Arbeitnehmerüberlassungsvertrag

Zur Pflicht des Verleihers im Rahmen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages, den zu überlassenden Arbeitnehmer auch auf seine charakterliche Eignung zu überprüfen.

2.. Der Verleiher kann dem Entleiher gegenüber aufgrund des Überlassungsvertrages verpflichtet sein, einen Arbeitnehmer zur Vorlage eines Führungszeugnisses zu veranlassen, wenn ei ihn als Buchhalter vermitteln will.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das bei ihr angestellte Mitarbeiter anderen Unternehmen gegen Vergütung als Zeitpersonal überlässt. Auf Anforderung des Klägers entsandte sie für die Zeit vom 5. 3. bis 30. 6. 1971 F als Buchhalter in deren Betrieb. Die Beklagte hatte F seit dem 15. 10. 1970 angestellt. Er war, was sie nicht wusste, mehrfach wegen Unterschlagung, Untreue und Betrugs bestraft.

Die Kläger setzte F als Lohn- und Gehaltsbuchhalter ein. Bankvollmacht besaß er nicht. In der Folgezeit ließ er in vier Fällen Verrechnungsschecks, die auf Angestellte der Kläger zahlbar gestellt waren, mittels gefälschter Indossamente zugunsten des Bankkontos einer Bekannten einlösen. In zwei Fällen gelang es ihm, ,Sarnmelüberweisungsaufträgen auf den Namen dieser Bekannten ausgefüllte Überweisungsaufträge einzufügen und unter Belastung der Kläger ausführen zu lassen. In einem Fall unterschlug er eine kleinere Summe aus einem Betrag, der ihm zur Auszahlung von Vorschüssen und Löhnen in bar ausgehändigt worden war.

Die Kläger hat den ihr hierdurch insgesamt entzogenen Betrag auf 12533,41 DM beziffert. Sie hat die Beklagte auf Ersatz dieses Betrages sowie von Aufwendungen in Höhe weiterer 4394,24 DM für zur Schadensfeststellung vorgenommene Überprüfung ihrer Buchführung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat ihr auf Anschlussberufung der Kläger dem Grunde nach in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagte hat es zurückgewiesen. Die zugelassene Revision der Beklagte hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hält die Beklagte dem Grunde nach zum Ersatz des auf die Veruntreuungen von F zurückzuführenden Schadens der Klägerfür verpflichtet, weil die Beklagte ihre Pflichten aus dem Arbeitnehmer- überlassungsvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hätte die Beklagte von F vor Entsendung an die Kläger ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen müssen. Dass dann die Vorstrafen aufgedeckt worden wären und die Kläger den Schaden nicht erlitten haben würde, ist zwischen den Parteien außer Streit.

Das Berufungsgericht führt im wesentlichen aus: Aufgrund des mit der Kläger abgeschlossenen Vertrages sei die Beklagte verpflichtet gewesen, einen für Buchhaltungsarbeiten nicht nur fachlich, sondern auch charakterlich geeigneten Arbeitnehmer zu entsenden. Dass F diesen Anforderungen nicht entsprochen habe, habe die Beklagte rechtzeitig erkennen können, wenn sie ihn zur Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses veranlasst hätte. Dazu sei sie der Klägergegenüber vertraglich verpflichtet gewesen, weil andere Mittel zur Überprüfung der charakterlichen Eignung des F für die vorgesehene Tätigkeit gefehlt hätten und, ihr solche Sorgfalt auch habe zugemutet werden können. Wegen dieses Versäumnisses bei der Auswahl des F habe die Beklagte für den Schaden einzustehen. Ein mitwirkendes Verschulden der Kläger sei nicht festzustellen.

