Anspruchsverzicht

Ist ein Eigenhändler zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, so hängt ein Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger Beendigung des Eigenhändlervertrags nicht von der Kündigung ab, sondern kann auch bei einer durch den wichtigen Grund veranlassten einverständlichen Vertragsaufhebung bestehen, soweit diese keinen Anspruchsverzicht enthält.

Für die Beurteilung, ob die Kündigung eines Eigenhändlervertrags aus wichtigem Grund innerhalb angemessener Frist erfolgt ist, gibt die Zweiwochenfrist des 626II BGB keinen selbständigen Anhaltspunkt.

Zum Sachverhalt: Die Kläger stellt Fertigkamine her. Die Beklagte zu 1 (künftig: Bekl.), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, betreibt ein Kaminstudio. Zwischen den Parteien bestanden seit Mitte 1975 Geschäftsbeziehungen. Am 13. 7. 1976 schlossen sie einen jeweils nur zum 30. 6. und 31. 12. mit einer Frist von etwa einem halben Jahr kündbaren schriftlichen Vertrag, mit dem die Beklagte zum Vertragshändler für das Programm der Klägereingesetzt wurde. In dem Vertrag verpflichtete sich die Kläger, in Bayern neben der Beklagte und den im Vertragshändlerverzeichnis vom 13. 7. 1976 näher bezeichneten Vertragshändlern keine weiteren Händler mit Fertigkaminen zu beliefern. Die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien fand im Frühjahr 1977 ihr Ende, wobei die näheren Umstände streitig sind. Die Kläger hat den Kaufpreis für Warenlieferungen an die Beklagte gemäß in der Zeit vom 30. 12. 1976 bis 28. 4. 1977 gestellten Rechnungen eingeklagt, über den nach Grund und Höhe (33934,96 DM) kein Streit besteht. Die Kläger hat der Beklagte ferner während des zuvor genannten Zeitraums 1877,32 DM Wechselspesen und insgesamt - soweit noch von Interesse - 1350,63 DM für Werbematerial in Rechnung gestellt. Die Beklagte macht geltend, dass die Kläger auf diese Beträge keinen Anspruch habe. Im Übrigen rechnet sie mit Schadensersatzansprüchen wegen angeblicher Verletzung des Eigenhändlervertrags vom 13. 7. 1976 auf, deren Höhe sie in der Berufungsinstanz auf 64504,96 DM beziffert hat. Wegen des die Klageforderung übersteigenden Betrags haben die Beklagte Widerklage auf Zahlung an die Beklagte zu 1 erhoben (zuletzt in Höhe von 27342,05 DM).

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagte führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Die Revision ist begründet. Zwar ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, dass die Klageforderungen entstanden sind (unten I). Soweit es die mit der Aufrechnung und der Widerklage geltend gemachten Ansprüche aus Verletzung des Vertrags vom 13. 7. 1976 verneint, ist seine Entscheidung aber nicht frei von Rechtsfehlern (unten II).

1. Zwischen den Parteien ist nicht mehr im Streit, dass aus Warenlieferungen die Kläger an die Beklagte 33934,96 DM unbezahlt geblieben sind.

2. Nach Ansicht des Berufungsgerichts schuldet die Beklagte auch den ihr mit Rechnung vom 4. 2./2. 3. 1977 belasteten Betrag von zusammen 1877,32 DM für Diskontspesen und Wechselsteuer zuzüglich Mehrwertsteuer, die auf einen von der Beklagte erfüllungshalber hingegebenen Wechsel über 90000 DM angefallen sind. Gegen die Betragshöhe erhebt die Revision keine Einwendungen. Sie greift allerdings den vom Berufungsgericht eingenommenen Standpunkt als rechtsirrig an, dass es sich um Nebenkosten aus den zugrundeliegenden Kaufverträgen handle, die nach Handelsbrauch vom Käufer und - wie hier - Aussteller des Wechsels zu ersetzen seien. Die Ansicht des Berufungsgerichts entspricht jedoch im Ergebnis dem BGH-Urteil vom 8. 7. 1965 (NJW 1965, 1853 = LM § 364 BGB Nr. 2 = WM 1965, 843), wonach der Schuldner im Zweifel die Diskontspesen zu tragen hat, wenn er dem Gläubiger zur Befriedigung einer fälligen Forderung Akzepte gibt; einer hierauf gerichteten ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es nicht.

3. Das Berufungsgericht bejaht auch den Anspruch der Kläger auf Bezahlung des von ihr gelieferten Werbematerials. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Vielmehr greift auch die Revision nicht substantiiert an, dass die Beklagte vertraglich die kostenlose Lieferung von Werbematerial nur in Höhe von 1% aus 32992,25 DM (= Umsatz in der Zeit von Januar bis April 1977) verlangen konnte. Um diesen Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer darauf (= zusammen 366,21 DM) hat die Kläger aber ihre Ansprüche für die Lieferung von Werbematerial schon gekürzt, die im Übrigen der Höhe nach nicht streitig sind. Eine andere Frage ist es (s. unten II 3), ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes die Bezahlung des Werbematerials verweigern oder mit einer Gegenforderung in Höhe des Klageanspruchs aufrechnen kann, weil sie - wie von ihr behauptet - für das Werbematerial wegen der Auflösung des Vertragsverhältnisses keine Verwendung mehr gehabt hat.

