Anbahnung von Vertragsverhandlungen

Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten Schuldverhältnis treffen grundsätzlich den Vertretenen. Der Vertreter wird als Verhandlungs- und Abschlussgehilfe im Verantwortungsbereich des Vertretenen tätig; diesem bringt der Verhandlungspartner in erster Linie sein Verhandlungsvertrauen entgegen. Es ist deshalb sachgerecht - und entspricht der ständigen Rechtsprechung -, den Vertretenen als den Geschäftsherrn haften zu lassen, wenn der Vertreter das Vertrauen enttäuscht und vorvertragliche Verhaltenspflichten verletzt. Der erkennende Senat hat allerdings diesen Rechtsgrundsatz im Hinblick auf Publikumskommanditgesellschaften, um die es im vorliegenden Falle geht, in erheblichem Umfange eingeschränkt und ausgesprochen, dass es hier im Regelfalle ausgeschlossen erscheint, den Vertretenen für das Verhalten seines Vertreters haftbar zu machen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es in Fällen dieser Art um Kommanditgesellschaften geht, die von Anfang an auf die Mitgliedschaft rein kapitalistisch beteiligter Gesellschafter angelegt sind und die im Gesellschaftsvertrag gerade auch im Hinblick auf den Beitritt von Gesellschaftern eine für handelsrechtliche Personengesellschaften atypische Ausgestaltung erfahren haben. Das Besondere besteht darin, dass den Kommanditisten eine gesellschaftsvertragliche Regelung vorgegeben ist, nach der sämtliche künftige Beitrittsverhandlungen und -abschlösse ihrem Einfluss - und Verantwortungsbereich völlig entzogen und ausschließlich in den der geschäftsführenden Gesellschafter verlagert worden sind. Da der Kommanditist in einer Massengesellschaft gegenüber dem am Beitritt interessierten Dritten auch namentlich nicht in Erscheinung tritt, hat auch kein Beitrittsinteressent berechtigten Anlass, sein Verhandlungsvertrauen neben der persönlich haftenden Gesellschafterin auch den von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossenen Kommanditisten entgegenzubringen. Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Haftung der Kommanditisten einer Publikums-KG für die Verletzung vorvertraglicher Verhaltenspflichten der persönlich haftenden Gesellschafterin bei Abschluss von Beitrittsverträgen ganz allgemein ausscheidet. Aus der Begründung des Senats ergibt sich vielmehr, dass diesen eine zumindest fahrlässige Falschorientierung des Beitretenden durch die persönlich haftenden Gesellschafterin nach § 278 BGB zuzurechnen ist, wenn die Voraussetzungen für die aus den Besonderheiten der Publikums-KG abgeleiteten einschränkenden Grundsätze nicht gegeben sind. Im vorliegenden Falle ist dies aus folgenden Gründen anzunehmen:

Der Beklagten war der Initiator, Gründer und Gestalter der G-KG und ihrer Komplementär-GmbH. Auf ihn ging die Idee der Errichtung eines Kursanatoriums zurück. Er hat das Gesellschaftsgrundstück erworben und sich bei der Gründung der G-KG und der Komplementär-GmbH mit der Einsetzung seiner Ehefrau als Geschäftsführerin den entscheidenden Einfluss gesichert. In der Folgezeit bemühte er sich um die Finanzierung und nahm Kontakt zu Personen auf, die ihm bei der Verwirklichung seiner Pläne beistehen konnten. Mit vorbereitenden Architektentätigkeiten, mit der Gründung einer Planungsgesellschaft und seiner Beteiligung daran, mit der Erlangung der Baugenehmigung und von Sonderabschreibungen nach dem Zonenrandgesetz leistete er Arbeiten, die für die spätere - wenn auch veränderte - Durchführung des Gesellschaftsobjekts von wesentlicher Bedeutung waren und auf die sich auch die Prospektangaben gründeten. Es ist allerdings richtig, dass, wie die Revision geltend macht, zum Zeitpunkt der Herausgabe der Emissionsprospekte und des Abschlusses der Beitrittsverträge mit den Klägern seine Einflussmöglichkeiten erheblich eingeschränkt waren. Sie waren im Wesentlichen auf die Gruppe Dr. M übergegangen. Diese beherrschte seit Ende April 1971 insbesondere auch die Komplementär-GmbH; die Ehefrau des Beklagten war als Geschäftsführerin am 26. 4. 1971 abgelöst worden. Aber auch jetzt noch waren er und seine Ehefrau die einzigen Kommanditisten mit Anteilen von je 250000 DM; außerdem waren ihm als Mitglied der Planungsgemeinschaft - über den so genannten Konsortialvertrag vom 26. 3. 1971 - und aufgrund des Architektenvertrages vom 26. 3. 1971 noch Einwirkungsmöglichkeiten verblieben.

