Wohnen

Allein, ich glaube offen gestanden, dass es müßig ist, wenn wir jetzt diskutieren, wie man was hätte festsetzen können." „[...] Wenn Sie unterstellen, wir hätten das nicht gemacht, weil ja alles schon feststünde, dann liegen Sie in der Tat falsch, Herr Esser, denn das Primat ist, einen sicheren Bebauungsplan herzustellen ­ im Interesse des Landes Berlin und auch im Interesse des Investors. Wenn wir dieses Primat verletzt haben, dann müssen wir einfach konzedieren, dass wir einen Fehler gemacht haben. Ich hatte ­ Sie werden das im Wortprotokoll gewiss nachlesen können ­ schon einmal vor geraumer Zeit gesagt, dass wir, wenn wir versäumt haben, ein Belichtungsgutachten als zusätzliches Abwägungsmaterial zu erstellen ­ was wir aufgrund der ausgeübten Nutzung als nicht erforderlich erachtet haben ­, einen Fehler gemacht haben, und für den trage ich die Verantwortung. Uns war aber ­ mir war aber ­ zu dem seinerzeitigen Zeitpunkt nicht gewahr, dass ein Oberverwaltungsgericht angesichts der ausgeübten Nutzung und der Argumentation, die wir in der Begründung zum Bebauungsplan gepflegt haben, auf ein solches Erfordernis dringen könnte.

Umgekehrt haben wir uns natürlich auch schon mal Fragen gefallen lassen müssen, warum wir eigentlich so viele Gutachten zu Bebauungsplänen machen. Diese Fragen kamen ja u. a. auch von denen, die jetzt vielleicht der Auffassung sind, wir hätten uns dort ein Versäumnis zuschulden kommen lassen. Um es kurz zu machen: Wenn das ein Versäumnis war, dann trage ich dafür die Verantwortung für die Abteilung II ­ Städtebau und Projekte. Uns ­ mir ­ ist es nicht als Versäumnis gewahr geworden, und ich bin auch unverändert der Auffassung, dass es der Sache nach nicht gerechtfertigt gewesen wäre, hier einen höheren Aufwand bei der Ermittlung der Belange anzustellen, als es ohnehin der Fall war."

Auch andere Zeugen konnten ein Fehlverhalten bei der Aufstellung des Bebauungsplanes I50 nicht bestätigen: Zeuge Kuhlo: „Es ist für mich absolut überraschend, dass das Gericht dieses moniert hat. Es war für mich nicht unbekannt. Ich kann Ihnen aber jetzt kein konkretes Beispiel nennen. Ich glaube, die Frage ist beim letzten Mal auch gestellt worden. Ich konnte sie damals auch nicht beantworten.

Ich habe mich jetzt auch wirklich nicht weiter damit beschäftigt. Wenn ich mir aber vorstelle, dass auf einmal eine Fläche, die frei ist, dann noch so eine wesentliche Rolle bei der Betrachtung einer Situation sein soll, dann muss ich als Stadtplaner wirklich hinterfragen: Was soll diese Spielerei mit der GFZ, mit der Bruttogeschossfläche, mit Freiflächen und Nicht-Freiflächen? Ich habe eine überbaubare Grundstücksfläche und eine nicht überbaubare Grundstücksfläche. Ob die nun öffentlich ist, ob die privat ist, ob das eine Mischfläche ist, das ist doch letztendlich völlig unerheblich. Deswegen hatte ich auch immer gesagt: Was ist eine Bruttogeschossfläche? ­

Die ist gar nichts. Ich sehe etwas Gebautes und sehe das mit meinen Augen im Verhältnis zu der Freifläche und zu der bebauten Grundstücksfläche. Das ist das, was ich zu beurteilen habe. Ich weiß nicht, ob Sie erkennen können, ob die GFZ 0,3 oder 0,4 ist, sondern Sie haben etwas Gefühltes und sehen: Habe ich genug Platz oder nicht? ­ Ob die Fläche nun öffentlich ist oder nicht, ist letztendlich völlig unerheblich.

[...] Ich habe da ausdrücklich von mir gesprochen. Ich werde das nicht allgemein sagen können, aber auch davon abzuweichen, ist auch im Gesetz vorgesehen, explizit vorgesehen. Sie haben das zu begründen. Nun hat das Gericht festgestellt: Es ist nicht richtig begründet. ­ Seitens der Verwaltung war es so, dass wir der festen Überzeugung waren und vielleicht auch teilweise sind ­ das entzieht sich meiner

Wortprotokoll vom 24. April 2009, Seite 61.

