Akkreditiv eröffnende Bank

Die ein Akkreditiv eröffnende Bank ist verpflichtet, der Bank, die das Akkreditiv bestätigt und gegen Aufnahme der Dokumente bezahlt hat, Abweichungen der Dokumente von den Akkreditiv-Bedingungen nach Prüfung unverzüglich anzuzeigen und die Dokumente zu deren Verfügung zu halten; das gilt auch dann, wenn sie dieser Bank die Akkreditivsumme zahlen musste, bevor sie die Dokumente in Händen hatte und prüfen konnte.

Zum Sachverhalt: Die Kläger verlangt von der verkl. Bank, dass diese ihr einen Akkreditivbetrag erstattet, mit dem sie das Konto der Klägerbelastet hat. Die Kläger kaufte von der Firma Min Madrid 122,5 t Arsenic Trioxide für insgesamt 28 787,50 £. In ihrem Auftrage vom 9. 4. 1981 eröffnete die Beklagte zugunsten der Verkäuferin ein Akkreditiv in Höhe des Kaufpreises. Die X-Bank in Madrid, die der Verkäuferin das Akkreditiv zunächst nur avisieren sollte, bestätigte es später, nachdem die Beklagte sie hierzu am 24. 4. 1981 auf Veranlassung der Kläger ermächtigt hatte. Gezahlt werden sollte gegen Vorlage der Handelsrechnung, des Ursprungszeugnisses und der Übernahmebescheinigung des Spediteurs, aus der ersichtlich sein musste, dass die Verkäuferin fas Bilbao geliefert hatte. Am 15. 6. 1981 verschiffte die Kläger in Bilbao 90 t der Ware. Mit Fernschreiben vom 8. 7. 1981 teilte die spanische Bank der Beklagte mit, sie habe ihr am 6. 7. 1981 Dokumente in order über 21 150 £ übersandt, und bat um Erstattung. Die Beklagte kam der Aufforderung nach, belastete das Konto der Kläger am 10. 7. 1981 in Höhe dieses Betrages und übersandte ihr am 13. 7. 1981 die Dokumente zur Prüfung. Die Kläger stellte fest, dass laut Spediteurübernahmebescheinigung die Verkäuferin nicht fas Bilbao, sondern ex warehouse Bilbao geliefert hatte, so dass ihr, der Kläger, Frachtkosten in Höhe von 3939,50 DM entstanden waren. Am 21. 7. 1981 beanstandete die Beklagte den Mangel gegenüber der spanischen Bank und erklärte, dass sie die Dokumente zu ihrer Verfügung halte, da die Kläger die Abweichung aber bestätigen werde, falls ihr die Frachtkosten erstattet würden. Hierzu war die Kläger aber nicht mehr bereit, nachdem die Verkäuferin am 22. 7. 1981 abgelehnt hatte, die noch fehlenden 32,5 t und zusätzlich gekaufte 18 t der Ware zu liefern, falls die Kläger nicht die Frachtkosten warehouse/pier übernähme. Die Kläger klagt auf Zahlung der 21 150 £.

Das Landgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 3939,50 DM (Frachtkosten), das Oberlandesgericht hat ihr in vollem Umfang stattgegeben. Die Revision der beklagten Bank wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen: Das BerGer hat im Ergebnis zutreffend verneint, dass die verkl. Bank einen Anspruch auf Ersatz der an die spanische Bank gezahlten Akkreditivsumme mit Guthaben der Kläger verrechnen durfte.

