Arbeitsunfähigkeit

Grundsätze für die Prüfung, inwieweit die Bezüge des Geschäftsführers einer GmbH als echtes Arbeitsentgelt einem Schadensersatzanspruch zugrunde gelegt werden können.

Zum Sachverhalt: Bei der Abwicklung der Schäden aus einem Verkehrsunfall ist im Streit nur noch die Höhe des Verdienstausfalls, der dem bei dem Unfall verletzten Widerkläger durch seine 53tägige Arbeitsunfähigkeit entstanden ist. Der Widerkläger war und ist einer der beiden Geschäftsführer der K-GmbH, welche ihrerseits Komplementärin der K-GmbH und Co. ist. Er erhielt für seine Tätigkeit ein monatliches Festgehalt von 8000 DM bei 14 Monatsgehältern, ferner eine gewinnabhängige Umsatztantieme, die im Jahre 1972 300000 DM betrug. Der Wiederkläger war infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen vom 11. 10. bis 3. 12. 1972 arbeitsunfähig. Sein Gehalt einschließlich der Tantieme ist ihm trotzdem ungekürzt ausgezahlt worden. Das Landgericht hat dem Wiederkläger lediglich für die Zeit seiner Erwerbsunfähigkeit einen auf der Grundlage von 12 jährlichen Festgehältern errechneten Tagessatz von 266,67 DM zugesprochen. Das Berufsgericht hat alle 14 Monatsgehälter berücksichtigt und kommt damit zu einem Tagessatz von 306 DM. Den Anspruch auf anteiligen Ersatz der Tantieme haben indessen beide Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision des Wiederkläger führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit die Widerklage auf Erstattung der anteiligen Jahrestantieme abgewiesen worden ist.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht führt aus: Hinsichtlich der Tantieme habe der Wiederkläger einen konkreten Schaden nicht dargetan. Ob und in welchem Umfang er während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit ohne den Unfall durch seine Tätigkeit für die GmbH Einkünfte erzielt hätte, stehe nur hinsichtlich des Festgehaltes fest. Die Tantieme dagegen hänge nicht nur von seiner Arbeitsleistung sondern von einer Vielfalt von Faktoren ab. Auch habe unter Umständen der Ausfall seiner Arbeitskraft durch vermehrten Einsatz anderer Mitarbeiter ausgeglichen werden können. Der vorübergehende Ausfall eines Geschäftsführers hindere in der Regel Umsatz und Gewinn nicht. Jedenfalls führe er nicht zu einem Ausfall in genau dem Betrag, der dem zeitanteiligen Gewinnanteil des Geschäftsführers entspreche. Der Wiederkläger habe aber weder vorgetragen, dass seine - ihm tatsächlich ungekürzt ausbezahlte - Tantieme eigentlich geringer gewesen wäre, noch, dass ohne seinen Ausfall eine höhere Tantieme hätte erwartet werden können, weil Umsatz und Gewinn höher gewesen wären. Damit komme es nicht auf die Frage an, inwieweit die trotz seines zeitweisen Ausfalls offenbar uneingeschränkt erfolgte Auszahlung schadenmindernd anzurechnen sei.

Die Entscheidung des Berufsgerichts hat in dem der Revision unterliegenden Punkt, obgleich manches für die Richtigkeit des Ergebnisses sprechen mag, mit der derzeitigen Begründung keinen Bestand. Denn sie hält in rechtlich verfehlter Weise mehrere Gesichtspunkte, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung inzwischen im Wesentlichen geklärt sind, nicht auseinander und versäumt deshalb nach der Sachlage unerlässliche tatsächliche Feststellungen.

Das Berufsgericht geht davon aus, dass der Wiederkläger nach § 842 BGB Ersatz der echten Arbeitsvergütung für seine Geschäftsführertätigkeit für die Zeit seiner konkreten Arbeitsunfähigkeit verlangen kann. Es sieht auch kein Hindernis für den Anspruch in dem Umstand, dass die Bezüge tatsächlich trotz zeitweiser Arbeitsunfähigkeit weiterbezahlt worden sind. All dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des erk. Senats und wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen.

Dem Berufsgericht kann aber nicht gefolgt werden, wenn es meint, der Vergütung eines Geschäftsführers fehle schon deshalb der Charakter eines erforderlichenfalls auf Zeitabschnitte aufteilbaren Arbeitsentgelts, weil es seiner Höhe nach von bestimmten Betriebsergebnissen, Umsatz oder Gewinn abhängig ist. Im vorliegenden Falle handelt es sich offenbar um eine Mischform, deren Natur nicht ersichtlich wird, weil das Berufsgericht dazu ausdrücklich keine Feststellungen getroffen und sich unter Verzicht auf die zunächst vom Wiederkläger in Aussicht gestellte Vorlage des maßgeblichen Vertrags mit der vagen Bekundung des als Zeugen gehörten Steuerberaters begnügt hat, dass es sich um eine gewinnabhängige Umsatztantieme handelte.

