Vergleichsvereinbarung

Die Prüfung, ob zivilrechtliche Ansprüche des Investors bestehen könnten, müsse durch die Senatsverwaltung für Finanzen erfolgen.

Staatssekretärin Spranger fügte handschriftlich dem Schreiben hinzu, dass die möglichen zivilrechtlichen Ansprüche des Herrn Müller-Spreer doch allein daher rühren, dass er keine Baugenehmigung (öffentlich-rechtlich) habe.

Bereits mit Schreiben vom 1. Februar 2008 antworte Staatssekretär Teichert auf das Schreiben der Senatsbaudirektorin Lüscher. Dabei teilte er mit, dass die Teilsichtweise, es würden keine öffentlich-rechtlichen Ansprüche des Bauherrn bestehen, zu kurz gegriffen sei, da das Vorhaben in seiner Gesamtheit zu begutachten sei. Aufgrund des drohenden Baustopps werde die Baumaßnahme auf unabsehbare Zeit unterbrochen. Der Bauherr habe hierzu bereits angekündigt, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Auf Grundlage der rechtlichen Stellungnahme zu den zivilrechtlichen Ansprüchen würde er davon ausgehen, dass sich die Erfolgsaussichten, berechtigterweise zurückzutreten und/oder Schadensersatz verlangen zu können, erhöht haben. Es würden sich die Argumente deutlich verstärken, dass der Bauherr von der Zusatzvereinbarung zurücktreten könne, weil die Grundlage für die erteilte Baugenehmigung durch das OVG-Urteil entfallen sei und diese daher ohne Rücknahme des Nachbarwiderspruchs nicht mehr in Bestandskraft erwachsen könne. Ferner sei festzuhalten, dass die Position des Investors, Schadensersatz aus dem nach einem Rücktritt dann wieder auflebenden Kaufvertrag vom 19. Dezember 2000 verlangen zu können, eher stärker geworden sei. Aus seiner Sicht bestehe jedenfalls ein nicht unerhebliches Prozessrisiko. Insgesamt müsse das Land Berlin bestrebt sein, seinen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag nachzukommen. Maßgebliche Verpflichtung sei dabei, die Voraussetzungen für eine (fristgemäße) Bebauung in dem vereinbarten Umfang zu ermöglichen. Diese Verpflichtung habe Senatsbaudirektor Dr. Stimmann ausdrücklich mit dem Mitzeichnungsschreiben vom 11. Juni 2004 übernommen. „Dass dies derzeit nicht möglich ist, hat meines Erachtens allein Ihre Verwaltung durch das fehlerhafte bauplanungsrechtliche Verfahren zu verantworten." In zeitlicher Hinsicht sei daher das nunmehr beabsichtigte Verfahren zur Behebung der vom OVG erhobenen Beanstandungen kein gangbarer Weg. „Nach alledem halte ich es für dringend geboten und unverzichtbar, dass Sie die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um einen Baustopp zu vermeiden. Insbesondere sollten dabei die Gespräche mit dem Bauherrn und der Nachbarklägerin durch Ihr Haus als federführende Verwaltung mit dem Ziel einer Rücknahme der Klage und der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unverzüglich fortgesetzt werden."

Sowohl die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als auch die Senatsverwaltung für Finanzen führten Vergleichsgespräche mit dem Investor Müller-Spreer und den Vertretern der GVG, um einen möglichen Schaden gering zu halten.

Verhandlungsablauf zur Vergleichsvereinbarung GVG.

Bereits im Januar 2008 hatten die Beteiligten beschlossen, dass versucht werden soll, eine Vergleichsvereinbarung mit der GVG zu schließen.

Aus einem Gesprächsvermerk vom 24. Januar 2008 geht hervor, dass insbesondere die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung deutlich gemacht habe, dass nunmehr nach Kenntnisnahme von der Urteilsbegründung vermieden werden sollte, eine erneute Baugenehmigung nach § 34 BauGB zu erteilen. Vielmehr versuche man im Wege einer gütlichen Einigung die Antragsteller (GVG) dazu zu bewegen, vor Eintritt der Rechtskraft einer Klagerücknahme zuzustimmen und die Klage gegen die erteilte Baugenehmigung sowie den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Baugenehmigungsbescheides zurückzunehmen.

Im Gegenzug solle dem Antragsteller ein Kompensationsbetrag angeboten werden, verbunden mit einer Konsenslösung für das von Herrn Müller-Spreer angestrebte Maß der baulichen Nutzung (10 + 10 bzw. 9 + 12 Geschosse). Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung würde hier eindeutig eine Lösung auf der Basis von 10 + 10 Geschossen präferieren. Dieses Ergebnis würde auch der ursprünglichen Baugenehmigung entsprechen.

Nach Ansicht der Bauverwaltung sei eine weitere Überlegung, ein neues Bebauungsplanverfahren durchzuführen, um die rechtlichen Hindernisse aus dem Urteil auszuräumen. Dieses Verfahren würde einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen, den man aber nach Auffassung der Bauverwaltung habe, weil man sich keinen Schadensersatzansprüchen mangels Vertrauensschutz ausgesetzt sehe.

Die Antragsteller des Normenkontrollverfahrens hätten im Rahmen eines Sondierungsgespräches grundsätzlich zugesagt, sich einer möglichen einvernehmlichen Lösung nicht verschließen zu wollen. Herr Müller-Spreer habe bereits das Gespräch mit ihnen gesucht.

Für die Beeinträchtigung der nachbarrechtlichen Belange sei als Kompensation eine Summe von 3 Mio. angedacht worden. Die GVG könne sich eine Variante 9 + 11 (maximal 11,5) vorstellen. Die Variante 10 + 10 sei grundsätzlich keine Option, weil man diese gerade im Normenkontrollverfahren erfolgreich angegriffen habe. Für den Fall, dass man dieser Lösung nach „reiflicher Überlegung" doch näher treten könnte, müsse der Entschädigungsbetrag höher angesetzt werden.

