Alleinvertretung

Einer von zwei gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern, der mit der Gesellschaft einen Vertrag abschließen will, kann den anderen Geschäftsführer wirksam zur Alleinvertretung der Gesellschaft ermächtigen.

Anmerkung: Mit dieser Entscheidung setzt der II. ZS die neuere Rechtsprechung zu § 181 BGB fort, die er mit seinem Urteil BGHZ 56, 97 begonnen und der IV. ZS im Urteil BGHZ 59, 236 = vorstehend Nr. 17 aufgegriffen hat. Wer lediglich die Leitsätze und das durch den jeweiligen Sachverhalt bedingte Ergebnis dieser Entscheidungen betrachtet, könnte den Eindruck gewinnen, der BGH tendiere allgemein zu einer Lockerung des § 181 BGB; denselben Eindruck vermitteln auch manche Äußerungen im Schrifttum. Die Urteilsbegründungen lassen jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass es hier nicht einfach um eine restriktive Auslegung und Anwendung des § 181 BGB geht, sondern darum, gegenüber der früheren Rechtsprechung, vor allem des RG, die es allzu sehr nur auf die - sicherlich mit zu beachtende - formale Seite der Vorschrift abstellte, deren Zweck stärker zur Geltung zu bringen, wo dies notwendig erscheint. Diese teleologische Interpretation kann, je nach dem zu beurteilenden Sachverhalt, sowohl zu einer Einengung als auch zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift führen. So lässt der Senat, wie schon in dem Urteil BGHZ 56, 97 = vorstehend Nr. 15, ganz deutlich seine Bedenken gegen die Rechtsprechung des RG durchblicken, wonach ein am Selbst- kontrahieren verhinderter Vertreter das Verbot des § 181 BGB durch die Bestellung eines Unterbevollmächtigten sollte umgehen können. Diese Rechtsprechung machte in der Tat jenes gesetzliche Verbot für Eingeweihte zu einer Farce.

Bei flüchtiger Betrachtung mag es nahe liegen, diese Bedenken auch auf den Fall zu übertragen, dass einer von zwei gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern, der mit der Gesellschaft kontrahieren will, den anderen gemäß § 125 II 2 R&D zur Alleinvertretung der Gesellschaft ermächtigt. Bei näherem Zusehen verbietet sich dies aber, weil zwischen der Erteilung einer Untervollmacht und der Ermächtigung des anderen Gesamtvertreters zum alleinigen Handeln in Wirklichkeit sowohl begrifflich als auch vor allem unter dem Gesichtspunkt einer am Gesetzeszweck ausgerichteten Anwendung des § 181 BGB wesentliche Unterschiede bestehen.

Ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer besitzt, wenn auch nur zusammen mit einem oder mehreren anderen Gesamtvertretern, eine inhaltlich unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht. Diese erstarkt durch eine Ermächtigung nach § 125 II 2 HGB für einzelne Geschäfte oder eine bestimmte Art von Geschäften zur Alleinvertretungsmacht. In deren Rahmen handelt der Gesamtvertreter ausschließlich als Gesellschaftsorgan und nicht etwa teils als gesetzlicher Vertreter kraft eigner organschaftlicher Stellung, teils in abgeleiteter Vertretungsmacht als Unterbevollmächtigter; organschaftliche Willensbildung und Verantwortung lassen sich weder übertragen noch in der Weise aufteilen, dass jemand in ein und derselben Sache gleichzeitig gesetzliche und gewillkürte Vertretungsmacht ausüben könnte. Wer einem gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer die Alleinvertretung überlässt, wirkt also auch nicht mittelbar in der Weise, dass er einen Unterbevollmächtigten für sich auftreten ließe, bei dem Geschäft mit; er enthält sich vielmehr gerade einer Mitwirkung: Als Geschäftspartner der Gesellschaft vertritt er nur sich selbst und nicht, wie es § 181 BGB erfordert, zugleich die Gesellschaft.