Wortprotokoll vom 24. April 2009, Seite 74.

Kenntnis ­, dass die Begründung dort korrekt war. Ich habe durchaus nach § 17 BauNVO die Möglichkeit, weit über die Maße hinaus zu gehen ­ als das, was dort gesetzlich vorgesehen ist im allgemeinen Rahmen.

Das muss ich natürlich auch mitbetrachten, wenn ich ein Bebauungsplanverfahren mache. Es ist doch immer eine Einzelfallbetrachtung. Ich kann doch nicht über einen Kamm scheren und sagen: Das ist da, und das ist da! ­ Gehen Sie doch auf den Leipziger Platz, nur als Beispiel. Da haben wir eine durchschnittliche GFZ von, weiß ich nicht, 5,0. Gehen Sie zum Alexanderplatz! Da haben wir etwas über 10,0. Auch da sind wir noch rechtens, und da gibt es überhaupt kein Vertun, und beide Pläne haben die Zustimmung dieses Hauses gefunden. Da ist nicht infrage gestellt worden, dass da irgendetwas mit den Flächen sein könnte. Sie haben nur gesehen: Es ist eine Freifläche, und es ist etwas bebaut ­, und daraus haben Sie Ihre Schlüsse gezogen. Punkt! Das ist es dann. ­ Also, ich halte es nicht für abwegig, auch darüber nachzudenken, und ich halte es auch für rechtens."

Auch der Zeuge Kunst, der maßgeblich an dem Abwägungsvorgang beteiligt war, war von der Urteilsbegründung überrascht.

Zeuge Kunst: „Weil die Argumentation, die das Gericht verfolgt hat, für uns nicht nachvollziehbar war, denn es sind dort sehr abstrakte Zahlen zugrunde gelegt worden. Man hat auf die Baunutzungsverordnung abgestellt, und man hat auf sogenannte ungesunde oder gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse abgestellt, wie sie aus dem besonderen Städtebaurecht ableitbar waren. Das sind aber aus unserer Sicht völlig unterschiedliche Dinge. Zum einen haben wir Gründerzeitbebauung. Ich war 15 Jahre lang Leiter der Sanierungsverwaltungsstelle Schöneberg. Ich weiß also, worüber man redet, wenn man über die ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse spricht, die damals um 1900 entstanden sind. Und wenn wir hier sozusagen modernen Städtebau haben, in dem Zentrum einer Metropole, sind das Dinge, die man so gar nicht miteinander vergleichen kann. Und das Land Berlin hatte auch einen klaren Grundsatz in Bezug auf die Entwicklungsziele, indem nämlich klargemacht war: Maximale Nutzung der optimal erschlossenen innerstädtischen, zentralstädtischen Siedlungsräume, und zwar insbesondere die, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln hocherschlossen waren, und da gibt es keinen Standort, der höher erschlossen ist, als dort die Friedrichstraße, um gleichzeitig den Siedlungsdruck in den peripheren Siedlungsräumen zu verringern. Das sind sowohl ökologische als auch ökonomische Überlegungen. Wir haben am Potsdamer und Leipziger Platz auch die Bauleitplanung gemacht. Dort haben wir eine GFZ im Durchschnitt von 5,0, hochgehend bis zu 16. Am Spreedreieck haben wir eine GFZ von 3,4. Auf dem Meliá Hotel ­ das ist ja der Kläger ­ haben wir eine GFZ von 6,5, und diese 6,5 sind darüber hinaus noch über ein Genehmigungsverfahren nach § 34 zustande gekommen, nicht mal über ein Bebauungsplanverfahren. Da muss man sich natürlich fragen: Was für Dinge sind hier eigentlich miteinander verglichen worden? Die Bauordnung Berlin lässt beispielsweise ausdrücklich Arbeitsstätten ohne natürliche Belichtung zu. Ich denke an Kaufhäuser, an Gaststätten. Und wenn Sie mal die Beschäftigten fragen, die bei Dussmann sind, ob die meinen, sie wären deswegen unter prekären Arbeitsverhältnissen, weil auf der gegenüberliegenden Seite ein Hotel steht, mit deutlich anderen Abstandsflächen." „[...] Ja, wir haben das ­ das steht ja auch in der Begründung ­ ­ Wir waren der Auffassung, dass die Beeinträchtigung durch die Verschattung hinzunehmen ist, also eine geringere Belastung darstellt gegenüber dem Gewinn in Bezug auf die städte926

Wortprotokoll vom 19. März 2010, Seite 13.