II. Die Beklagte leitet Gegenforderungen in erster Linie daraus her, dass sie das Vertragsverhältnis wegen positiver Forderungsverletzung der Kläger fristlos gekündigt habe und ihr aus der vorzeitigen Beendigung der Geschäftsbeziehung ein Schaden entstanden sei ... Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheiden solche Schadensersatzansprüche schon deshalb aus, weil die Kündigung der Beklagte jedenfalls nicht rechtzeitig gewesen sei. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht bezeichnet die Beklagte als Vertragshändlerin der Kläger Diese rechtliche Qualifizierung wird von der Revision als ihr günstig hingenommen und stimmt auch mit dem Prozessstoff überein. Die Beklagte hat behauptet, dass die Kläger den Eigenhändlervertrag verletzt habe. Mit dem von der Revision insoweit herangezogenen Vortrag, die Kläger habe entgegen Nr. 2.1 des Vertrags vom 13. 7. 1976 drei neue Vertragshändler in das Vertragshändlerverzeichnis aufgenommen, hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt; er ist daher für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen. Die von der Beklagte behauptete Vertragsverletzung kann bei rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung zum Ergebnis führen, dass die Beklagte zur fristlosen Kündigung des Eigenhändlervertrags berechtigt war. Dieser Vertragstyp eigener Art hat eine auf eine längere Zeit berechnete - agenturvertragsähnliche - Interessenverbindung zwischen Lieferant und Händler zum Inhalt, vgl. Senatsurteile vom 21. 10. 1970 (BGHZ 54, 338 [340, 345] = LM vorstehend Nr. 37 = NJW 1971, 29 = JZ 1971, 262 m. Anm. Peter Ulmer) und vom 4. 4. 1979 (BGHZ 74, 136 [139f.] = LM EKG Nr. 2 = NJW 1979, 1783 m. w. Nachw.). Bei Verletzung des Gebietsschutzes, wie ihn die Beklagte behauptet, kann dem Eigenhändler das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags und ein Anspruch auf Ersatz des ihm infolge der vorzeitigen Vertragsbeendigung entstandenen Schadens zustehen.

a) Der Schadensersatzanspruch hängt allerdings nicht davon ab, dass der Eigenhändler von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht. Er kann auch dann begründet sein, wenn die Parteien das Vertragsverhältnis aus Anlass der zur Kündigung berechtigenden Verstöße einverständlich aufgehoben haben. Mit dieser nach dem Prozessstoff naheliegenden Möglichkeit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt: In seiner Darstellung des Ergebnisses der Beweisaufnahme erwähnt es wiederholt, dass die Zeugen auf die einverständliche Beendigung des Vertragsverhältnisses zu sprechen gekommen seien. Offenbar geht es jedoch davon aus, dass in diesem Fall ein Schadensersatzanspruch der Beklagte von vornherein nicht in Betracht komme. Das beruht auf einer Verkennung der Rechtslage. Wie der BGH zu § 89 a HGB schon wiederholt entschieden hat (Urt. vom 23. 1. 1964 - VII ZR 133/62 = LM § 61 HGB Nr. 1, in dem hier interessierenden Teil unvollständig abgedruckt in BB 1964, 283; bestätigt durch BGHZ 44, 271 [274] = LM § 89 a HGB Nr. 7 = NJW 1966, 347), steht die einverständliche Vertragsaufhebung Schadensersatzansprüchen wegen vertragswidrigen Verhaltens nicht entgegen. Das versteht sich auch, denn der Schadensersatzanspruch hat seine Grundlage in dem zur Kündigung berechtigenden Verhalten und nicht in der Form der Vertragsbeendigung, zu der dieses Verhalten Anlass gibt. Etwas anderes ist nur in Erwägung zu ziehen, wenn das Einverständnis des Kündigungsberechtigten mit der Vertragsaufhebung als Erklärung des Verzichts auf Schadensersatzansprüche angesehen werden könnte; dafür gibt hier der Prozessstoff nichts her. Als Rechtsgrundlage für etwaige Schadensersatzansprüche bietet sich § 89 a II HGB an. Der Senat hat schon entschieden, dass diese Vorschrift auf die Folgen der fristlosen Kündigung des Eigenhändlervertrags entsprechend anzuwenden ist (NJW 1967, 825 [826] = LM § 89 a HGB Nr. 8). Für den Fall einer durch den wichtigen Grund veranlassten Vertragsaufhebung kann nach dem zuvor Ausgeführten nichts anderes gelten.