Noch größeres Gewicht als dieser rechtsdogmatischen Begründung kommt aber den folgenden, auf den Zweck des § 181 BGB abstellenden Überlegungen zur: Im Gegensatz zum Unterbevollmächtigten, der typischerweise von Weisungen seines Vollmachtgebers abhängig ist und dessen Vertretungsmacht entsprechend beschränkt werden kann, entscheidet der nach § 125 II 2 HGB ermächtigte Geschäftsführer aufgrund der ihm insoweit eingeräumten Einzelgeschäftsführungsbefugnis selbständig und in alleiniger Verantwortung über den Geschäftsabschluss. Dabei bildet das Interesse der Gesellschaft für ihn die einzige Richtschnur; das Interesse des als Geschäftsgegner beteiligten anderen Gesamtvertreters ist auch nicht mittelbar für seine Entschließungen maßgebend. Ein durch dieselbe Person verkörperter Interessenkonflikt, vor dessen Gefahren § 181 BGB den Geschäftsherrn schützen will, ist also nicht gegeben. Dieser tragende Gesichtspunkt kommt zu kurz, wenn im Schrifttum gegenüber der vorliegenden Entscheidung geltend gemacht wird, der persönlich verhinderte Geschäftsführer wirke eben doch durch die Ermächtigung des anderen mittelbar am Geschäft mit. Dass diese Ermächtigung im strengen Sinne mitursächlich für den Geschäftsabschluss ist - bei einer ad hoc erteilten Ermächtigung deutlicher, als bei einer nur auf die Geschäfts- art bezogenen -, lässt sich gewiss nicht leugnen. Aber maßgebend ist doch wohl, wer die sachliche Entscheidung über den Geschäftsabschluss trifft und zu verantworten hat. Das ist lediglich der ermächtigte Geschäftsführer, den alle Gesellschafter durch ihr Vertrauen zum Geschäftsführer berufen und dadurch in die Lage versetzt haben, unter den Voraussetzungen des § 125 II 2 HGB auch einmal allein zu handeln.

Anders könnte es zu beurteilen sein, wenn mehrere Gesamtvertreter für einen Geschäftsabschluss mit einem von ihnen gemeinsam namens der Gesellschaft einen Dritten ermächtigen oder wenn der nicht persönlich am Geschäft beteiligte Gesamtvertreter zwar allein für die Gesellschaft auftritt, der andere aber dem Geschäft zustimmt und es dadurch erst gemäß § 177 BGB wirksam werden lässt; hier macht nämlich der durch § 181 BGB an einer Mitwirkung auf Seiten der Gesellschaft verhinderte Geschäftsführer tatsächlich von seiner Vertretungsmacht Gebrauch. Bei dieser Unterscheidung geht es nicht nur um juristische Feinheiten, sondern wesentlich darum, ob Entscheidung und Verantwortung allein bei dem persönlich unbeteiligten oder bei beiden Gesamtvertretern liegen.

Wird die Gesellschaft gemäß § 125 II 2 HGB nur durch einen Geschäftsführer vertreten, so ist sicherlich die Gefahr ihrer Schädigung generell größer, als wenn am Geschäft zwei Gesamtvertreter verantwortlich mitwirken oder sämtliche Gesellschafter dem als Kontrahent beteiligten Geschäftsführer Befreiung von § 181 BGB erteilen müssten, was andererseits Rechtsgeschäfte mit einem Geschäftsführer auch dort, wo sie für die Gesellschaft unbedenklich oder sogar nützlich sind, unter Umständen sehr erschweren würde. So können zwei Gesamtvertreter z. B. zum Nachteil der Gesellschaft zusammenwirken, indem sie sich gegenseitig zum Abschluss eines für den anderen vorteilhaften Vertrages ermächtigen. Auch können verwandtschaftliche, freundschaftliche oder geschäftliche Beziehungen oder wirtschaftliche Abhängigkeit eine Rolle spielen. Das ist aber kein für die Frage einer Anwendung des § 181 BGB erhebliches Argument. Der Senat tritt hier erneut einem Missverständnis entgegen, das auch bei einigen Kritikern der Entscheidung BGHZ 56, 97 = vorstehend Nr. 15 anklingt § 181 BGB soll und kann keinen umfassenden Schutz gegen unerlaubte Selbstbegünstigung auf Kosten anderer bieten. So wie das Verbot des Selbstkontrahierens kein wirksames Mittel ist, den Versuch einer Gläubigerbenachteiligung etwa durch vorgetäuschte oder zurückdatierte Verträge zu unterbinden, schützt es auch nicht allgemein gegen ungetreue Vertreter; hierfür gibt es andere Vorschriften. Gewiß, § 181 BGB will den Vertretenen vor einer Schädigung durch den Vertreter bewahren. Aber aus der Vielzahl der in Frage kommenden Gefährdungstatbestände greift die Vorschrift einen ganz bestimmten und eng umgrenzten Sachverhalt heraus: Den Interessenkonflikt einer Vertreters, der zugleich Geschäftsgegner des Vertretenen ist. Nur gegen die hierdurch begründete Gefahr einer Benachteiligung wird der Vertretene geschützt.

Die Entscheidung ist auch für das GmbH-Recht von Bedeutung, wo § 78 IV AktG entsprechend anzuwenden ist. Für das Aktienrecht selbst kann sie dagegen mit Rücksicht auf die nunmehr zwingende Vertretungsregelung des § 112 AktG kaum noch praktisch werden.