Arztfehlerprozess

Nach der Behauptung des Klägers beruht die unerwünschte Schwangerschaft darauf, dass die Tubenkoagulation fehlerhaft durchgeführt worden ist. Für diese Behauptung ist der Kläger - wovon das Berufsgericht zutreffend ausgeht - beweispflichtig. Indessen geht es nicht an, dem Kläger im Arztfehlerprozess den Nachweis eines schadensursächlichen schuldhaften Arztfehlers, für den die Beklagten haften müsste, schon deshalb abzuschneiden, weil der eingetretene Zwischenfall mit einer gewissen statistischen Häufigkeit zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang gilt es vorweg zu beachten, dass die der medizinischen Literatur zu entnehmenden Berichte über Zwischenfallshäufigkeiten so gut wie nie zwischen unvermeidbaren Zwischenfällen, die in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang außer Betracht bleiben müssen, und solchen unterscheiden, die bei gehöriger Sorgfalt vermieden werden können - ein Umstand, der dem Richter häufig nicht bewusst ist. So mag es durchaus Eingriffe geben, bei denen das Misslingen ganz überwiegend auf Arztverschulden und nur ausnahmsweise auf unbeherrschbaren Gegebenheiten beruht, ein Verhältnis, das dann beweismäßig nicht unbeachtet bleiben könnte. Dafür, dass letzteres bei dem hier zu beurteilenden Eingriff zutrifft, spricht allerdings nichts, und auch der Kläger hat derlei nicht behauptet. Gleichwohl ist es mit der Grenze der Anforderungen, die an die Parteien gerade im Arztfehlerprozess verständigerweise gestellt werden können, nicht vereinbar, an die Substantiierung des Vortrags, für den ein Kläger Sachverständigenbeweis antritt, allzu strenge Anforderungen zu stellen. Auch darf aus der notwendig nur allgemeinen und technisch unpräzisen Einlassung eines medizinisch nicht gebildeten Kläger, mag er auch von einem Rechtsanwalt unterstützt werden, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass ein bestimmter medizinischer Sachverhalt unstreitig sei. Wenn also im Streitfall der von der Beklagten vorgelegte Operationsbericht einen Eingriff lege artis ausweist, dann darf nicht leichthin mangels gegenteiliger Einlassung des Kläger ein kunstgerechtes Vorgehen, das er gerade bestreitet, für zugestanden erachtet werden; denn ein medizinischer Laie wird von sich aus gar nicht im Stande zu beurteilen, in welchem Punkte dem Arzt ein schadensursächlicher Fehler unterlaufen sein könnte. Deshalb darf der Tatrichter an die Substantiierung einer Fehlerbehauptung durch den Kläger keine allzu großen Anforderungen stellen, ohne diesen in seiner an sich schon schwachen Beweissituation vollends rechtlos zu machen.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger immerhin die Behauptung aufgestellt, der auffallend kurze Zwischenraum zwischen Koagulation und Rekanalisierung erlaube den Schluss auf ein unrichtiges Vorgehen der Ärzte, und hatte sich dafür auf Sachverständigenbeweis berufen. Dieser Beweisantrag musste, wenn er auch notgedrungen auf Vermutungen gestützt sein mag, berücksichtigt werden, solange nicht festgestellt war, dass die Vermutung des Klägers nach den Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft haltlos ist. Nun mag zwar dafür, dass dem so ist, manches sprechen; denn der Vorgang der Verschmorung, bei dem sich dem Operateur das Lumen des Eileiters nicht darstellt, macht es vorstellbar, dass ausnahmsweise die Durchgängigkeit des Eileiters trotz regelrechten Eingriffs schon zunächst nicht oder nicht vollständig aufgehoben wird, ohne dass der Operateur das zu erkennen vermag, was eine trotzdem eintretende Empfängnis auch schon nach kurzer Zeit erklären könnte. Indessen verfügt das RevGer. nicht über hinreichende Sachkunde, dies abschließend zu beurteilen, und auch das Berufsgericht, das sich auf allgemeine prozessuale Grundsätze stützt, weist eine solche Sachkunde nicht aus. Daher darf dem Kläger der angetretene Sachverständigenbeweis nicht abgeschnitten werden, solange seine Untauglichkeit nicht feststeht.

Der Vorwurf unzulänglicher Aufklärung.

