Anlageempfehlung ohne Sorgfalt

Zur Haftung des Herausgebers eines periodisch erscheinenden Börsendienstes gegenüber einem Abonnenten, wenn eine Anlageempfehlung ohne die gebotene Sorgfalt erstellt worden ist.

Anmerkung: Das Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH gehört zu den zahlreichen Entscheidungen, die in letzter Zeit zu der Frage der Haftung für schuldhaft unrichtige Anlageberatung ergangen sind. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Abonnent eines regelmäßig erscheinenden Börsendienstes, der nach seiner Werbung - gestützt auf Recherchen eines gut aufeinander eingespielten Teams hochqualifizierter erfahrener Spezialisten - Anlageempfehlungen mit erheblichen Gewinnchancen zu erteilen versprach, entsprechend einer solchen Empfehlung Aktien eines Unternehmens erworben, die sich nach kurzer Zeit als wertlos erwiesen. Der BGH hat - wie schon die Vorinstanz - eine Haftung des Börsendienstes aus positiver Vertragsverletzung auf Ersatz des dem Abonnenten entstandenen Schadens (des unnütz aufgewandten Kaufpreises) bejaht. Dabei würdigt der BGH - anders als bei sogen. Anleitungsbüchern (vgl. dazu BGH, NJW 1973, 843 = LM § 459 BGB Nr. 32 - Nottestamentfall) - die Rechtsbeziehungen zwischen Abonnenten und Börsendienst nicht ausschließlich nach Kaufrecht; vielmehr sieht er in der Pflicht zur sorgfältigen Erteilung der Anlageempfehlung eine eigenständige Beratungspflicht, die in dem Abonnementvertrag als selbständige Verpflichtung neben die auf Lieferung der Zeitungsexemplare gerichtete kaufrechtliche Verpflichtung tritt, demgemäß auch nicht, den Gewährleistungsvorschriften (§§ 459ff. BGB) und damit der besonderen kaufrechtlichen Verjährung (§ 477 BGB) unterliegt. Allein eine solche rechtliche Würdigung wird den Besonderheiten eines derartigen Abonnements gerecht; es kann insoweit keinen rechtlichen Unterschied ausmachen, ob die Börsenempfehlung dem Kunden in einer von diesem regelmäßig abgenommenen Zeitung erteilt oder von ihm auf andere Weise unmittelbar bei dem Empfehlenden abgerufen wird.

Bei der Frage, welche Sorgfaltspflicht der Herausgeber eines solchen Börsendienstes zu wahren hat, verkennt der BGH nicht, dass derartige Anlageempfehlungen einen stark spekulativen Einschlag haben; gerade weil in dem zeitlichen Informationsvorsprung gegenüber anderen Interessenten der Vorteil einer derartigen Empfehlung liegt, können die Ermittlungen naturgemäß nicht so detailliert und sorgfältig sein. Das weiß auch der Abonnent. Keineswegs geht es daher an, dass der Abonnent das Risiko eines wirtschaftlichen Fehlschlags über eine schuldhafte Verletzung des Beratungsvertrages auf den Börsendienst abwälzt. Auf der anderen Seite können die Bezieher eines so angebotenen Börsendienstes aber - bei aller Zurückhaltung gegenüber werbemäßigen Übertreibungen - jedenfalls davon ausgehen, dass die Empfehlungen nicht ohne kritische eigene Prüfung lediglich von einem anderen vergleichbaren Institut übernommen werden und der Redakteur kritiklos auf die Angaben der Leitung des zur Anlage empfohlenen Unternehmens vertraut. So war es aber hier.

Die Frage, ob der Börsendienst auch bei einer nur einfachen Fahrlässigkeit gehaftet hätte und ob diese Haftung, sofern sie nicht bereits nach der Natur des Vertrages von vornherein auf grob fahrlässige Pflichtverletzungen begrenzt war, doch jedenfalls durch den im Impressum enthaltenen formularmäßigen Hinweis Inhalt ohne Gewähr rechtswirksam ausgeschlossen war, stellte sich hier deswegen nicht, weil der Verfasser als leitender Angestellter grob fahrlässig gehandelt hatte und insoweit ohnehin eine formularmäßige Freizeichnung nicht in Betracht kam (BGHZ 20, 164 = LM § 278 BGB Nr. 19 [Ls.]; BGHZ 38, 183 = LM § 276 [Db] BGB Nr. 5; BGH, NJW 1962, 1195 = LM § 242 (Bd) BGB = LM § 276 (Db) Nr. 4). Den Ausführungen des BGH unter 14 der Entscheidungsgründe dürfte aber zu entnehmen sein, dass sich angesichts der Besonderheit derartiger Anlageempfehlungen eine Haftung des Empfehlenden von vornherein auf das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit beschränkt. Auf der anderen Seite erscheint es aber auch zweifelhaft, ob der sonst geltende Grundsatz, dass demjenigen, der eine Empfehlung ungeprüft befolgt, der Einwand des Mitverschuldens nach Treu und Glauben nicht entgegengehalten werden kann (LM § 276 [Hb] BGB Nr. 15), angesichts des Risikos, das mit einer solchen Anlageempfehlung - für ihren Empfänger erkennbar - generell verbunden ist, hier Anwendung findet; der BGH brauchte diese Frage hier deswegen nicht zu entscheiden, weil nur ein verhältnismäßig geringer Teilbetrag eingeklagt war.