1. Die spanische Bank übernahm, als sie das von der Beklagte eröffnete Akkreditiv bestätigte, zugunsten der spanischen Verkäuferin eine zusätzliche Verpflichtung und trat damit als Gesamtschuldnerin neben die Beklagte Nach Art. 8 Abs. b der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive i. d. F. von 1974 (ERG), die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen den Banken sind, hat die das Akkreditiv bestätigende Bank nur dann einen Anspruch gegen die erste Bank, ihr die an den Akkreditivbegünstigten gezahlte Akkreditivsumme zu erstatten, wenn die vom Begünstigten vorgelegten und von ihr aufgenommenen Dokumente den Akkreditivbedingungen voll entsprechen. Diese Voraussetzung fehlte hier; denn aus der Spediteurübernahmebescheinigung, die zu den Akkreditiv-Dokumenten gehörte, ergab sich, dass die Verkäuferin nicht fas Bilbao, was den Akkreditivbedingungen entsprochen hätte, sondern nur ex warehouse Bilbao geliefert und damit der Kläger zusätzliche Frachtkosten verursacht hatte. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass sich die Banken im Akkreditivverkehr streng innerhalb der Grenzen des erteilten formalen und präzisen Auftrags halten müssen, da sie die näheren Vereinbarungen der am Grundgeschäft Beteiligten nicht übersehen und infolgedessen nicht ausschließen können, dass selbst geringfügige Abweichungen von den Weisungen des Auftraggebers diesem beträchtlichen Schaden zufügen können (vgl. BGH, LM vorstehend Nrn. 1, 2, 3 und 7 [= NJW 1971, 558]). Dieser Grundsatz der Dokumentenstrenge steht zwar wie jedes Rechtsprinzip unter der Einschränkung von Treu und Glauben. Hierbei ist aber Zurückhaltung geboten, da die Akkreditivbedingungen anderenfalls ihren Zweck verfehlen. Die Bank darf von den Weisungen ihres Auftraggebers allenfalls abweichen, wenn sie einwandfrei beurteilen kann, dass die Abweichung unerheblich und für den Auftraggeber unschädlich ist (vgl. BGH, LM vorstehend Nrn. 1 und 3; Liesecke, WM 1976, 263f.; Canaris, BankvertragsR, 2. Aufl., Nr. 945). Das Berufungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass davon - angesichts zusätzlicher Frachtkosten von rund 4000 DM - nicht die Rede sein kann. Zu Unrecht hat deshalb die spanische Bank am 8. 7. 1981 der Beklagte angezeigt, ordnungsgemäße Dokumente abgesandt zu haben, und gefordert, ihr die Akkreditivsumme zu erstatten. Insoweit greift auch die Revision das Urteil nicht an.

2. Da die Madrider Bank danach keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr an die Verkäuferin gezahlten Beträge hatte, hat das Berufungsgericht die Überweisung der Beklagte an jene auch nicht als Aufwendung zugunsten der Kläger angesehen, die i. S. des § 670 BGB erforderlich gewesen wäre und die diese ersetzen müsste. Dagegen wendet sich die Revision ohne zureichende Gründe. Zu ihren Gunsten kann zwar für die Revisionsinstanz unterstellt werden, dass im internationalen Verkehr die Erstbank der das Akkreditiv bestätigenden Zweitbank üblicherweise die Valuta binnen zweier Tage überweist, auch wenn die Dokumente bei ihr noch nicht eingetroffen sind und sie daher diese selbst noch nicht prüfen konnte. Von einer solchen Handhabung wird jedenfalls auszugehen sein, wenn der Erstbank die Bonität der Zweit-. bank nicht zweifelhaft ist und diese - wie im vorliegenden Falle - die Ordnungsmäßigkeit der Dokumente ausdrücklich bestätigt hat. Auch unter diesen Umständen ist aber die Erstbank zur Wahrnehmung der Interessen ihres Auftraggebers gehalten, eine solche Überweisung nur unter dem Vorbehalt der Prüfung der Dokumente vorzunehmen; ein solcher Vorbehalt wird regelmäßig ohnehin unter den Banken auch ohne ausdrücklichen Hinweis gelten. Stellt sich dann nach Eingang der Dokumente bei der Zweitbank heraus, dass sie den Akkreditivbedingungen nicht entsprechen, ist die Überweisung unter den Banken ohne weiteres rückgängig zu machen. Die Erstbank kann infolgedessen unter diesen Umständen ihrem Auftraggeber unter dem Gesichtspunkt des § 670 BGB nichts in Rechnung stellen.