II. Im Ergebnis bleibt die Revision mit ihren Angriffen gegen diese Ausführungen ohne Erfolg.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte für den von F angerichteten Schaden nur bei einem (eigenen) Auswahlverschulden, nicht jedoch für das (fremde) Verschulden des F einzustehen hat, da F nicht als ihr Erfüllungsgehilfe tätig, geworden ist. Es entspricht dem typischen Zuschnitt solcher Arbeitnehmerüberlassungsverträge, dass die verleihende Firma mit der Entsendung von Aushilfskräften nicht auch die Aufgaben übernimmt, die der entleihende Kunde den vermittelten Arbeitskräften übertragen will (vgl. dazu Senatsurteile vom 14. 7. 1970 - VI ZR 203/68 = VersR 1970, 934; vom 9. 3. 1971 -VI ZR 138/69 = NJW 1971, 1129 = vorstehend Nr. 32, jeweils in. w. Nachw.; Becker, AUG, Art. 1 § 12 Rdnr. 43, 44; Fran ßen-Haegen, AUE, Art. 1 § 12 Rdnr. 23; Schubel-Engelbrecht, AUG, Art. 1 § 12 Rdnr. 4). Nach der Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht haben auch im Streitfall die Parteien nichts Abweichendes vereinbart. Auch die Revision zweifelt das nicht an.

2. Ebenfalls ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht in möglicher Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages an, dass die Beklagte Auswahl und Gestellung einer als Buchhalter geeigneten Arbeitskraft schuldete und dass sie mit der Entsendung des F ihrer Vertragspflicht nicht nachgekommen ist, weil diesem die erforderliche charakterliche Eignung für die vorgesehene Tätigkeit fehlte (§§ 611, 276 BGB).

a) Die Revision meint zu Unrecht, die Beklagte habe nur auf die fachliche, nicht auch auf die charakterliche Eignung des F zu achten brauchen, da eine besonders zuverlässige und vertrauenswürdige Arbeitskraft von der Kläger nicht angefordert worden sei. Ob F in eine Vertrauensstellung berufen war und ob die Beklagte, die sich auf die Gestellung von Aushilfskräften eingerichtet hatte, mit einem solchen Vertrauensposten rechnen musste, ist nicht entscheidend. Ebenso wenig braucht der Frage nachgegangen zu werden, in welchem Umfang sie die von ihr entsandten Arbeitskräfte allgemein auf ein straffreies Vorleben zu überprüfen hatte. Jedenfalls oblag ihr hier solche Prüfungspflicht, damit nicht als Buchhalter vermittelt wurde, wer wie F bereits wiederholt und bis in die jüngste Zeit hinein wegen Untreue, Betruges und Unterschlagung bestraft worden war. Zutreffend hebt das Berufungsgericht hervor, dass es sich insoweit nicht um einen Eignungstest handelte, wie ihn die Revision für einen besonderen Vertrauensposten vorbehalten möchte, sondern um Mindestvorkehrungen zur Begegnung typischer Gefahren, die der Einsatz eines derart gefährdeten Menschen gerade auf einem solchen Arbeitsplatz heraufbeschwor.

Dass die dem F übertragenen Arbeiten einen besonders gewissenhaften, charakterlich gefestigten Menschen verlangen, setzt solche Überprüfung nicht voraus. Maßgebend ist vielmehr, dass jemand, der dieser Art von Vermögensdelikten zuneigt, auf dem Arbeitsplatz eines Buchhalters wegen der damit eröffneten Möglichkeiten, auf fremdes Vermögen einzuwirken, besonderer Versuchung ausgesetzt ist; dies insbesondere dann, wenn er annehmen kann, dass man von solchen Neigungen nichts weiß und er deshalb keiner zusätzlichen Kontrolle unterworfen ist. Dazu braucht er, worauf die Kläger zu Recht hingewiesen hat, nicht unmittelbaren Zugang zur Kasse haben; die ihm aufgetragene Beschäftigung mit den Geldangelegenheiten des Betriebes gibt ihm bei seinen Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen hinreichende Gelegenheit, auf den Zahlungsverkehr zu seinen Gunsten und zum Schaden des Betriebes einzuwirken. Solche typischen Gefahren haben sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im vorliegenden Fall verwirklicht. Ob in solchen Fällen die fachliche von der charakterlichen Eignung für die Tätigkeit überhaupt sinnvoll unterschieden werden kann, wie es die Revision möchte, kann auf sich beruhen. Es würde jedenfalls der auf den Nutzen für den Betrieb allgemein sehenden Verkehrsanschauung widersprechen, wenn unter einem ohne Vorbehalt als geeignet empfohlenen Buchhalter auch ein Mann mit dem Vorleben von F verstanden werden müsste.

b) Nach alledem war die Beklagte verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen soweit wie möglich auszuschließen, dass der Kläger ein Mann mit solchen Vorstrafen als Buchhalter zur Verfügung gestellt wurde.