Das Berufsgericht stellt unter Würdigung der Zeugenaussagen fest, der Arzt, der die entscheidenden Gespräche mit Frau D geführt hatte, habe diese zwar nicht ausdrücklich auf eine Versagerquote bei der zur Anwendung gekommenen Sterilisationsmethode hingewiesen, erst recht nicht den statistischen Wert dieser Versagerquote angegeben. Er habe ihn aber, nachdem sie die Entfernung der Gebärmutter abgelehnt hatte, erklärt, dass sie sich damit nicht für die sicherste, sondern für die zweitbeste Methode entschieden habe. Dass der Begriff der Sicherheit insoweit auf die Empfängnisverhütung zu beziehen war und nicht auf den Nebenerfolg einer besseren Krebsvorbeugung, hinsichtlich der mit Frau D über den konkreten Anlass gar nicht gesprochen worden war, zieht auch die Revision nicht in Zweifel.

Diese Ausführungen des angefochtenen Urteils halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Senat vermag schon der Meinung des Berufsgerichts, dass der Arzt damit der von der Beklagten vertraglich geschuldeten Beratungspflicht voll gerecht geworden sei, nicht zu folgen.

Diese besondere Beratungspflicht kann weithin nicht dem gleichgestellt werden, was typischerweise unter der Aufklärungspflicht des Arztes verstanden wird, nämlich einer Information über die Bedeutung eines Eingriffs, der erst dadurch gerechtfertigt wird, weil die Rechtsprechung die Einwilligung eines nicht hinreichend informierten Patienten als nicht wirksam erachtet. Das dürfte dem Berufsgericht, das im Wesentlichen auch bei misslungener Sterilisation die die allgemeine ärztliche Aufklärungspflicht betreffenden Grundsätze anwenden will, nicht durchweg klar geworden sein. Ansprüche aus echten Risiken, nämlich schädlichen Folgen des Eingriffs werden hier nicht geltend gemacht. Auch Ansprüche daraus, dass sich der Eingriff als nutzlos erwiesen und deshalb die Belastung durch einen zweiten Eingriff nötig gemacht hat, sind nicht im Streit; solche könnten übrigens allenfalls Frau D zustehen. Indessen galt es hier, die nicht sachkundige Frau D deshalb eingehend über die Erfolgssicherheit der geplanten Sterilisationsmethode aufzuklären, weil sie nur dadurch in die Lage versetzt wurde zu beurteilen, ob sie diese Methode anderen vorziehen wollte, die vielleicht belastender, dafür aber erfolgssicher waren; auch war eine solche Information unerlässlich für ihre und des Kläger Entscheidung darüber, ob sie sich gegebenenfalls mit der immerhin hohen Sicherheitsquote begnügen oder aus besonderer Vorsicht noch zusätzliche Verhütungsmaßnahmen anwenden wollten.

Dieser vertraglich geschuldeten Beratungspflicht ist der für die Beklagten tätige Arzt nach Auffassung des Senats nur dann gerecht geworden, wenn er nach den Umständen sicher sein durfte, dass sich Frau D jener konkreten, wenn auch geringen Misserfolgsquote bewusst geworden war. Deren statistische Häufigkeit, die nach den damals vorliegenden Publikationen ohnehin schwer zu konkretisieren war, hätte sie dann allerdings bei entsprechendem Wunsch erfragen mögen. Dass an diese Beratung keine geringen Anforderungen gestellt werden dürfen, ergibt sich vor allem daraus, dass gerade hier, anders als bei der Aufklärung über die Risiken eines Eingriffs, irgendwelche therapeutischen Rücksichten, die dort zwar nur ausnahmsweise die Aufklärungspflicht einschränken, wohl aber Art und Weise der Aufklärung modifizieren können, im Regelfall gar nicht denkbar sind. Es ist daher in einer Lage, wie sie hier gegeben war, kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, der betroffenen Frau eine Information vorzuenthalten, die einerseits sowohl für ihren Entschluss wie für ihr ferneres Verhalten sehr bedeutsam war, andererseits keinen nennenswerten Zeitaufwand verursacht haben würde. Das Berufsgericht wird unter diesen Gesichtspunkten erneut zu prüfen haben, ob die Frau D. zuteil gewordene Beratung der Vertragspflicht der Beklagten entsprach.

Sollte sich das Berufsgericht von einer zureichenden Belehrung der Frau D nicht zu überzeugen vermögen, dann wird es allerdings des weiteren festzustellen haben, ob eine zureichende Belehrung diese und den Kläger zu einem Verhalten veranlasst hätte, welches die später eingetretene ungewollte Empfängnis mit hinreichender Sicherheit ausschloss.