Dieses Ergebnis ist unter den besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falles nicht anders. Hier hat die Beklagte die Dokumente nach ihrer Darstellung am 13. 7. 1981 erhalten, sie aber selbst nicht geprüft, sondern an die Kläger weitergereicht. Diese hat sodann den Mangel entdeckt und die Dokumente nicht aufgenommen. Hiervon hat die Beklagte die Madrider Bank erst am 21. 7. 1981 in Kenntnis gesetzt und ihr angezeigt, sie halte die Dokumente zu ihrer Verfügung. Damit hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, gegen Art. 8 lit. d und e ERG 1974 verstoßen, wonach sie die Dokumente innerhalb angemessener Frist hätte prüfen, unverzüglich beanstanden und der Zweitbank hätte mitteilen müssen, dass die Dokumente zu ihrer Verfügung gehalten oder ihr zurückgesandt werden. Es kann zweifelhaft sein, ob die Beklagte wegen dieser Verzögerung, wie das BerGer meint, ohne weiteres die Möglichkeit verloren hat, den Mangel gegenüber der spanischen Bank geltend zu machen. Denn in Art. 8 lit. f ERG ist diese Rechtsfolge nur für den Fall ausgesprochen, dass die Erstbank in solchen Fällen die Dokumente nicht zur Verfügung hält oder nicht zurücksendet. Auf alle Fälle kann aber die Zweitbank wegen der regelwidrigen Verzögerung Schadensersatz verlangen. Solange diese im Hinblick auf die pflichtwidrig verspätete Anzeige der Erstbank die Rückerstattung verweigert, ist das im Verhältnis der Erstbank zu ihrem Auftraggeber ein Grund, den die Erstbank wegen ihrer Regelverletzung zu vertreten hat. Daraus folgt, dass die Beklagte die Kläger mit den von ihr nach Madrid überwiesenen Beträgen nicht belasten durfte.

Die Revision vertritt zu Unrecht die Meinung, die Beklagte habe gar keine eigene Prüfungspflicht gehabt, die Zweitbank habe vielmehr die Dokumente für sie verbindlich geprüft. Das Gegenteil ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut der lit. c bis e des Art. 8 ERG. Dort wird gerade vorausgesetzt, dass die Zweitbank gezahlt hat, obwohl die Dokumente nicht den Akkreditivbedingungen entsprachen, und im einzelnen geregelt, wie die eröffnende Bank sich zu verhalten hat, wenn sie nicht Rechtsnachteile erleiden will. Die Revision nimmt zu Unrecht Zahn (Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 5. Aufl.) für ihre gegenteilige Ansicht in Anspruch. Dort heißt es zwar auf S. 53f., die als Zahlstelle bestimmte zweite Bank sei bevollmächtigt, die Dokumente für die Akkreditivbank verbindlich zu prüfen. Damit ist aber, wie der Hinweis auf lit. e der Allgemeinen Regeln der ERG zeigt, allein die Bindung an die Entscheidung aufgrund des Art. 32 lit. b ERG gemeint, der der Bank, wenn die Handelsrechnung von den Akkreditivbedingungen abweicht, ein Ermessen einräumt, ob sie zahlt oder nicht. In anderen als Ermessensentscheidungen vertritt auch Zahn den Standpunkt, die Akkreditivbank müsse der zweiten Bank die Beanstandungen unverzüglich unter Angabe der Gründe mitteilen und die Dokumente zu ihrer Verfügung halten (S. 81). Unabhängig von den Bestimmungen der ERG war die Prüfungspflicht der Beklagte im übrigen auch aus dem Auftrag herzuleiten, den sie zur Eröffnung des Akkreditivs unter Einschaltung der spanischen Bank übernommen hatte, denn dieser schloss die Wahrnehmung der Interessen der Kläger, die im Zuge der Abwicklung des Akkreditivauftrags berührt werden konnte, nach den Sorgfaltsmaßstäben eines ordentlichen Kaufmanns ein.