Aus alledem folgt, dass der Beklagten so weit von der Stellung des reinen Kapitalanlegers, von der der erkennende Senat bei seiner einschränkenden Rechtsprechung ausgegangen ist, entfernt war, dass die Voraussetzungen für ihre Anwendung fehlen. Das gilt umso mehr, als er im Prospekt und im Gesellschaftsvertrag selbst als Gründerkommanditist mit einer Kommanditeinlage von 250000 DM als Partner der künftigen Kommanditisten angeführt und als Mitglied der Planungskommission herausgestellt worden ist, die für die Planung, Errichtung und Inbetriebnahme des Objekts verantwortlich zeichnete. Der Beklagten war damit nicht nur Kapitalanleger wie die aufgrund des Prospekts geworbenen Kommanditisten. Er ragte vielmehr aus der anonymen Masse der Kapitalanleger heraus und trat diesen gegenüber auch namentlich als Garant dafür in Erscheinung, dass die gesellschaftlichen Vorhaben sorgfältig vorbereitet sind und durchgeführt werden. Das schließt es aus, auch hier den allgemeinen Grundsatz des § 278 BGB aufzugeben, wonach grundsätzlich den künftigen Vertragspartner die Verpflichtungen aus dem Rechtsverhältnis treffen, das durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht. Er hat vielmehr ein schuldhaftes Verhalten seines Vertreters bei den Vertragsverhandlungen ebenso zu verantworten wie eigenes Verschulden.

Der Beklagten ist hiernach den Kläger gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn und soweit die beim Abschluss des Beitrittsvertrages mit den Kläger tätig gewordenen Vertreter vorvertragliche Verhaltenspflichten schuldhaft verletzt, insbesondere falsche Vorstellungen über das mit der Übernahme der Kommanditbeteiligungen verbundene Risiko erweckt haben. Das ist hier der Fall.

Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufsgerichts waren die Angaben in dem Werbeprospekt unrichtig und für den Beitritt der Kläger in die G- KG ursächlich. Danach ist davon auszugehen, dass im Gegensatz zu den Prospektangaben die Baugenehmigung nicht für 475, sondern nur für 275 Apartments erteilt und die Finanzierung nicht gesichert war; außerdem war die Verlustzuweisung von 183% nicht erreichbar. Zu der Frage, ob die geschäftsführenden Organe der persönlich haftenden Gesellschafterin, für deren Verhalten diese einstehen muss, die dem Beklagten zuzurechnenden falschen Angaben schuldhaft in den Prospekt aufgenommen hat, hat das Berufsgericht zwar keine konkreten Feststellungen getroffen. Dies folgt jedoch ohne weiteres daraus, dass sie die vom Berufsgericht festgestellte Unrichtigkeiten kannten oder jedenfalls kennen mussten und den Prospekt dennoch herausbrachten und zur Werbung der Kapitalanleger verwandten.

Die Kläger haben Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihnen dadurch entstanden ist, dass sie auf die Prospektangaben vertraut haben. Bei der Berechnung des Schadens ist das Berufsgericht - wenn auch einige Formulierungen missverständlich sein könnten - zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagten den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn die Aufklärungspflicht erfüllt worden wäre. Da sich die Kläger bei Kenntnis der wahren Verhältnisse an der Gesellschaft nicht beteiligt hätten, besteht der Schaden in dem Verlust des eingezahlten Betrages abzüglich des erlangten Gegenwertes. Es kann somit keine Rede davon sein, dass das Berufsgericht, wie die Revision meint, das Erfüllungsinteresse zusprechen wollte.

Auf dieser Grundlage stellt das Berufsgericht den von den Kommanditisten erbrachten Einlagen den Wert des Gesellschaftsunternehmens Kursanatorium gegenüber und kommt zu dem Ergebnis, dass die Kommanditisten eine Vermögenseinbuße von 85,13% der geleisteten Zahlungen erlitten haben. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Gegen den Anspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen greift die Einrede der Verjährung nicht durch. Der erkennende Senat hat in seinem grundlegenden Urteil zur Verjährung bei der bürgerlich- rechtlichen Prospekthaftung ausdrücklich ausgesprochen, dass der kurzen Verjährung nur die Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne unterliegen, deren Grundlage typisiertes Vertrauen ist. Die hier in Frage stehenden, auf Verhandlungsvertrauen beruhenden Ersatzansprüche, die nach der bisherigen Rechtsprechung bei Inanspruchnahme von persönlichem Vertrauen begründet sind, verjähren danach auch dann in 30 Jahren, wenn über den Beitritt unter Verwendung von Prospekten verhandelt worden ist. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der gegenteiligen Auffassung der Revision, die kurze Verjährungsfrist müsse einheitlich für die Fälle der Prospekthaftung im engeren Sinne und der Haftung aus Verhandlungsverschulden bei der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens gelten, kann nicht gefolgt werden. Die Kritik an der Rechtsprechung richtet sich letztlich allein gegen die lückenhafte und unzweckmäßige Verjährungsregelung des Gesetzes. Sie kann aber vor allem deshalb nicht durchgreifen, weil die Prospekthaftung nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats selbständig neben den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Schadensersatzansprüchen - auch neben der Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen - steht und diese demgemäß nicht ausschließt, sondern ergänzt.