Wir wussten es jedenfalls dass er auf dem Grundstück des Klägers eine deutlich weit darüber hinausgehende

­ Keiner! Und wenn das aus der Behördenbeteiligung hervorgeht, dann muss man doch sagen, dann brauchen wir sie in der Tat auch nicht mehr, dann kann sie dem Grundstück zugeschlagen werden. Und dann ist es formal richtig, wenn man sagt: Das Baugrundstück ist um diese Fläche größer, und daraus wird eben die GFZ ermittelt. ­ Das ist nun mal so."

Zu den Einwendungen der GVG gab der Zeuge Kunst folgende Stellungnahme ab: Zeuge Kunst: „Ja, also, der Dr. Fleckenstein hatte eine ganze Latte von Punkten aufgeführt. Es ging insbesondere um die Aspekte Nutzungsmaß, wo er sagte: Mit 3,4 ist erheblich über die gemäß Baunutzungsverordnung als Obergrenze 3,0 festgelegte GFZ hinausgehend. Wie gesagt: wohl wissend. Wir wussten es jedenfalls, dass er auf dem Grundstück des Klägers eine deutlich weit darüber hinausgehende GFZ erreicht hat, die ihn aber offensichtlich an der Stelle nicht interessiert hat und dass die Gebäudehöhe ­ ­ Ich habe versucht, die Abwägung, die wir vorgenommen haben, wie wir sie vorgenommen haben, darzustellen, dass wir dennoch der Senatsbauverwaltung den Vorschlag gemacht haben, das Ding zu entschärfen. Am Ende muss ich gestehen: Wir haben über diverse Bauleitverfahren mittelbar immer mal wieder erfahren, dass es im Land Berlin Situationen gibt, wo Leute nach einem Schikanierzwickel suchen ­ im übertragenden Sinne ­, an einem wirtschaftlichen Projekt zu partizipieren. Das ist nicht nur dort gewesen. Das ist ­ wie gesagt ­ auch an anderer Stelle. Wir haben es immer nur mittelbar erfahren, weil wir ja Bebauungsplaner waren, und wir waren nicht Projektleiter oder Projektsteuerer oder irgendwas, die sich dann in solche Verhandlungen begeben mussten, die dann immer unangenehm waren. Hier war es so, wir hatten Herrn Müller-Spreer auch empfohlen, mit den Nachbarn zu sprechen. Der wusste aber auch, was hier gegebenenfalls üblich ist im Land Berlin und wollte da nicht so recht ran. Im Ergebnis muss ich sagen: Es ist hier mit hehren Worten gekämpft worden von der Gegenseite. Im Ergebnis war es so, der Nachbar hat die Hand aufgehalten, sie ist ordentlich gefüllt worden. Dann hat er seine Klage zurückgezogen, und alle hehren Argumente waren vom Tisch. Die Arbeitsverhältnisse, die vorher ungesund waren, spielten nun gar keine Rolle mehr. Man hat wirtschaftlich partizipiert. Der Anwalt wird ein ordentliches Honorar bekommen haben, und bei den Beschäftigten, die in doch so prekären Verhältnissen dort arbeiten müssen, ist kein Euro gelandet. Man hat überhaupt nichts getan, um das, was dort angeblich so unzumutbar ist, in irgendeiner Weise aus diesem Erlös zu verbessern."

Im Ergebnis seien sie nicht der Auffassung gewesen, eine falsche Abwägung vorzunehmen, Zeitgründe haben nach Aussage des Zeugen Kunst keine Rolle gespielt, denn sie haben sich inhaltlich intensiv mit der Abwägung auseinandergesetzt. 933

Nach Auffassung des Zeugen Arndt habe die Verwaltung auch Konsequenzen aus dem nicht rechtskräftigen Urteil gezogen.

