Ein weiteres Versäumnis war es den Kaufvertrag dem Abgeordnetenhaus nicht zur Zustimmung vorgelegt zu haben
Schadenersatzansprüche des Investors standen im Raum. Ferner fehlte die üblicherweise in Verträgen des Landes enthaltene Wertanpassungsklausel, wenn sich die Bruttogeschossfläche nach Vertragsabschluss ändert.
Ein weiteres Versäumnis war es, den Kaufvertrag dem Abgeordnetenhaus nicht zur Zustimmung vorgelegt zu haben. Gemäß § 64 Landeshaushaltsordnung (LHO) hätte die Veräußerung eines Grundstücks über 10,0 Mio. DM dem Abgeordnetenhaus zur Bewilligung vorgelegt werden müssen. Die CDU-geführte Senatsfinanzverwaltung bewertete das Vermögensgeschäft jedoch unzulässigerweise als nicht zustimmungspflichtigen Vergleich nach § 58 LHO. Diese fehlerhafte Einschätzung verkennt allein schon, dass § 64 LHO als für Grundstücksgeschäfte speziellere Norm den § 58 LHO verdrängt.
Unterirdische Verfahrensabläufe: Grundstückszuordnungen im Wandel der Zeit Widersprüchliche Grundstückszuordnungen, behördliche Fehler bei der Registrierung von Anträgen zur Übertragung von Grundstücken, fehlende behördeninterne Vernetzung und Ignoranz der öffentlichen Verwaltung gegenüber der damaligen Rechtsprechung sind maßgebliche negative Einflussgrößen für die komplizierte Entwicklung am „Spreedreieck".
Obwohl zu konzedieren ist, dass in den 1990er Jahren nach der Wiedervereinigung die Abarbeitung der Restitutionsverfahren in qualitativer und quantitativer Hinsicht gewiss schwierig war, so häuften sich diesbezüglich beim „Spreedreieck" die Versäumnisse in besonderer Größenordnung.
Die Zuordnung des Grundstücks „Spreedreieck" an das Land Berlin durch die Oberfinanzdirektion (OFD) eine Bundesbehörde erfolgte bereits im Mai 1995; wie sich später herausstellte, unter falschen Voraussetzungen. Ein für dasselbe Grundstück von der Deutschen Bahn ebenfalls gestellter Zuordnungsantrag blieb bei der OFD sogar unbearbeitet.
Im November 2000 fällte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einer Grundsatzentscheidung ein folgenreiches Urteil: Danach sind unterirdische Bahnanlagen nur Scheinbestandteile des oberirdischen Grundstücks und werden von der Grundstückszuordnung nicht erfasst. Ein Grundsatzurteil, das jedoch bei der Senatsfinanzverwaltung, die gerade mit dem Investor über den Kaufvertrag am „Spreedreieck" verhandelte, nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen wurde.
Dabei kannten Vertreter des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (LARoV), einer nachgeordneten Behörde der Senatsfinanzverwaltung, seit Ende August 2000 die Urteilstendenz und waren schließlich im November 2000 sogar persönlich im Gerichtssaal bei der Verkündung dieser Präzedenzentscheidung des BVerwG anwesend. Es ließ sich nicht aufklären, ob und inwieweit diese Kenntnis bis zu den behördlichen Verhandlungspartnern der Senatsfinanzverwaltung gelangte, die gerade über den Abschluss des Kaufvertrages zum „Spreedreieck" verhandelten. Ein - in der unter Senator Peter Kurth und Staatssekretär Hugo Holzinger (beide CDU) geführten Finanzverwaltung - dramatisches Organisations- und Informationsversagen mit weitreichenden Folgen!
Denn im September 2001 änderte die Oberfinanzdirektion den ersten Bescheid von 1995 zur Grundstückszuordnung am „Spreedreieck". Durch die veränderte Zuordnung der Bahnflächen und Bahntunnel am bzw. unter dem „Spreedreieck" war damit die dem Investor vertraglich zugesicherte „Grundstücks-Lastenfreiheit" auch formal nicht mehr gegeben.
