Aktien

Gemäß § 252 BGB ist auch der entgangene Gewinn aus Spekulationsgeschäften in Aktien zu ersetzen, zu denen sich der Gläubiger erst während des Verzuges des Schuldners entschlossen hat und die er durchgeführt haben würde, wenn er über den geschuldeten Geldbetrag hätte verfügen können.

Zum Sachverhalt: Die Beklagten GmbH schuldete dem Kläger aus der Übernahme von dessen Geschäftsanteil noch 600000 DM. Sie befand sich seit Februar 1975 in Verzug. Mit Schreiben vom 21. 6. 1976 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wegen niedriger Aktienkurse nach Stückzahl und Art konkret bezeichnete Aktien im Kurswert von zusammen 368350,71 DM kaufen würde, wenn er den von der Beklagten geschuldeten Geldbetrag zur Verfügung hätte. Ferner hatte er die Beklagten - allerdings vergeblich - aufgefordert, ihm die entsprechenden Gelder zur Verfügung zu stellen. Mit Schreiben vom 16. 5. 1977 hatte der Kläger die Beklagten schließlich darauf hinge- wiesen, dass er die Aktien, wenn er sie gekauft hätte, am 11. 5. 1977 wieder - mit Gewinn verkauft hätte. Den entgangenen Gewinn beziffert der Kläger auf 31675,56 DM. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, ob der Kläger den nach seiner Behauptung entgangenen Gewinn aus den angeblich beabsichtigten, aber wegen des Zahlungsverzuges der Beklagten nicht durchgeführten Aktienkäufen und -verkäufen ersetzt verlangen kann.

Das Berufsgericht hat dies verneint. Es hat ausgeführt, die Klage sei nicht schlüssig. Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich nicht, dass die unterbliebene Zahlung des Abfindungsbetrages adäquat ursächlich für den entgangenen Gewinn gewesen sei. Dies könne bei Spekulationsgeschäften der vorliegenden Art nur angenommen werden, wenn die Vorkehrungen dazu schon vor Verzugseintritt in Erwartung des vom Schuldner zu zahlenden Betrages getroffen worden seien. Werde der Entschluss zur Spekulation hingegen erst während des Verzuges gefasst, könnte der fiktive, ohne eigenes Risiko erzielte Gewinn vom Schuldner nicht ersetzt verlangt werden. Andernfalls würde die Schadensersatzverpflichtung des Schuldners willkürlich und unkontrolliert erhöht werden können, ohne dass es möglich wäre, konkret nachzuprüfen, wie der Gläubiger bei rechtzeitiger Zahlung - und nunmehr mit eigenem Risiko - über den Geldbetrag verfügt hätte.

Damit hat das Berufsgericht den Klaganspruch mit einer rechtlichen Begründung abgewiesen, die nicht zutrifft. Gem. § 252 S. 2 BGB gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des BGH ist es Zweck dieser Vorschrift, dem Geschädigten den Beweis zu erleichtern und nicht etwa - wie es beim Berufsgericht anklingt - den Schadensersatzanspruch auf den Gewinn zu beschränken, der im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses - hier also wohl des Verzuges - zu erwarten war. Nach § 252 BGB ist somit auch der entgangene Gewinn aus solchen Geschäften zu ersetzen, zu denen sich der Gläubiger erst während des Verzuges des Schuldners entschlossen hat und die er durchgeführt haben würde, wenn er über den geschuldeten Geldbetrag hätte verfügen können. Der Geschädigte muss lediglich Umstände dartun und beweisen, aus denen sich mit Wahrscheinlichkeit ergibt, dass er Gewinn erzielt hätte, wenn der Schuldner ohne Verzug gezahlt haben würde. Da der Kläger nicht dargetan hat, dass er Vorkehrungen für den Kauf der Wertpapiere mit dem erwarteten Geldbetrag schon getroffen hatte, muss geprüft werden, ob die besonderen Umstände des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinnes, wie ihn der Kläger darlegt, ergeben. Dazu hat der Kläger - über die genaue Angabe der Kauf- und Verkaufsdaten und der einzelnen Wertpapiere hinaus - unter Mitteilung von Einzelheiten vorgetragen, dass er nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage gewesen wäre, einen Geldbetrag in Höhe von ca. 260000 DM in Aktien anzulegen; ferner, dass er seit 1974 ständig einen Betrag in dieser Größenordnung in wechselnden Wertpapieren und in Festgeldern angelegt gehabt habe. Hinzu kommt, dass der Kläger die Beklagten konkret aufgefordert hat, im Hinblick auf die beabsichtigte Anschaffung der Wertpapiere einen entsprechenden Betrag zu bezahlen. Die Prüfung, ob dies alles für die Annahme ausreicht, dass der Kläger den behaupteten Gewinn erzielt hätte, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung und keine Rechtsfrage.

Der Auffassung des Berufsgerichts, dass damit dem Gläubiger eine risiko- lose Spekulation zu Lasten des Schuldners ermöglicht würde, kann nicht gefolgt werden. Dies wäre nur der Fall, wenn es für die Frage, ob ein Gewinn mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre, nur auf die Zeitpunkte des Kaufs und des Verkaufs ankäme und die zwischenzeitliche Kursentwicklung keine Rolle spielte. Dann hätte es der Gläubiger in der Tat in der Hand, ohne Rücksicht auf zwischenzeitliche negative Kursentwicklungen abzuwarten, bis die Kurse steigen und eine gewinnbringende Veräußerung ermöglichen. Das Berufsgericht lässt außer acht, dass bei der Prüfung, ob nach den besonderen Umständen des Falles ein Gewinn mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, auch die zwischenzeitliche Kursentwicklung berücksichtigt werden muss. Wenn sich dabei herausstellt, dass die Aktien etwa wegen starker Kursverluste mit Wahrscheinlichkeit schon vor dem behaupteten Verkaufszeitpunkt verkauft worden wären, kann es auf den späteren Zeitpunkt nicht mehr ankommen. Es muss also auch geprüft werden, wie sich der Kläger bei dem konkreten Kursverlauf verhalten hätte, wenn er auf eigenes Risiko spekuliert hätte.

Nach alldem muss das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufsgericht zurückverwiesen werden, damit dieses unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen den Schadensersatzanspruch des Kläger erneut von Grund auf prüft. Dabei kann auch ein Mitverschulden des Kläger gemäß § 254 BGB in Betracht zu ziehen sein, wenn es ihm zumutbar war, für den Kauf der Wertpapiere Kredit aufzunehmen. In diesem Falle würde aber der Schaden nur bis zur Höhe der Kreditkosten herabgemindert werden.