Zeuge Arndt: „Was die Verschattung anbelangt, sind alle weiteren Bebauungspläne, die wir nachher bearbeitet haben, mit intensiveren Begründungsvorgaben belegt worden, also Verschattungsgutachten und Ähnliches werden in Zukunft gemacht. Das ist immer das Problem, dass genau zum Zeitpunkt, als dieser Bebauungsplan erarbeitet wurde, die rechtlichen Grundlagen sich auch verschärft hatten. Wahlperiode Drucksache 16/3600

Das Baugenehmigungsverfahren „Spreedreieck" Parallel zum Bebauungsplanverfahren lief das Baugenehmigungsverfahren zum Bauprojekt des Investors Müller-Spreer an. Auch die Erteilung der Baugenehmigung führte in der Folgezeit zu zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, die hier aber zunächst unberücksichtigt bleiben.

Der Investor Müller-Spreer stellte insgesamt drei Bauanträge sowie mehrere Nachtragsanträge beim Bezirksamt Mitte von Berlin. Im Fokus der Schwierigkeiten bei Erteilung der Baugenehmigungen stand dabei der Umgang mit dem „Tränenpalast".

Bauantrag vom 7. Juni 2006

Zunächst beantragte der Investor Müller-Spreer mit Datum vom 7. Juni 2006 eine Baugenehmigung die Flurstücke 238, 239, 240 und 429 bis 435 betreffend. Als genaue Bezeichnung des Vorhabens gab der Bauherr an: „Errichtung einer Bauwerksgründung und Baugrube inklusive Aussteifung zur Ausführung eines Geschäftshauses."

Dabei würden die Rohbaukosten einschließlich der Mehrwertsteuer bei 4.060.000 und die Herstellungskosten einschließlich der Mehrwertsteuer bei 5.104.000 liegen.

Der Bauantrag sah dabei u. a. vor, dass der „Tränenpalast" zur Errichtung einer Tiefgarage abgebaut und nach Durchführung der entsprechenden Arbeiten wieder aufgebaut werden soll.

Versagungsbescheid Nr. 2031/06

Dieser Bauantrag ist am 16. Oktober 2006 im Wesentlichen aus denkmalrechtlichen Gesichtspunkten negativ beschieden worden (Versagungsbescheid Nr. 2031/06).

In dem Versagungsbescheid heißt es: „Die bauaufsichtliche Genehmigung für die Herstellung der Baugrube für das geplante Geschäftshaus „Spreedreieck" muss versagt werden. Die Herstellung der Baugrube in der gewählten Technologie ist nur möglich, wenn der Tränenpalast in Teilen demontiert wird. Für die Teildemontage wird die denkmalrechtliche Zustimmung nicht erteilt, weil folgende Verstöße gegen Vorschriften vorliegen: § 12 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 DSchG."

Zur Begründung führte die Behörde die besondere städtebauliche und geschichtliche Bedeutung des „Tränenpalastes" als Baudenkmal an. Auch sei ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Demontage nicht erkennbar. Der vom Abgeordnetenhaus beschlossene Bebauungsplan habe in der Abwägung der Interessen eindeutig dem Denkmalschutz den Vorrang eingeräumt. In der Begründung heißt es: „Das Kerngebiet ist vollständig unterbaubar, sofern Belange der Betreiber der Verkehrsanlagen, der zuständigen Unternehmensträger und des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen."

Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung vom 7. Juni 2006, M 4, Bl. 4 f.

Vermerk vom 28. September 2006, M 3, Bl. 59 f.

Versagungsbescheid vom 16. Oktober 2006, M 3, Bl. 83 f.

Versagungsbescheid vom 16. Oktober 2006, M 3, Bl. 84.