Zusätzlich ging eine Teilfläche des verkauften Grundstücks in das Eigentum der Deutschen Bahn über. Das Land Berlin stand damit vor der Situation, den Kaufvertrag nicht mehr in Gänze erfüllen zu können.
Der Investor und Vertragspartner machte sogleich potenziellen Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe geltend und drohte mit dem Rücktritt vom Kaufvertrag. Das Land Berlin war bestrebt, eine möglichst gütliche Einigung zu erzielen, mit dem Ziel, dass das Investitionsvorhaben realisiert werden kann und auch die anderen im Vertrag getroffenen Vereinbarungen erfüllt werden. Zu keinem Zeitpunkt hat das Land Berlin die Schadenersatzforderungen des Investors förmlich anerkannt.
Bei einer Rückabwicklung des Vertrages hatte das Land neben den damit verbundenen Rechtsrisiken zudem die begründete Befürchtung, wegen der inzwischen erheblich gefallenen Preise am Grundstücksmarkt bei einem erneuten Verkauf des Grundstücks an einen Dritten nur noch rund die Hälfte des damals erzielten Verkaufserlöses zu erzielen.
Prominenter Standort weckt Begehrlichkeiten: Vielfältige Einflüsse und Standhaftigkeit gegen Hochhausplanung
Der Restitutionsanspruch am Deutschen Theater sowie der parteiübergreifende Wunsch zum Erhalt dieser kulturpolitischen Einrichtung stehen in einem engen und sich gegenseitig beeinflussenden Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundstücks am „Spreedreieck". Der Erhalt des Deutschen Theaters war dem Grunde nach fraktionsübergreifend politischer Konsens.
Zu den weiteren „Implikationen" am „Spreedreieck" gehört der „Tränenpalast". Hier wurde zwar frühzeitig darauf geachtet, dass dieses denkmalgeschützte Gebäude erhalten werden muss. Nicht zuletzt aus der Mitte des Abgeordnetenhauses wurde aber später der Wunsch artikuliert, auch den nicht denkmalgeschützten Eingangsbereich zum „Tränenpalast" zu erhalten. Dieser Gebäudeteil diente als Teil der Grenzabfertigung zu Zeiten der Teilung der Stadt. Der Wunsch nach Erhalt dieses Eingangsbereiches trug zur Verschiebung und Erforderlichkeit einer Umplanung des Baukörpers am „Spreedreieck" bei.
Der Investor warb eine Zeit lang für die Errichtung eines Hochhauses (nach Mies van der Rohe) an diesem Standort und erhielt zwischenzeitlich sogar einige Unterstützung im politischen Raum für seine Absicht. Letztlich jedoch wurde diese Forderung zu Recht abgelehnt und fand im Senat, bei den Regierungsfraktionen und im Parlament insgesamt angesichts der sensiblen städtebaulichen Situation am „Spreedreieck" keine Mehrheit.
Der Treppenwitz: Nicht annehmbare Millionenforderung für wenige Stufen
Es geht um rund 45 m² Grundstücksfläche und eine Treppe als S-Bahn- bzw. Tunnelzugang.
Man könnte sagen: Kleine Ursache Große Wirkung. Diese Grundstücksteile befanden sich ja nun nach der veränderten Grundstückszuordnung im Eigentum der Deutschen Bahn und machten die Erfüllung des Kaufvertrages für das Land Berlin so schwierig. Nach langwierigen Verhandlungen unterbreitete die Deutsche Bahn schließlich einen für das Land Berlin allerdings unannehmbaren Vorschlag, der neben dem „aberwitzigen" Kaufpreis von 1,3 Mio. für „wenige Stufen" auch die Verpflichtung für das Land Berlin enthielt, diesen Eingangsbereich und die Tunnelanlage auf Kosten des Landes dauerhaft zu unterhalten.
Nur am Rande sei hier erwähnt, dass aus politischer Sicht das Verhalten der Deutschen Bahn in dieser Angelegenheit völlig inakzeptabel war, auch vor dem Hintergrund, dass sie als privatwirtschaftlich aufgestelltes, aber gleichwohl öffentliches Unternehmen durchaus eine besondere Verpflichtung zur Förderung des Gemeinwohls hat.