Dass die Beklagte nur die Gestellung einer Aushilfskraft schuldete ist hierauf ohne Einfluss. Das Interesse der Kläger in bezug auf die Eignung des F war deshalb nicht geringer. Zwar war das Risiko, das er für die Kläger darstellte, in gewisser Weise dadurch vermindert, dass er nur begrenzte Zeit hatte, sich mit den Vorgängen im Betrieb vertraut zu machen. Das wurde aber durch den Umstand mehr als aufgewogen, dass durch die Kürze seiner Tätigkeit andererseits nicht nur sein Interesse, sich durch gute Führung den Arbeitsplatz zu erhalten, sondern auch die Chance rechtzeitiger Aufdeckung von Verfehlungen verringert wurde.

Ebenso wenig ergeben Art und Inhalt der von der Beklagte vertragsmäßig übernommenen Aufgabe, dass an sie geringere Anforderungen hinsichtlich der Auswahl des Buchhalters gestellt werden konnten. Im Gegenteil hatte sie, die in ihren Geschäftsbedingungen ihre Stellung als Dienstleistungsunternehmen besonders herausgestellt hatte, nicht den bloßen Nachweis von Arbeitskräften übernommen. Ziel der Arbeitnehmerüberlassung war auch, der Kläger in bezug auf die überlassene Arbeitskraft deren Einstellung und Betreuung durch Personalbüro und Gehaltsabteilung abzunehmen, ein Umstand, den die Beklagte in ihrer Werbung durch Gegenüberstellung ihrer Tarife mit den Aufwendungen für eine von den Kunden selbst eingestellte und betreute Arbeitskraft zusätzlich unterstrich. Deshalb war es nach dem Vertrag ihre Sache, vor Entsendung des F solchen Gefahren vorzubeugen, die der Kläger durch die Einstellung eines Mannes mit den Vorstrafen von F als Buchhalter entstehen konnten. Insoweit lässt sich die Aufgaben- und Pflichtenstellung der Beklagte nicht, wie die Revision offenbar meint, nach Inhalt und Umfang mit der eines Arbeitsamtes vergleichen; der von ihr übernommene Einfluss auf die betrieblichen Interessen der Kläger war ersichtlich umfassender als bei einem bloßen Nachweis von Arbeitssuchenden durch das Arbeitsamt. Zutreffend weist auch das Berufungsgericht darauf hin, dass gerade der von der &k.. betonte rege Wechsel solcher aus dem zweiten Arbeitsmarkt rekrutierten Aushilfskräfte für die Grund zur erhöhten Wachsamkeit und Überprüfung war.

3. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, dass die Beklagte unter den gegebenen Umständen nur dann ihrer Auswahlpflicht ausreichend nachgekommen wäre, wenn sie F zur Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses veranlasst hätte.

Es war eine vornehmliche Aufgabe des, polizeilichen Führungszeugnisses, dem Arbeitgeber Aufklärung über Vorstrafen neu einzustellender Arbeitskräfte zu geben (vgl. Ziff. I Abs. I des RdErl. des RMdI vom 27. 5. 1940 -MBliV. 1039 i. d. F. vom 27. 7. 1942 - MBliV 1593). Auch das heute an seine Stelle getretene Führungszeugnis nach §§ 28ff. BZRG vom 18. 3. 1971 - dieses Gesetz war bei der Einstellung von F noch nicht in Kraft - dient in erster Linie diesem Zweck (Abg. Jahn anläßlich der 3. Lesung in der 87. Sitzung des BT vom 16. 12. 1970 - BT Sten. Ber. VI/4851).

