Anteile einer GmbH

Werden sämtliche Anteile einer GmbH veräußert, so beurteilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Haftung des Verkäufers für Mängel eines von der GmbH betriebenen Unternehmens nach den - entsprechend anzuwendenden - Vorschriften der §§ 459ff. BGB. Dasselbe gilt, wenn zwar nicht alle Geschäftsanteile übertragen werden, der verbleibende Rest aber so geringfügig ist, dass dennoch das Unternehmen im ganzen als verkauft angesehen werden kann.

Werden dagegen nur Anteile bis zur Hälfte des Stammkapitals veräußert und hat der Erwerber aus diesem Grunde und aufgrund der Regelung, im Gesellschaftsvertrag nicht eine die GmbH beherrschende Stellung, so handelt es sich um einen Rechtskauf, auf den die §§ 459ff. GmbH auch nicht entsprechend anzuwenden sind.

Die bisher ausdrücklich offen gelassene Frage nach der Grenze, jenseits deren der Anteilskauf wie ein Unternehmenskauf behandelt wird, braucht auch im vorliegenden Fall nicht abschließend beantwortet zu werden. Der von der Kläger erworbene Anteil von 60% des Stammkapitals reicht jedenfalls nicht aus, ihr eine Stellung wie beim Erwerb des Unternehmens selbst zu verschaffen und damit die Anwendung der §§ 459ff. BGB zu rechtfertigen.

Der Revision ist zuzugeben, dass die Festlegung des Kaufpreises auf den Nominalwert der Anteile hier keinen Hinweis darauf ergibt, ob dieser Preis am Wert des Unternehmens ausgerichtet ist. Denn es fehlt an jeder Feststellung darüber, welchen Wert das Unternehmen zur Zeit der Anteilsübertragung hatte.

Entscheidend ist jedoch, dass die Kläger nicht einmal über die für satzungsändernde Beschlüsse erforderliche Dreiviertelmehrheit verfügt. Damit fehlt ihr jedenfalls die für eine Unternehmensleitung wesentliche Befugnis zwecks Anpassung an neue wirtschaftliche Anforderungen den Gegenstand des Unternehmens zu ändern. Selbst wenn man also die Erlangung der unternehmerischen Leitungs- und Verfügungsbefugnis für ausreichend hält, den Anteilserwerb mit dem Unternehmenskauf gleichzusetzen, fehlt es an einer dafür wesentlichen Voraussetzung. Denn von einer unternehmerischen Beherrschung kann jedenfalls dann noch keine Rede sein, wenn dem Erwerber die Entscheidungsgewalt über den Gegenstand des Unternehmens fehlt. Schon aus diesem Grunde kann der in der Literatur vertretenen Meinung nicht zugestimmt werden, demzufolge auch ein einfacher Mehrheitserwerb von Anteilen ausreichen soll, selbst wenn er von einem auf den Unternehmenserwerb gerichteten übereinstimmenden Willen der Vertragspartner getragen wird. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass - wie hier - der Mehrheitserwerber mit seiner Stimmenmehrheit den Geschäftsführer allein auswählen kann und damit praktisch die laufende Geschäftsführung maßgeblich beeinflusst.

Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Verneinung eines Anspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss.

Nach Auffassung des Berufsgerichts scheidet ein solcher Anspruch schon deshalb aus, weil die Kläger nicht die Rückabwicklung des Anteilserwerbs geltend mache, sondern die Geschäftsanteile behalten wolle und Ersatz für angeblich erlittenen Schaden verlange. Da ihr Sachvortrag nichts dafür hergebe, dass ohne das dem Beklagten zum Vorwurf gemachte Verschulden ein für sie günstigerer Vertrag abgeschlossen wäre, könne bei der Schadensberechnung nicht auf einen imaginären Vertrag abgestellt werden. Soweit nach der neueren Rechtsprechung bei einem Unternehmenskauf auch ohne: Beweis auf einen Vertrag mit günstigerem Inhalt geschlossen werden könne, seien diese Grundsätze hier nicht anwendbar, weil es sich nicht um einen Unternehmenskauf handele und es an jeder Grundlage für die Feststellung fehle, dass der Vertrag nicht rückabgewickelt werden könne.

Diese Erwägungen halten der Nachprüfung nicht stand.

Für die Revisionsinstanz ist zu unterstellen, dass der Beklagten die Kläger über den Umfang der Verbindlichkeiten der GmbH täuschte, indem er die Bilanz als ausgeglichen bezeichnete und darin nicht aufgeführte weitere Schulden in Höhe von 81000 DM verschwieg. In einem solchen Verhalten läge - wie auch das Berufsgericht und der Beklagten nicht bezweifeln - eine schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten mit der Folge eines Anspruchs der Kläger auf Ersatz des ihr dadurch entstandenen Vertrauensschadens.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist in einem solchen Fall weder davon abhängig, dass sich der Geschädigte vom Vertrage löst, noch davon, dass er den Abschluss eines für ihn günstigeren Vertrages für den Fall pflichtgemäßen Verhaltens des Schädigers beweist. Wäre der Vertrag ohne das schuldhaft schädigende Verhalten überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem später vereinbarten Inhalt zustande gekommen, so steht es dem Getäuschten nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats frei, ob er sich vom Vertrag lösen oder daran festhalten und seinen durch die Täuschung veranlassten Mehraufwand als Schaden berechnen will.

