhöhung der baulichen Ausnutzung zu regulieren. Durch die angemessene Erhöhung des Baurechts könne finanzieller Schaden vom Land Berlin abgewendet werden.

Dabei könne auch eine geringfügige Verlagerung des Baukörpers als interessengerechte Lösung in Betracht gezogen werden.

Ablehnende Haltung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Diese Vorgehensweise ist aber zunächst grundsätzlich nicht von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung getragen worden, wobei es letztlich zur Schonung des Berliner Landeshaushalts auch zu einer Kompensation über die Baumasse kam. Die Zeugen Strieder und Dr. Stimmann erklärten vor dem Untersuchungsausschuss: Zeuge Strieder: „[...] Ich habe dem damaligen Senatsbaudirektor nur gesagt, ich wäre dagegen, dass man das durch eine höhere Auslastung des Grundstücks regelt, also, dass man sozusagen einen Schaden, der entstanden ist, dadurch kompensiert, dass man einfach ein bisschen mehr GFZ zulässt. Ich war der Auffassung, dass das ein Problem der Finanzverwaltung ist, und dann solle auch die Finanzverwaltung dieses Problem lösen, das müssten nicht wir lösen. Das hängt damit zusammen, dass die Finanzverwaltung so ähnlich auch mit uns immer umgegangen ist. Wenn wir ein Problem hatten, sagte sie: Das könnt ihr lösen! Also fand ich auch, es sei ein Problem der Finanzverwaltung, das sollte sie lösen, zumal ich gerade ausgeführt habe, dass sowohl Stimmann als auch ich aus grundsätzlichen Überlegungen der Meinung waren, dass die barocke Friedrichstadt nicht ein weiteres Hochhaus verträgt.

[...] Ich persönlich war davon überzeugt, dass, wenn in einem Vertrag ein Fehler passiert ist, dieser Fehler dann eben wie ein normaler Schadensersatzfall behandelt werden soll, in dem ein Schaden bezahlt wird, wenn ein Schaden entstanden ist und man nicht versucht, einem Schadensersatzanspruch dadurch zu entgehen, dass man das durch eine höhere GFZ kompensiert.

[...] Wir können nicht die Stadtentwicklung und Stadtplanung davon abhängig machen, ob das Land Berlin einen Schaden zu tragen hat, und wir kompensieren dann den Schaden, weil Stadtplanung und Stadtentwicklung sich an anderen ­ wie ich glaube ­ höheren Zielen zu orientieren hat als an kurzfristigen fiskalischen Fragen.

[...] Natürlich spricht man, wenn eine Senatsverwaltung ein Problem hat, miteinander, aber wie meine Haltung dazu war, das habe ich deutlich gesagt. Ich halte nichts von solchen Kompensationen. Schon allein deswegen, Herr Esser: Die zu berechnen, so dass es für alle nachvollziehbar ist, dass wirklich der Wert ausgeglichen ist, oder ob

Besprechungsvermerk vom 19. Dezember 2002, F 3, Bl. 1094.

Schreiben Sen Dr. Sarrazin an Sen Strieder vom 20. Dezember 2002, F 3, Bl. 1091.

Wortprotokoll vom 20. November 2009, Seite 35.

Wortprotokoll vom 20. November 2009, Seite 36.