Mit Vermerk vom 30. Januar 2008 unterrichtete Referatsleiter Roth Senator Dr. Sarrazin über den Sachstand. Danach sei aufgrund der Urteilsgründe der Bebauungsplan nicht mehr durch ein vereinfachtes Verfahren zu heilen. Es müsse ein neues förmliches Änderungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden, das voraussichtlich nicht vor der Sommerpause abgeschlossen werden könne. Nach Auffassung des Bezirks scheide auch eine neue Baugenehmigung nach § 34 BauGB aus. Als Lösungsmöglichkeit werde nur eine Einigungsmöglichkeit mit den Antragstellern (GVG) gesehen, damit der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgenommen und ein Baustopp verhindert werden könne. Die Antragsteller seien auf der Basis der Zahlung von 3 Mio. bei einer Stufenlösung 9/12

Geschosse bereit, den Antrag zurückzunehmen. Bei einer Zustimmung zur genehmigten Bebauung (10/10 Geschosse) sei von einem höheren Wert auszugehen. Nach vertiefter Aktenrecherche habe sich nach Auffassung der Rechtsanwaltskanzlei CMS das Prozessrisiko des Landes Berlin erhöht. Der Sachverhalt stelle sich komplizierter und vielschichtiger dar als zunächst angenommen, sodass das Risiko statt 20:80 nunmehr 45:55 betragen würde. Es sei daher dringend zu empfehlen, eine Einigung mit dem Nachbarn zu suchen.

Am 1. Februar 2008 fand sodann in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Gespräch mit den Vertretern der GVG statt. Im Rahmen dieser Besprechung forderte die GVG für die Realisierung der genehmigten Bebauung (10/10 Geschosse) eine Ausgleichszahlung in Höhe von 4 Mio.. Diese Forderung würde sich aus dem wirtschaftlichen Vorteil des Bauherrn und den Nachteilen bei der Hotelnutzung auf dem betroffenen Grundstück ergeben.

Die Klagevertreter haben dabei noch auf den Attraktivitätsverlust des Standortes durch die Verschattung des Gebäudes einschließlich des natürlich belichteten Konferenzsaals hingewiesen. Im Übrigen würde die Aufgabe des erstrittenen Rechts sehr schwer fallen.

Die Zusammensetzung der Summe ist in einem Vermerk weiter konkretisiert worden. So seien die 3 Mio. für die Nachteile des Hotelbetriebs (wirtschaftlicher Schaden für Nutzungseinschränkungen) oder als Ausgleich des wirtschaftlichen Vorteils von dem Bauherrn Müller-Spreer (3000 m² x 1000 /m²) zu zahlen. Die zusätzliche Million sei ein „Schmerzensgeld" für die Behandlung im eigenen Baugenehmigungsverfahren und für den Gesichtsverlust bei der Zustimmung zur angegriffenen Bebauung.

Im Rahmen einer Besprechung ist Herr Grauel, Prokurist der Grundstücksverwaltungsgesellschaft Am Weidendamm Berlin-Mitte mbH, gebeten worden, eine Berechnung für die Wertminderung des Grundstücks vorzulegen. Unter dem Vorbehalt des schlüssigen Nachweises habe Staatssekretär Teichert seine Zustimmung erteilt, wenn dadurch alle offenen Fragen für erledigt erklärt werden.

Der Liegenschaftsfonds übermittelte an die Senatsverwaltung für Finanzen sodann eine von der GVG übergebene Schadensberechnung und erklärte, die GVG habe insoweit für die mutmaßlich „benachteiligten" Bereiche des Hotels eine fiktive Mietminderung von 25 ­ 30 % für 33 Jahre bei Berücksichtigung einer Abzinsung in Höhe von 3 % angenommen. Dabei sei die GVG zu einem angeblichen Schadensrisiko in Höhe von ca. 4,6 Mio. gelangt.

Der Untersuchungsausschuss befragte auch den Zeugen Grauel, wie sich diese Ausgleichssumme zusammengesetzt hat: Zeuge Grauel: „Ich weiß, dass ich für mich selbst, also für die GVG [...] eine Kalkulation angestellt habe: Wie stark ist so eine Beeinträchtigung? [...] Ich habe nun einige Erfahrungen mit Bauvorhaben, auch Bauvorhaben in Berlin, und da habe ich gesagt: Es ist schon eine Grundstücksminderung, eine Wertminderung von in etwa 3 bis 4 Millionen. 4 Millionen deshalb ­ sind wir zu der Schlussfolgerung gekommen ­, weil eben gesagt wurde: Es soll ganz genau so bleiben, gar keine Änderungen! ­

Wir hatten vorher damit kalkuliert, ob man sozusagen die Baumasse anders verteilen könnte und eine geringere Beeinträchtigung hätte. Da haben wir erst ­ da müsste es auch irgendwo, wahrscheinlich bei der Senatsfinanzverwaltung, noch Entwürfe geben ­ mal über 3 Millionen gesprochen. Es ist dann gesagt worden: Nein! Es soll genauso bleiben! ­ Da haben wir dann gesagt: Okay, dann sind es einfach stärkere Beeinträchtigungen. Dann müssen es 4 Millionen sein."

[...] „Dafür gibt es Wertermittlungsgrundsätze. Im Prinzip sind es Erfahrungswerte: Was kostet eine Aussicht? ­ Kann man so nicht direkt sagen. Sind es 5 Prozent, sind es 3 Prozent, sind es 10 Prozent vom Gesamtwert? In diesem Spektrum bewegt es sich."