Armenrechtsprüfungsverfahren

Zum Sachverhalt: Der Kläger, ein Kaufmann, verlangt von dem Beklagten Land aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung Schadensersatz mit der Begründung, am 7. 8. 1970 sei zu Unrecht ein Konkursverfahren gegen ihn eröffnet worden. Am 14. 6. 1973 hat der Kläger beim Landgericht um das Armenrecht nachgesucht für eine Schadensersatzklage in Höhe von 500000 DM sowie eine Feststellungsklage hinsichtlich des Zukunftsschadens. Das Landgericht hat das Armenrecht verweigert. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Kläger durch Beschluss vom 9. 8. 1974, zugestellt am 5. 11. 1974, zurückgewiesen. Im Armenrechtsprüfungsverfahren hat das bek1. Land auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet, zunächst am 16. 7. 1973 bis Ende 1973 und im November 1973 bis einen Monat nach Abschluss des Armenrechtsprüfungsverfahrens. Am 10. 12. 1974 hat das Land die Einrede der Verjährung erhoben. Den jetzigen Rechtsstreit hat der Kläger mit dem am 23. 11. 1974 eingereichten Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls über 500000 DM eingeleitet. Auf die am 28. 11. 1974 an ihn abgesandte Vorschussanforderung hat er am 18. 12. 1974 den Vorschuss per Scheck eingezahlt. Nach Gutschrift am 23. 12. 1974 hat das AG am 27. 12. 1974 den Zahlungsbefehl erlassen, der dem Beklagten Land am 3. 1. 1975 zugestellt worden ist. Nach Widerspruch des Beklagten hat die AG den Kläger durch eine am 17. 1. 1975 abgesandte Verfügung zur Einzahlung des weiteren Vorschusses aufgefordert. Am 23. 11. 1977 hat der Kläger diese Zahlung geleistet. Daraufhin hat sich das AG durch Beschluss vom 2. 12. 1977 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Landgericht verwiesen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hat etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers als verjährt angesehen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufsgericht, die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB habe spätestens im Herbst 1970 zu laufen begonnen. Dagegen unterliegt die - nicht näher begründete - Annahme des Berufsgerichts, das im Juni 1973 eingereichte Armenrechtsgesuch des Klägers habe eine Hemmung der Verjährung nicht bewirken können, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann nach § 203 II BGB eine Hemmung der Verjährung durch höhere Gewalt eintreten, wenn der Berechtigte ein Armenrechtsgesuch stellt, über welches das Gericht erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entscheidet. Voraussetzung hierfür ist, dass der Ast. das Gesuch sachgemäß begründet und alle ihm zur Erlangung des Armenrechts zu Gebote stehenden Mittel erschöpft hat, wozu grundsätzlich auch die Einlegung statthafter Rechtsmittel, sowie die Erfüllung gerichtlicher Auflagen gehören. Dass der Ast. und jetzige Kläger diese Bedingungen nicht erfüllt hätte, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat die Nichterfüllung der gerichtlichen Auflage vom 13. 7. 1973 das Verfahren nicht verzögert.

Der Eintritt der Hemmungswirkung hängt nicht davon ab, dass das Gericht noch vor Ablauf der Verjährungsfrist über das Armenrechtsgesuch hätte entscheiden können. Der BGH hat unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Ablauf der Verjährung auch dann gehemmt wird, wenn die arme Partei ein ordnungsgemäßes Gesuch innerhalb der Verjährungsfrist, auch noch am letzten Tage der Frist, einreicht, die Entscheidung aber nicht mehr innerhalb der Frist ergehen kann. Hiernach hat im Streitfall die Hemmung vor Ablauf der Verjährungsfrist, nämlich mit der Einreichung des Armenrechtsgesuchs am 14. 6. 1973, begonnen.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das Beklagten Land für die Zeit vom 16. 7. 1973 bis einen Monat nach Abschluss des Armenrechtsprüfungsverfahrens auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet hatte. Eine solche Erklärung führt dazu, dass der Gläubiger sich auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung berufen kann, falls der Schuldner vor Ablauf der Frist abredewidrig dennoch die Verjährungseinrede erhebt. Zwar könnte man für die vorliegende Fallgestaltung erwägen, dass eine Hemmung der Verjährung aufgrund höherer Gewalt nicht eintrete, solange die arme Partei gegenüber der Verjährungseinrede den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erheben kann. Höhere Gewalt i. S. des § 203 BGB ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn das eingetretene Ereignis auch bei größter Sorgfalt nicht vermieden werden konnte, eine Rechtsverfolgung also auch bei äußerster zumutbarer Anstrengung unmöglich war. Bei einer derartigen Betrachtungsweise würde indes nicht berücksichtigt, dass es damit der Schuldner in der Hand hätte, durch die Abgabe einer befristeten Verzichtserklärung, die zudem einer gerichtlichen Anregung entsprach, für die arme Partei ungünstigere Rechtswirkungen, als sie aufgrund der Hemmung der Verjährung bestanden, eintreten zu lassen. Ist nämlich die Verjährungsfrist abgelaufen und kann der Kläger der Einrede lediglich den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensetzen, so muss er nach Erlass des Mahnbescheides und Widerspruch des Schuldners, um den Eintritt der Verjährung abzuwenden, binnen einer kurzen Frist die zweite Hälfte des Prozesskostenvorschusses einzahlen und darf auch nach Klageerhebung den Prozess nicht für eine längere Zeit in Stillstand geraten lassen. In diesem Falle käme also dem Kläger -anders als nach vorheriger Hemmung der Verjährung - bei einem späteren Stillstand des Mahnverfahrens oder des anschließenden Streitverfahrens die Rechtswohltat der §§ 211 II, 213 S. 1 i. V. mit § 212a BGB nicht mehr in vollem Umfange zugute. Das wäre eine unbillige Benachteiligung der armen Partei und würde dem Gebot widersprechen, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen. Der Kläger konnte also durch den von dem Beklagten Land ausgesprochenen Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede der ihm günstigeren Rechtsposition aufgrund der schon früher entstandenen Hemmungsfolgen nicht mehr verlustig gehen.