Wortprotokoll vom 19. März 2010, Seiten 23, 24. bauliche Entwicklung. Wir haben dennoch der Senatsverwaltung vorgeschlagen: Ändert die Geschosshöhen oder die Gebäudehöhen, und zwar ist das nicht auf unserem eigenen Mist gewachsen, sondern der Architekt Mark Braun hatte ursprünglich unterschiedliche Gebäudekörperhöhen vorgesehen. Also, der Gebäudekörper an der Friedrichstraße sollte niedriger sein als der am Reichsufer, was wir aus städtebaulichen Gründen für die bessere Idee gehalten haben. Wir haben mehrfach die Senatsverwaltung darauf hingewiesen: Wollt ihr dieser Idee nicht folgen? Damit würde man gleichzeitig dieses Abstandsflächenproblem reduzieren. Es wäre dann nicht mehr da gewesen. ­ Aber die Antwort ­ ich hatte sie eben schon einmal implizit gesagt ­ war klar: In der Zusatzvereinbarung stehen zehn Geschosse. Es steht auch keine Gebäudehöhe drin. Da stehen nur zehn Geschosse drin, und dabei bleibt es, Punktum. Es gibt keine Differenzierungen hinsichtlich der Gebäudekörper. Herr Müller-Spreer wäre damit einverstanden gewesen, immer unter der Maßgabe natürlich, dass er keine vermietbare Fläche verliert.

[...] Das ­ muss ich gestehen ­ haben wir nicht weiter dokumentiert. Das war gesprächsweise. Wir waren ­ ich habe es versucht, eben darzulegen ­ auch davon überzeugt, auch mit diesem Baukörper ist es an der Stelle städtebaulich in jedem Falle vertretbar, diese relativ geringfügige Überschreitung auch der Abstandsflächen hinzunehmen, die ja auch erst mal, so wie ich sie geschildert habe, eine theoretische ist.

Tatsächlich weicht der Baukörper von der Straßenbegrenzungslinie zurück, sodass die theoretische Überschreitung der Abstandsflächen, die bei 4,10 Meter etwa liegt, jenseits der Straßenmitte muss man immer sagen, nicht auf der anderen Grundstücksfläche, immer noch auf der Straße. Tatsächlich reduziert sie sich auf die Hälfte, weil der Baukörper eben zurückweicht. Wir haben ­ darf ich das noch dazu sagen ­ im Nachgang auch überlegt: Wie ist es denn mit der Besonnungssituation? ­ An dem Tag, wo wir Tag- und Nachgleiche haben, sind die unteren Geschosse des Meliá Hotels etwa nur anderthalb Stunden direkt besonnt." „[...] Ja, ich sage noch einmal: Wir haben doch im Grunde, auch wie wir meinten und das Land meinte, gute Argumente gehabt, hier trotz der Argumente, die die Gegenseite vorgetragen hat, das Projekt durchzuführen. Wir haben nur prophylaktisch gesagt: Zusätzlich sollte man doch diese Baukörperreduzierung usw., das Problem entschärfen. Das ist eine zusätzliche Argumentation gewesen, die eigentlich an unserer Grundhaltung, dass es hier rechtens ist, nichts ändert, nur, dass man sagt: Okay, aus städtebaulichen Gründen wäre es eigentlich sinnvoller, hier zu unterschiedlichen Baukörperhöhen zu kommen. Das hat sich so miteinander verbunden." „[...] Also noch mal: Wir haben doch geschrieben, dass aus unserer Sicht es keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung angesichts der Nutzung und der dort vorhandenen Arbeitsplätze gibt. Insoweit haben wir doch schon darauf abgestellt: Es ist eine Hotelnutzung, es ist kein Wohnen, und bei einer Hotelnutzung haben wir folgende Arbeitstätigkeiten in den Räumen an der Straßenfassade. ­ So! Das schien uns wirklich ausreichend zu sein angesichts der Planungsgrundsätze, die das Land Berlin verfolgt und angesichts der bereits realisierten Planungen an anderer, zentraler Stelle im Land Berlin."

Auch die Entwidmung der Straßenfläche und die daraufhin erfolgte Berechnung seien seiner Auffassung nach nicht zu beanstanden gewesen.

Zeuge Kunst: „Nur noch mal: Wir haben sämtliche Behörden und Träger befragt einschließlich der Taxi-Innung. Es hat keiner gesagt: Wir brauchen das Ding weiterhin

Wortprotokoll vom 19. März 2010, Seiten 24, 25.

Wortprotokoll vom 19. März 2010, Seite 29.

Wortprotokoll vom 19. März 2010, Seite 40.