Abwägungsmaterial

Allem Abwägen vorausgesetzt ist die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials. Dies ist die erste Stufe der Abwägung. An einer gerechten Abwägung fehlt es von vornherein, wenn im Bebauungsplanverfahren die abwägungserheblichen Belange nicht oder nur unvollständig zusammengestellt werden. Die Gemeinde als Planungsträger muss daher das Abwägungsmaterial vollständig und umfassend ermitteln und feststellen. Sie hat hierbei kein Auswahlermessen. Zum Abwägungsmaterial gehört alles, was nach Lage der Dinge in die Abwägung eingestellt werden muss. Hierzu zählen neben den Belangen privater Eigentümer und Nutzer sowie der Träger öffentlicher Belange auch vorhandene Gegebenheiten und künftige Entwicklungen. Im konkreten Fall muss die Gemeinde alles das berücksichtigen, was im Hinblick auf den Auftrag der Bebauungsplanung von Bedeutung ist und die betroffenen Belange in nicht nur geringfügiger Weise berührt. Bei der Abwägung können nur solche Belange und Gegebenheiten außer Betracht bleiben, die von der Planung entweder überhaupt nicht oder allenfalls geringfügig betroffen werden. Das gleiche gilt für Belange, die objektiv geringwertig oder nicht schutzwürdig sind. Welche Belange im konkreten Fall sachlich wie räumlich betroffen sein können, lässt sich nicht generell, sondern nur für die jeweilige Planung im Hinblick auf das von ihr verfolgte Planungsziel sowie auf die ihr vorgegebene Situation beantworten. Zum abwägungserheblichen Material gehören in der Regel die in §9 Abs. 5 genannten Einwirkungen bzw. Belastungen. Es handelt sich hierbei um Gegebenheiten, die die Bebaubarkeit oder eine sonst vorgesehene Nutzung der Grundstücke im Plangebiet ausschließen oder einschränken, die Gesundheit von Menschen gefährden, die Standsicherheit von Bauwerken in Frage stellen oder allgemein die Umwelt beeinträchtigen. Nicht erst bei der Kennzeichnung nach §9 Abs. 5, sondern schon bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials ist daher zu prüfen, wie der Boden beschaffen ist bzw. welche Einwirkungen bestehen.

Grundsätzlich brauchen bei der Zusammenstellung des Abwägungsmate aber nur diejenigen Gefahrenpotentiale, Belange oder Gegebenheiten ermittelt zu werden, die der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Nicht berücksichtigt zu werden braucht, was die planende Stelle nicht sieht und was sie nach den gegebenen Umständen auch nicht zu sehen braucht. Eine generelle Pflicht der Gemeinde, die Bodenverhältnisse in jedem Falle von Amts wegen zu prüfen, besteht daher nicht. Sind der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Einwirkungen insbesondere aufgrund von Bodenbelastungen bekannt, so muss sie diese erfassen und erforderlichenfalls näher untersuchen. Insoweit obliegt ihr eine aus dem Abwägungsgebot abgeleitete Prüfungs- und Nachforschungspflicht. Eine Prüfungs- und Nachforschungspflicht besteht aber auch dann, wenn im Zeitpunkt der Abwägung bereits Anhaltspunkte oder Erkenntnisse dafür vorliegen, dass Flächen im Plangebiet Einwirkungen ausgesetzt sind. Ist ein solcher Anfangsverdacht gegeben, so muss die Gemeinde dem Verdacht nachgehen. Diese Pflicht geht um so weiter, je mehr die Vorbenutzung die Möglichkeit einer gefährlichen Bodenbelastung nahe legt. Bestehen begründete Zweifel darüber, ob bestimmte Flächen überhaupt baulich oder in der sonst vorgesehenen Weise genutzt werden können, darf sich die Gemeinde nicht mit einer Kennzeichnung.

Ein konkreter Verdacht kann sich ergeben aus

- Akten und sonstigen Vorgängen der planenden Gemeinde;

- Bauakten und Genehmigungsunterlagen der Bauaufüchts oder Gewerbeaufüchtsbehörden;

- Mitteilungen von Behörden und Stellen;

- Mitteilungen der Wirtschaft;

- Hinweisen der Bevölkerung.

Ein konkreter Verdacht ist ebenfalls begründet, wenn Flächen in das Altlastenkataster, in das Verdachtsflächenverzeichnis oder in ein vergleichbares Kartenwerk bzw. Verzeichnis aufgenommen sind.

Eine Prüfungs- und Nachforschungspflicht besteht schließlich auch dann, wenn eine frühere oder die gegenwärtige Nutzung typischerweise erwarten lässt, dass Stoffe in den Boden gelangt sind, die sich dort umweltgefährdend auswirken. Typischerweise verdächtig in diesem Sinne sind:

- verlassene, stillgelegte oder wilde Ablagerungsplätze;

- Aufhaldungen;

- Verfüllungen;

- Ablagerungen mit Bergematerial;

- Bauschutt und Erdmassenablagerungen;

- Bergwerke;

- Kokereien;

- Kohlewertstoffanlagen;

- Gaswerke;

- Klärwerke;

- Betriebe der Eisen, Stahl, Metallerzeugung und Verarbeitung;

- Gießereien;

- Betriebe der Oberflächenbehandlung und Härtung von Metallen;

- Chemisch Pharmazeutische Fabriken;

- Batterie und Aldcumulatorenfabriken;

- Betriebe der Farben und Lackindustrie;

- Betriebe der Mineralölverarbeitung und -lagerung;

- Betriebe der Lösungsmittelerzeugung und -verwertung;

- Abfallbehandlungsanlagen;

- Bautenschutz und Holzsschutzbetriebe;

- Gerbereien, Betriebe der Lederbearbeitung;

- Betriebe der Asbest, Gummi und Kunststoffverarbeitung;

- Schrottplätze und Kraftfahrzeugverwertungsanlagen;

- Betriebe der Glasverarbeitung;

- Betriebe zur Waschmittelherstellung;

- Reinigungsanlagen;

- Betriebe und Anlagen der Kampfitoffherstellung und erprobung;

- überschwemmungsgebiete;

- Rieselfelder;

- Güterbahnhöfe, Häfen, Flugplätze;

- Flächen mit sonstigen Aufbringungen;

- Standorte mit korrodierten Leistungssystemen;

- Flächen mit undichten Abwasserkanälen;

- Flächen mit unsachgemäßer Lagerung wassergefährdender Flüssigkeiten;

- Militärische Anlagen.

Art und Ausmaß erforderlicher Untersuchungen richten sich nach der Art der Einwirkungen und ihrer Ursachen.

Bei Bodenbelastungen sind in der Regel folgende Gegebenheiten und Sachverhalte zu ermitteln und festzustellen:

- Lokalisierung von betroffenen Standorten und Flächen;

- Erfassung der Stoffe;

- Lage der Stoffe, Größe der Fläche, Zeit der Ablagerung bzw. Einbringung;

- chemisches Umfeld;

- Verhalten der Stoffe bei Freisetzung oder Vermischung;

- standortspezifische Gegebenheiten;

- Wirkungen der Stoffe;

- Wirkungspfade,

- Art der Schädlichkeit.

Zum Boden, der untersucht werden muss, zählt nicht nur die Erdoberfläche, sondern auch der darunter liegende Bereich bis zu einer Tiefe, aus der heraus noch Beeinträchtigungen der Bodennutzung möglich sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bestimmte Stoffe erst bei Bewegung bzw. Vermischung oder bei der Verbindung mit Sauerstoff oder Wasser zu schädlichen Stoffen reagieren.