Die Hemmung der Verjährung dauerte jedenfalls bis zum 5. 11. 1974, als dem Kläger die - die Armenrechtsverweigerung bestätigende - Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts zugestellt wurde. Es kann offen bleiben, ob dem Kläger nun für die Einreichung des Zahlungsbefehlsantrags noch eine Frist von zwei Wochen oder ausnahmsweise eine längere Frist zur Verfügung stand. Denn durch die am 3. 1. 1975 erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls an das Beklagten Land wurde die Verjährung in jedem Falle gemäß § 2091I Nr. 1 BGB in der Fassung, die bis zum 30. 6. 1977 galt, unterbrochen. Der Zeitraum vom 14. 6. 1973 bis mindestens zum 5. 11. 1974, während dessen die Verjährung nach den obigen Ausführungen gehemmt war, wird nicht in die Verjährungszeit eingerechnet. Um diese Zeitspanne verlängert sich somit die Verjährungsfrist. Da bei Einreichung des Armenrechtsgesuchs am 14. 6. 1973 die Verjährungsfrist noch bis zum Herbst 1973, im Blick auf das am 7. 8. 1970 eingetretene Schadensereignis also mindestens noch zwei Monate, gelaufen wäre, fiel auch die Zustellung des Zahlungsbefehls am 3. 1. 1975 noch in die - kraft Hemmung verlängerte - Verjährungsfrist. Da sich die fristwahrende Wirkung der Zustellung schon aus den vorstehenden Gründen ergibt, braucht hier nicht § 693 II ZPO a. F. herangezogen zu werden.

Der Kläger hat allerdings, nachdem das Beklagten Land gegen den Zahlungsbefehl Widerspruch eingelegt hatte, das Verfahren vom 17. 1. 1975 bis zum 23. 11. 1977 nicht betrieben. Das gereicht ihm jedoch nicht zum Nachteil. Dadurch, dass der Kläger den Vorschuss zunächst nicht entrichtete, geriet das Verfahren am 17. 1. 1975 in Stillstand, und die Unterbrechung endete. Hierdurch wurde eine neue dreijährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt; diese wurde vor ihrem Ablauf durch die Einzahlung des Vorschusses am 23. 11. 1977 unterbrochen. Nach rechtzeitigem Widerspruch des Beklagten Landes setzte sich das Verfahren, da der Kläger bereits in dem Gesuch um Erlass des Zahlungsbefehls den Antrag auf Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gestellt hatte als Streitverfahren vor dem AG fort. An das Mahnverfahren schloss sich damit unmittelbar das Streitverfahren an. Hierzu bedurfte es nicht der Anberaumung eines Verhandlungstermins mit der Rechtsfolge des § 696 II ZPO a. F.. Nach Oberleitung in das Streitverfahren dauerte die Unterbrechung der Verjährung nach Maßgabe der §§ 211, 212 BGB fort. Da der Kläger die Zahlung der Restprozessgebühr zunächst unterließ und damit das Streitverfahren nicht fort- betrieb, endete die Unterbrechung am 17. 1. 1975 mit der gerichtlichen Gebührenanforderung als letzter Prozesshandlung. Die Entrichtung der Gebühr am 23. 11. 1977 stellt ein Weiter- betreiben des Verfahrens i. S. des § 211 II 2 BGB dar mit der Folge, dass die Verjährungsfrist rechtzeitig mit der Wirkung des § 217 BGB unterbrochen wurde.

Hiernach wird das die Klageabweisung bestätigende Berufungsurteil von seiner Begründung, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt, nicht getragen. Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Das Berufsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, zu dem erhobenen Anspruch im Übrigen, insbesondere zum Schaden, nicht abschließend Stellung genommen und keine Feststellungen getroffen. Das Berufungsurteil muss daher aufgehoben und die Sache zu erneuter tatrichterlicher Beurteilung an das Berufsgericht zurückverwiesen werden.