Eine vertragliche Vereinbarung, wonach die Beklagte von der Prüfungspflicht entbunden worden sein könnte, hat die Revision nicht schlüssig aufzuzeigen vermocht. Eine solche ergibt sich nicht daraus, dass die Kläger auf Veranlassung der spanischen Verkäuferin vorgeschrieben hatte, die Madrider Bank einzuschalten; denn die Rolle der Beklagte als Akkreditivbank wurde dadurch nicht berührt. Auf die Behauptung der Beklagte, sie habe die Kläger schon bei Übernahme des Auftrags davon unterrichtet, dass die Akkreditivsumme ohne vorherige Dokumentenprüfung der Madrider Bank überwiesen werden müsse, kommt es ebenfalls nicht an; die Kläger konnte auch unter diesen Umständen nicht davon ausgehen, dass sie damit der spanischen Bank ausgeliefert und sich die Beklagte nicht darum kümmern werde, bei Mängeln der Dokumentation diese unverzüglich zu rügen und fristgerecht für die Rückabwicklung der Überweisung zu sorgen. Letzteres wäre für die Beklagte umso leichter gewesen, als die Madrider Bank bei ihr ein Konto unterhielt, das sie jederzeit belasten konnte. Für eine unmittelbare Rechtsbeziehung der Klägerzur Madrider Bank, die die Beklagte möglicherweise von eigenen Prüfungspflichten hätte entbinden können, gibt der Sachvortrag der Parteien nichts her.

3. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt die Kläger nicht treuwidrig, wenn sie sich weigert, der Beklagte die Aufwendungen zu ersetzen, obwohl sie die Ware erhalten und weitergehandelt hat und damit den Kaufpreis zumindest insoweit schuldet, als er ihre Ersatzansprüche übersteigt. Allerdings ist der Revision einzuräumen, dass der Grundsatz der Dokumentenstrenge nicht nur im Verhältnis des Akkreditiv-Begünstigten und der Akkreditivbank, sondern auch in deren Verhältnis zu ihrem Auftraggeber nach Treu und Glauben eingeschränkt sein kann; die für diese Einschränkungen engen Grenzen sind aber für beide Rechtsbeziehungen gleich: stets muss der Zweck der Akkreditivbedingungen erreicht sein, schädliche Folgen für den Auftraggeber auszuschließen, wenn der Bank gestattet sein soll, gegen Aufnahme nicht akkreditivgerechter Dokumente zu zahlen. Das gilt auch dann, wenn die Transportpapiere nicht zu den Akkreditiv-Dokumenten gehören, der Käufer die Ware vielmehr vereinbarungsgemäß schon übernommen und weitergehandelt hat, bevor der Verkäufer die Dokumente der Bank vorlegt. Auch in diesen Fällen will der Käufer den Kaufpreis mittels Akkreditiv und damit um den Preis, mit Einwendungen aus dem Grundgeschäft regelmäßig ausgeschlossen zu sein, nur unter der Voraussetzung zahlen, dass sich Verkäufer und Banken streng an die Akkreditivbedingungen halten und damit jeden Nachteil für ihn ausschließen. Weichen die Dokumente zum Nachteil des Käufers hiervon ab und nimmt die Bank sie trotzdem auf, entspricht es gerade dem vereinbarten formalen Grundsatz der Dokumentenstrenge, und ist deshalb auch nicht treuwidrig, wenn der Verkäufer die Vorteile des Akkreditivs verliert, die Akkreditivsumme insgesamt erstattet und nunmehr den allen Einwendungen des Käufers ausgesetzten Anspruch auf den Kaufpreis geltend machen muss. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Beklagte der Kläger die gesamte Akkreditivsumme und nicht nur einen Teilbetrag in Höhe des bei der Kläger eingetretenen Schadens zu erstatten hat.