Diese Grundsätze gelten entgegen der Auffassung des Berufsgericht nicht nur für den Unternehmenskauf. Ein sachlicher Grund, den Erwerber von Geschäftsanteilen hinsichtlich seines Wahlrechts bei der Schadensberechnung anders zu behandeln als den Unternehmenskäufer, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen betraf auch die oben zitierte grundlegende Entscheidung keinen Unternehmenskauf, sondern den Erwerb von 46% der Kommanditanteile einer GmbH & Co. KG und eines gleichen Anteils an deren Komplementär-GmbH.

Das Recht, Schadensersatz trotz Festhaltens am Vertrag zu fordern, hängt ferner nicht davon ab, ob die Rückabwicklung unmöglich ist. Diesen Gesichtspunkt hat der Senat nur beispielhaft als mögliches Motiv des Erwerbers genannt, den Vertrag aufrechtzuerhalten. Grundsätzlich steht ihm insoweit aber die freie Entschließung zu, so etwa aus wirtschaftlichen Überlegungen.

Das Berufsgericht hat keine Feststellung darüber getroffen, ob der Vertrag bei pflichtgemäßem Verhalten nicht oder mit anderem Inhalt zustande gekommen wäre. Da es insoweit keiner weiteren Aufklärung bedarf, kann der Senat das selbst nachholen. Unstreitig hatte der Beklagten bei den Verhandlungen die Passivposten der Bilanz mit etwa 78000 DM beziffert. Hätte er offenbart, dass darüber hinaus weitere 81000 DM ungedeckte Schulden bestanden, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Kläger den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Irgendwelche Anhaltspunkte für die Annahme, die Kläger habe ein Interesse am Erwerb von Anteilen auch einer so hoch überschuldeten GmbH gehabt, sind von keiner Partei vorgetragen. Unter diesen Umständen kommt es daher entgegen der Auffassung des Berufsgerichts nicht darauf an, dass die Kläger nichts Ausdrückliches darüber vorgetragen hat, ob sie bei wahrheitsgemäßer Unterrichtung einen günstigeren Vertrag erreicht hätte. Soweit hierin eine Abweichung von dem im Berufungsurteil zitierten Senatsurteil vom 15. 1. 1969 liegen sollte, wird an dieser Entscheidung nicht festgehalten.

Ist danach der durch die unrichtige Angaben des Beklagten verursachte Schaden zu ersetzen, so berechnet sich der Anspruch der Kläger nach den Aufwendungen, die sie im enttäuschten Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben geleistet hat.

Hierzu gehören nicht die Zahlungen, die die Kläger angeblich in Höhe von 81 000 DM auf die ihr nach Vertragsabschluss bekannt gewordenen Schulden geleistet hat. Diese Aufwendungen beruhen nicht ursächlich auf dem Verhalten des Beklagten, weil die Kläger bei der Zahlung die Unrichtigkeit der Bilanzangaben bereits kannte, mithin nicht im Vertrauen auf deren Richtigkeit geleistet hat. Als Gesellschafter einer GmbH war sie zur Erfüllung der Gesellschaftsschulden auch nicht verpflichtet, so dass die - freiwillige - Zahlung auch nicht etwa als notwendige Folge vom Beklagten verschuldeter Aufwendungen gewertet werden kann.

Als Schadensersatz kommt vielmehr nur der Betrag in Betracht, um den die Kläger im Vertrauen auf die Richtigkeit der Bilanzangaben den Geschäftsanteil zu teuer gekauft hat. Dieser Betrag ist unter Berücksichtigung aller für den Anteilserwerb maßgeblichen Umstände - wie z. B. des wirtschaftlichen Interesses der Kläger an möglicherweise in der Zukunft zu erwartendem Gewinn - zu ermitteln und notfalls nach § 287 ZPO zu schätzen. Ober die Höhe des für den Geschäftsanteil gezahlten Entgelts hinaus - gegebenenfalls zuzüglich etwaiger Nebenkosten - kann jedoch kein Schaden erwachsen sein, der vom Beklagten unter dem Gesichtspunkt der so genannten culpa in contrahendo zu ersetzen wäre.

Eine eigene Sachentscheidung war dem Senat nicht möglich. Abgesehen von den noch fehlenden Feststellungen zur Schadenshöhe stehen auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nicht fest. Insbesondere hat das Berufsgericht - von seinem Standpunkt aus mit Recht - bisher nicht geklärt, ob weitere Schulden der GmbH bestanden, ob der Beklagten dies wusste oder hätte wissen müssen, ob die Kläger etwaige Schulden der GmbH bezahlt hat und ob der Beklagten noch mit dem Anspruch auf das vereinbarte Entgelt für den Geschäftsanteil aufrechnen kann.