Da das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Tatsachenstoff insoweit nicht unter allen in Frage kommenden rechtlichen Gesichtspunkten geprüft hat, kann seine Ablehnung der in erster Linie zur Aufrechnung gestellten Forderung keinen Bestand haben.

b) Die Ablehnung der Aufrechnung wäre mit der Begründung des angefochtenen Urteils aber auch dann nicht zu halten, wenn die Beklagte - wovon das Berufungsgericht ausgeht - den Vertrag am 9. 5. 1977 gekündigt hat, nachdem ihr die Aufnahme von weiteren Händlern in das Verzeichnis spätestens am 4. 3. 1977 zur Kenntnis gelangt war. Dies könne, so meint das Berufungsgericht, nicht mehr als wirksame Kündigung innerhalb kurzer Frist angesehen werden. Die zeitliche Begrenzung des Kündigungsrechts leitet es aus dem Rechtsgedanken des § 626 II BGB her. Da die Beklagte nicht innerhalb kurzer Frist - wenn auch nicht notwendig innerhalb von zwei Wochen, wie in § 626 BGB bestimmt - gekündigt habe, sei eben die behauptete Vertragsverletzung nicht so schwerwiegend, dass der Beklagte eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr hätte zugemutet werden können; somit fehle es an einem wichtigen Kündigungsgrund. Zwar ist anerkannt, dass das Recht zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund nur innerhalb angemessener Zeit ausgeübt werden kann, nachdem der Berechtigte von den Kündigungstatsachen Kenntnis erlangt hat (vgl. Senat, WM 1967, 515 [517 unter IV a. E.1 zur Kündigung nach § 542 BGB; s. speziell zum Vertragshändlervertrag auch Stumpf, Der Vertragshändlervertrag, 2. Aufl., Rdnr. 113). Mit der Orientierung an der Zweiwochenfrist des § 626 11 BGB hat das Berufungsgericht seine Prüfung, ob die Kündigung innerhalb angemessener Zeit erklärt worden ist, unzulässig verkürzt, mag es die Frist auch nicht unmittelbar zugrundelegen. § 626 11 BGB enthält nach ganz einhelliger Ansicht eine Ausschlussfrist, die klare zeitliche Grenzen zieht und von der Angemessenheit oder Unangemessenheit im Einzelfall nicht abhängig ist. Damit scheidet jedoch andererseits für die Angemessenheitsprüfung die rechtlich nachvollziehbare Anknüpfung an die vom Gesetzgeber durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. 8. 1969 (BGBl I, 1106) strikt festgesetzte Zweiwochenfrist aus, zumal in vergleichbaren Vorschriften (etwa §§ 542, 723 BGB, insbesondere aber auch § 89a HGB) eine Ausschlussfrist für die Kündigung aus wichtigem Grund nicht enthalten ist. § 626 II BGB gibt mit seiner festen Fristenregelung keinen allgemeinen Rechtsgedanken wieder, wie auch daraus erhellt, dass nach herrschender Meinung die Vorschrift auf die außerordentliche Kündigung des Handelsvertreter-Vertrags gemäß § 89a HGB nicht anzuwenden ist (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 41. Aufl., § 626 Anm. 1 b; Schwerdtner, in: MünchKomm, § 626 Rdnrn. 10, 11 m. w. Nachw., der allerdings die Anwendbarkeit für Ein-Firmenvertreter und kleine Handelsvertreter bejaht). Für den im Grundsatz wirtschaftlich noch unabhängiger gestellten Eigenhändler passt jedenfalls eine entsprechende Anwendung der Zweiwochenfrist oder auch nur eine enge Orientierung an ihr nicht; ihm muss eine seiner eigenständigen kaufmännischen Tätigkeit entsprechende Überlegungsfrist zur Abwägung der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kündigung verbleiben, die auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sozialen Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners eine klare Begrenzung erfordert. Vielmehr ist unter Würdigung aller Umstände - zu denen als eine Komponente die mit der Zweiwochenfrist verbundene Gerechtigkeitsvorstellung gehören kann - geprüft werden, ob die Kündigung im Hinblick auf den Zeitablauf nach Treu und Glauben noch zulässig war; das hat das Berufungsgericht unterlassen. Bei einem Zeitablauf von zwei Monaten seit Kenntniserlangung spricht nach Sachlage auch keine Vermutung dafür, dass der behauptete Kündigungsgrund nicht so schwer wiege, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Beklagte unzumutbar zu machen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Gesellschaftsrecht Ulmer, in: MünchKomm, § 723 Rdnr. 30 m. w. Nachw.).

2. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es ohne den - wie zuvor dargelegt - rechtsfehlerhaften Rückgriff auf die in § 626 II BGB geregelte Zweiwochenfrist prüft, ob der Eigenhändlervertrag wegen Vertragsverletzungen der Kläger beendet worden ist, die die Beklagte zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigten. Eine abschließende Entscheidung durch das Berufungsgericht ist auch nicht hinsichtlich einzelner Positionen des von der Beklagte auf die vorzeitige Vertragsbeendigung zurückgeführten Schadens möglich.