Daraus allein läßt sich nicht schon entnehmen, dass insoweit ein konkreter Schaden nicht dargetan sei. Es geht zunächst nur um die Frage, ob dem Wiederkläger i. S. der oben erwähnten Rechtsprechung eine Vergütung für eine tatsächlich unfallbedingt nicht geleistete Tätigkeit nur aus Gründen bezahlt worden ist, die sich nicht als Entlastung des Schädigers auswirken dürfen. Bei dieser Frage spielt es an sich keine Rolle, ob das für die Arbeitsleistung ausbedungene Entgelt einen von vorneherein festgelegten Betrag vorsieht, oder an den endgültigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmers bzw. an solche Zwischenergebnisse geknüpft ist, für die der Entlohnte verantwortlich ist und zu deren Förderung er angespornt werden soll. Solche Modifikationen der Entgeltsbemessung sind im Wirtschaftsleben nicht nur bei für die Leitung des Unternehmens unmittelbar verantwortlichen Geschäftsführern, sondern auch bei leitenden Angestellten, etwa solchen, die, wie unstreitig der Wiederkläger neben dem Einkauf, für den umsatzbestimmenden Verkauf verantwortlich sind, weithin üblich und auch sinnvoll. Wird in einem solchen Fall das flexibel bemessene Entgelt weiterbezahlt, obwohl der Bedienstete die damit abzugeltende Tätigkeit nicht erbracht hat, dann ist an sich kein Grund ersichtlich, die oben erwähnten Rechtsprechungsgrundsätze insoweit nicht anzuwenden. Eine andere Frage, die das Berufsgericht wohl mit der ersten vermengt, ist es, ob der Bedienstete dadurch einen zusätzlichen Schaden erlitten hat, dass das ihm tatsächlich ausbezahlte, erfolgsabhängige Entgelt deshalb geringer ausgefallen ist, weil sich seine zeitweise Untätigkeit auf den Betriebserfolg ungünstig ausgewirkt hat. Dass der Kläger einen solchen zusätzlichen Schaden gar nicht behauptet und deshalb auch nicht begründet hat, ist richtig. Das rechtfertigt aber nicht, die erfolgsabhängige Vergütung bei der Bemessung des trotz teilweiser Arbeitsbehinderung weiterbezahlten, nach den erwähnten Grundsätzen indessen unter Umständen doch zu erstattenden Arbeitsentgelts außer Betracht zu lassen.

Allenfalls könnte sich bei der besonderen Lage des vorliegenden Falles - auch wenn man zunächst davon ausgeht, dass der Wiederkläger nur durch seinen Dienstvertrag mit der Gesellschaft verbunden ist - aus folgenden Erwägungen ein tatsächlicher Anhalt für die Unbeachtlichkeit der Tantieme für die streitgegenständliche Schadensersatzforderung ergeben: Hochqualifizierte Dienstleistungen im Wirtschaftsleben, vor allem soweit sie mit der Strategie eines Unternehmens befasst sind und dementsprechend hinsichtlich ihrer Vergütung das Niveau auch des bei Dienstleistungen gehobener Art üblichen weit übersteigen, pflegen sich wertmäßig einer Umlegung auf bestimmte Arbeitszeitabschnitte weitgehend zu entziehen. Es gibt in diesem Bereich keinen Erfahrungssatz dafür, dass gerade diejenigen Leistungen des Dienstpflichtigen, die eine außerordentliche Entlohnung rechtfertigen, wegen einer zeitlich verhältnismäßig geringfügigen Arbeitsunfähigkeit eine effektive Minderung erfahren. Vielmehr bedarf es insoweit eines Einzelnachweises. Das gilt nicht nur hinsichtlich eines selbständigen Unternehmers. Vielmehr bestimmen ähnliche Erwägungen die Beantwortung der Frage, ob der nur kurzfristige Ausfall eines mit Unternehmeraufgaben betrauten Dienstverpflichteten einen konkreten Verlust für das Unternehmen verursacht hat. Denn auch hier erleiden die durch ein besonderes hohes Entgelt entlohnten Steuerungsfunktionen des Dienstverpflichteten oft entweder gar keine Beeinträchtigung, etwa weil sie bei sonst vorhandener Arbeitsunfähigkeit vorübergehend auch vom Krankenbett aus ausgeübt werden können; oder aber vermag der Betroffene gleich einem selbständigen Unternehmer das zunächst Versäumte weithin nachzuholen. In jedem Falle wird dann das Unternehmen hinsichtlich der ihm geschuldeten Dienstleistung nicht nachhaltig verkürzt. Es leistet also insoweit keine Vergütung für nicht geleistete Dienste; infolgedessen besteht dann kein einsehbarer Grund, den Schädiger nicht zu entlasten, obwohl dem Geschädigten wegen der unveränderten Weiterzahlung seines Arbeitsentgeltes kein Schaden entstanden ist. Im vorliegenden Fall spricht manches dafür, dass die erfolgsunabhängige Entlohnung des Widerkl., die allein schon dem auch in anderen Lebensbereichen für eine herausgehobene Führungskraft Üblichen entsprach, solche Dienstleistungen voll abgegolten hat, die von seiner ständigen Tätigkeit abhängig waren und bei kürzerem Ausfall durch Ersatzkräfte übernommen werden mussten. Dass auch die erfolgsabhängige weitere Tätigkeitsvergütung für den Widerkl., die ein Mehrfaches der festen Vergütung betrug, demnach ohne wirtschaftlichen Gegenwert auch für die Ausfallzeit weiterbezahlt worden ist, wäre dann in der Tat vom Wiederkläger darzulegen gewesen. Indessen vermag das RevGer. insoweit keine neue Entscheidung zu treffen, da das Berufsgericht erforderliche Feststellungen und auch nach der Rechtslage nahe liegende Hinweise an die Parteien versäumt hat.

Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Das Berufsgericht wird bei der anderweiten Verhandlung und Entscheidung vor allem noch folgende, von ihm bisher nicht erkennbar berücksichtigte Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen haben, die die jetzt aufzuhebende Entscheidung gleichwohl rechtfertigen könnten: Ist der Geschäftsführer einer GmbH gleichzeitig Gesellschafter, dann bedarf es hinsichtlich der Frage, ob die ihm vertraglich zugestandene Tätigkeitsvergütung ein echtes Entgelt darstellt, einer besonders strengen Prüfung. Diese Prüfung stellt das Berufsgericht schon deshalb nicht an, weil es über die Gesellschafterstellung des Wiederkläger keine Feststellungen trifft, obwohl die Übereinstimmung seines Familiennamens mit dem in der Firma der beiden Gesellschafter enthaltenen Eigennamen eine solche Vermutung geradezu aufdrängt, und der Wiederkläger selbst auch nie etwas Gegenteiliges behauptet hat. Sollte der Wiederkläger gleichzeitig Gesellschafter sein, oder sich wenigstens zu den Gesellschaften in einer gesellschafterähnlichen Stellung befinden, dann bedarf die Frage, ob es sich bei seiner Tätigkeitsvergütung einer besonderen Prüfung dahin, ob sich diese nicht nur dem Namen nach, sondern auch wirtschaftlich als echtes Arbeitsentgelt darstellt. Zwar ist es unter dem Gesichtspunkt des § 842 i. V. mit § 252 BGB grundsätzlich ohne Bedeutung, ob ein unfallbedingt entgangener Erwerb ein angemessenes Entgelt darstellte oder ob auf ihn überhaupt ein Rechtsanspruch bestand. Indessen kann der Umstand, dass die angebliche Tätigkeitsvergütung gemessen an der damit zu entlohnenden Arbeitsleistung überhöht erscheint, ein Beweisanzeichen dafür bieten, dass der Zahlung andere wirtschaftliche Beweggründe zugrunde liegen. Bei Tätigkeitsvergütungen an Personen, die gleichzeitig Gesellschafter der Arbeitgeberin sind, gilt es vor allem auszuschließen, dass die als Tätigkeitsvergütung bezeichneten Leistungen tatsächlich eine Ausschüttung bzw. Entnahme verdecken, wofür sich vor allem bei Kapitalgesellschaften steuerliche Motive anbieten. Inwieweit dies der Fall ist, muss vom Tatrichter beurteilt werden. Das RevGer. ist hier an einer eigenen Schätzung schon dadurch gehindert, weil das Berufsgericht schon zur Frage der Gesellschaftsbeteiligung des Klägers keine Feststellungen trifft. Sollte sie gegeben sein, dann mag es nicht ferne liegen, dass die durch zwei Zusatzgehälter erhöhte Festvergütung des Klägers bei der Vertragsgestaltung als das steuerlich mutmaßlich noch Anerkennbare gewählt worden war. Allerdings ist die steuerliche Anerkennung solcher Tätigkeitsvergütungen, schon weil sie teilweise anderen Beweisgrundsätzen folgt, für den Schadensersatzprozess nicht unmittelbar verbindlich. Das hindert aber nicht, dass sie vielfach - und möglicherweise auch im vorliegenden Fall - wertvolle Anhalte bieten kann.