Vor Erlass des Versagungsbescheides war dem Bauherrn Müller-Spreer mitgeteilt worden, dass das geplante Vorhaben gegen § 12 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 1 DSchG verstoße und daher beabsichtigt sei, die bauaufsichtliche Genehmigung zu versagen. Zur Begründung führte die Behörde die besondere städtebauliche und geschichtliche Bedeutung des „Tränenpalastes" als Teil und authentischer Ort des vom Senat beschlossenen „Gesamtkonzept zum Gedenken an die Berliner Mauer" an. Die geschichtliche Bedeutung des als Empfangshalle für die Grenzabfertigung genutzten Gebäudes sei zwingend an den Erhalt der originalen Substanz gebunden. Zur Beurteilung des Antrages habe der Kaufvertrag „Tränenpalast" vom 7. Juni 2005, der Bebauungsplan sowie der Auszug aus der Zusatzvereinbarung vorgelegen. Danach müsse während der Bauzeit ein Spielbetrieb im „Tränenpalast" gewährleistet sein. Ein Abbruch oder eine Unterbauung habe im Vorfeld nie zur Diskussion gestanden. Die Belange des Denkmalschutzes seien zu berücksichtigen. Ferner dürfe bei der Ausübung des eingeräumten unterirdischen Bebauungsrechts der Gebäudebestand des „Tränenpalastes" nicht beeinträchtigt werden.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens gab der Bauherr Müller-Spreer, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei RSG, folgende Stellungnahme ab:

Die aufgeführten Einwendungen seien rechtlich nicht haltbar. Ein Anhörungsschreiben zum jetzigen Zeitpunkt verletze die Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens.

Die Tatsache der vollständigen Unterbauung und der damit verbundene Ab- und Wiederaufbau des „Tränenpalastes" seien der Bauaufsichtsbehörde seit Antragstellung bekannt. Der Sachverhalt sei bereits im Rahmen der Trägerbeteiligung im Bebauungsplanverfahren erörtert worden. Die Planungen des Bauherrn würden von einer Erteilung einer Baugenehmigung zum 30. September 2006 ausgehen. Die aufgeführten inhaltlichen denkmalrechtlichen Erwägungen würden an der Sache vorbeigehen.

Die Aktenlage bestätigt, dass bereits während des Bebauungsplanverfahrens der Umgang mit dem „Tränenpalast" eine Rolle spielte. So hatte der Bauherr Müller-Spreer im Februar 2006 bei einem Gespräch im Bezirksamt Mitte erklärt, das Gebäude würde sich in einem baulich schlechten Zustand befinden. Er erläuterte, dass die Ausstattung für eine kulturelle und gastronomische Nutzung völlig unzureichend sei. Um die zukünftige Funktionsfähigkeit zu gewährleisten, seien umfangreiche bauliche Maßnahmen vorzunehmen. Aufgrund der „Pavillonbauweise" des Gebäudes sei die Demontage und der Wiederaufbau des Gebäudes erleichtert. Eine Mitarbeiterin der untersten Denkmalschutzbehörde (DU) halte eine temporäre Demontage des „Tränenpalastes" für denkbar. Es sei sicherzustellen, das Gebäude mit seiner ursprünglichen Bausubstanz weitgehend zu erhalten. Eine Machbarkeitsstudie solle darüber Aufschluss geben, welche Verfahrensalternativen technisch möglich seien. Bis zum Abschluss der frühzeitigen Behördenbeteiligung solle Konsens über die tatsächliche Vorgehensweise erreicht sein. Der Bauherr werde die Machbarkeitsstudie umgehend in Auftrag geben.

Allerdings ergibt sich aus einem weiteren Gesprächsvermerk, dass eine verbindliche Stellungnahme der Denkmalschutzbehörde erst erfolgen könne, wenn eine aussagefähige Bestandsaufnahme vorliege. Entgegen früheren Überlegungen könne das Gebäude nicht abgetragen und wiederhergestellt werden. Es sei aus Sicht der Denkmalpflege erforderlich, den Korpus des Gebäudes zu erhalten.

Im Bebauungsplanverfahren ist sodann im April 2006 entschieden worden, dass im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens zu klären sei, wie im Einzelnen zu verfahren sei.

Die Oberste Denkmalschutzbehörde (OD) erwiderte auf die Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei RSG, dass eine einvernehmliche Entscheidung zwischen der UD und dem

Anhörungsschreiben vom 20. September 2006, M 3, Bl. 41.

Siehe ausführliche Stellungnahme vom 27. September 2006, M 3, Bl. 55 ff.

Gesprächsvermerk vom 16. Februar 2006, S 11, Bl. 24 ff.

Gesprächsvermerk vom 23. März 2006, S 11, 27 f.

Protokoll einer Planungssitzung vom 3. April 2006, S 11, 29 ff.