In welchen Fällen die Beklagte im Interesse ihrer Kunden gehalten war, die von ihr vermittelten Aushilfskräfte zur Vorlage eines Führungszeugnisses zu veranlassen, kann nicht allgemein, sondern nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Auf dieser Grundlage ist das Interesse ihres Kunden an der Eignung der Arbeitskraft gegenüber dem Interesse der Beklagte an einer durch Förmlichkeiten nicht unnötig belasteten, zügigen Vermittlung des Arbeitsuchenden abzuwägen; dabei ist von Bedeutung, ob und welche andere Informationsquellen über den Einzustellenden vorhanden sind. Dagegen muss bei solcher Würdigung das vom Berufungsgericht erörterte Interesse des Arbeitsuchenden, seine Resozialisierung durch Preisgabe von Vorstrafen nicht zu erschweren, außer Betracht bleiben; dem war bereits ausreichend Rechnung getragen durch den abgestuften Katalog von Auskunftsbeschränkungen im Straftilgungsgesetz vom 9. 4. 1920 - RGB1507 (vgl. §§ 4 III, 6 I aa0) sowie den dazu ergangenen Erlassen des Reichsministers des Innern vom 27. 5. 1940 - RMB1iV 1039 -, 3. 6. 1940 - RMBIiV 1046 und vom 27. 7. 1942 - R/VLBliV 1593 -, die auch in dem hier maßgebenden Zeitpunkt noch angewendet wurden (vgl. Götz, Bundeszentralregister, 1972, Einl. Rdnr. 20; Hartung, Das Strafregister, 2. Aufl., Anh. VI S. 412; Buchardi-Kemphan, Strafregister, Führungszeugnis und Karteien, 3. Aufl., S. 139; Schernis, Amtliche Führungszeugnisse und Führungslisten, 1962 S. 167).

Wenn das Berufungsgericht im Streitfall insbesondere deshalb, weil andere Möglichkeiten zur Überprüfung der charakterlichen Eignung für die vorgesehene Tätigkeit fehlten, eine Pflicht der Beklagte zu solcher Vorsicht angenommen hat, so lässt das keinen Fehler erkennen. Sicher war die Beklagte nicht verpflichtet, ohne Rücksicht auf verfügbare anderweite Personalunterlagen und die Bedeutung des zu besetzenden Arbeitsplatzes bei jeder Einstellung auf Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses zu dringen. Dazu war diese Einrichtung nicht geschaffen und ist in solchem Umfang von der Privatwirtschaft auch nicht in Anspruch genommen worden. In erster Linie sollte, wie erwähnt, das polizeiliche Führungszeugnis bei der Besetzung von Vertrauensstellungen Hilfe leisten; andererseits war seine Erteilung nicht auf solche Fälle beschränkt. Ob es allgemein üblich ist, bei der Einstellung eines Buchhalters die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses zu verlangen, kann mit dem Berufungsgericht auf sich beruhen. Hier, wo es um die Vertragspflicht der Beklagte zur Gestellung eines geeigneten Buchhalters geht, werden entgegen der Meinung der Revision nicht die Anforderungen an die Beklagte zuzumutende Sorgfalt überspannt, wenn von ihr verlangt wird, nicht ohne solche vorsorgliche Maßnahmen den F der Kläger als Buchhalter zu empfehlen, zumal die Beklagte das Vorleben des F anders nicht verlässlich überprüfen konnte. F hatte nicht einmal Zeugnisse früherer Arbeitgeber vorgelegt, weil er, wie er angegeben haben soll, zuvor selbständig gewesen war. Dass er kurz zuvor bei einem anderen Kunden der Beklagte während einer etwa 4 Monate dauernden Beschäftigung zu Beanstandungen keinen Anlass gegeben hatte, befreite die Beklagte nicht von solcher Vorsicht, schon weil diese Zeit für eine Beurteilung zu kurz war. Ebenso konnte das Berufungsgericht dahingestellt sein lassen, ob das Verlangen nach einem Führungszeugnis in der Branche der Beklagte üblich war, was sie abgestritten hatte; insoweit kommt es nicht auf die tatsächlich geübte, sondern auf die im konkreten Fall erforderliche Sorgfalt an, die das Berufungsgericht hier zutreffend beurteilt hat. Die Tätigkeit der Beklagte wäre durch solche Anforderungen auch nicht unzumutbar belastet worden. Das Führungszeugnis hatte F selbst einzuholen; dafür aber war nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ausreichende Zeit vorhanden. Zudem hebt das Berufungsgericht zu Recht hervor, dass die Interessen der Kläger zu deren Wahrnehmung sich die Beklagte vertraglich verpflichtet hatte, solchen Erschwernissen für die Beklagte vorgingen.

4. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Darlegungen der Beklagte reichten nicht aus, um ein mitwirkendes Verschulden der Kläger festzustellen (wird näher ausgeführt).