Auf dieses „Scheinangebot" der Deutschen Bahn ist der Senat, entgegen der nachträglichen Forderung der Oppositionsfraktionen im Untersuchungsausschuss, völlig zu Recht nicht ein gegangen. Denn es hätte das bestehende Grundproblem in keiner Weise gelöst. Hier wurde keine „Chance vertan", wie die Oppositionsfraktionen behaupten.
Denn unabhängig von dem völlig überzogenen Kaufpreis der Deutschen Bahn ist die Tatsache viel entscheidender, dass der Investor die damit zwangsläufig verbundene grundbuchliche Eintragung einer Dienstbarkeit konsequent ablehnte. Er berief sich auf die Zusicherung eines „lastenfreien Grundstücks". Ohne die notwendige Zustimmung des Investors aber läuft diese rückblickende Forderung der Opposition in Gänze ins Leere.
Die Erste Notfallrettung: Konstruktiver Fortschritt durch Zusatzvereinbarung
Im November 2004 wurde nach langen und zähen Verhandlungen, zwischenzeitlichen Schadenersatzforderungen und Rücktrittsdrohungen vom Kaufvertrag die Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag von 2000 zwischen dem Investor und dem Land Berlin beurkundet.
Diese „Heilung" des Vertrages begründete die berechtigte Hoffnung auf ein Licht am Ende des Tunnels.
Der Untersuchungsausschuss hat kritisch bemerkt, dass der „vakante Zeitraum" von der Grundstückszuordnung im September 2001 bis zum Abschluss der Zusatzvereinbarung im November 2004 außerordentlich lang war. Eine eindeutige Feststellung über die wirklich ausschlaggebenden Gründe hierfür konnte nicht ermittelt werden. Sicher ist aber, dass u.a. wegen der Komplexität des Vorhabens und der hohen Anzahl der Beteiligten sich die notwendigen Abstimmungen als kompliziert erwiesen haben.
Die dem Investor gegenüber in der Zusatzvereinbarung eingeräumten Zugeständnisse mögen zwar schmerzlich erscheinen, waren aber zu diesem Zeitpunkt ohne eine wirkliche Alternative. Im Gegensatz zum Kaufvertrag von 2000 wurde die Zusatzvereinbarung von 2004 dem Abgeordnetenhaus vorgelegt und fand hier fraktionsübergreifend eine zustimmende Kenntnisnahme.
Trotz der Kaufpreisanpassung i.H.v. 8,7 Mio., der Übertragung von zwei Grundstücksteilflächen an den Investor und der Einräumung einer höheren baulichen Ausnutzung von ehedem 15.000 m² auf 17.500 m² mit zehn oberirdischen Vollgeschossen bedeutete dieser Zusatzvertrag unter Berücksichtigung der Ausgangslage zu diesem Zeitpunkt - ein für das Land Berlin immer noch wirtschaftliches Ergebnis. Denn als „worst case" im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen und Rückabwicklung des Vertrages musste der Senat berechtigterweise von einer weit höheren Schadenssumme ausgehen.
Weiterentwicklung auf schwierigem Grund: Ideen und Planungen unter Zeitdruck
Im Anschluss an die Zusatzvereinbarung von 2004, in der neue Fristen für die Herstellung von Baurecht, aber auch Rücktrittsrechte vom Vertrag vereinbart wurden, begann die weitere Planung. Im Ergebnis eines auf Kosten des Investors durchgeführten Wettbewerbs-/ Gutachterverfahrens wurde schließlich der 3. Preisträger für die weitere Planung ausgewählt. Im Zuge der weiteren Entwurfsbearbeitung änderte dieses Architekturbüro allerdings den ursprünglich vorgesehenen Baukörper erheblich.
Quasi zeitgleich wurde auch das Bebauungsplanverfahren vorangetrieben. Das Verfahren war wegen vieler Beteiligter an diesem Standort weiterhin äußerst kompliziert, zudem bestand ein erheblicher Zeitdruck wegen der vereinbarten Fristen. Als schließlich der unter Berücksichtigung des Investor-Entwurfes erstellte Bebauungsplanentwurf vorgelegt wurde, stellte sich zu diesem schon sehr späten Zeitpunkt heraus.