Atypische Veränderungssperren

Die Veränderungssperre ist auch dann noch als Rechtsnorm und damit als Satzung anzusehen, wenn ihr Geltungsbereich in einem atypischen Einzelfall sich nur auf ein einziges Grundstück erstreckt. Voraussetzung ist allemal jedoch, dass der dem § 14 zugrunde liegende Sicherungszweck verfolgt wird. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und zu den tatbestandlichen Voraussetzungen im übrigen § 14 Rn. 8-20. Das gleiche gilt für den Fall, dass die Beschlussfassung sachlich gezielt erst auf einen eingegangenen Baugenehmigungsantrag hin oder gar noch während eines Verwaltungsstreitverfahrens über die Zulässigkeit eines Vorhabens erfolgt und sich damit der Zeitpunkt für den Erlass der Satzung verschiebt. Ebenso Satzungscharakter haben Veränderungssperren, deren Inhalt sich nur auf ein bestimmtes Vorhaben beschränkt oder deren Sicherungszweck einer Fachplanung, soweit diese durch Bebauungspläne ersetzt werden kann, dient.

Gesetzliche Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums.

a) Inhalt und Schranken des Eigentums dem Begriff des Eigentums nicht vorgegeben - Als Gesetz bestimmt die Veränderungssperre - ebenso wie der Bebauungsplan - Inhalt und Schranken des Eigentums. Nach dem Begriffsverständnis des BVerfG gibt es keinen aus der Natur der Sache vorgegebenen Eigentumsbegriff, vielmehr steht allein dem Gesetzgeber die Befugnis zu, die Rechtsstellung des Eigentümers zu bestimmen, wobei einerseits für Bestimmung und Ausgestaltung des Eigentumsinhalts ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsraum eingeräumt ist, andererseits dem Gesetzgeber aber auch Grenzen gesetzt sind. Die gesetzlichen Eigentumsbindungen dürfen nicht weiter gehen als der Schutzzweck, dem das Gesetz - hier also § 14 - dient; sie dürfen nicht unverhältnismäßig schwer und unerträglich sowie unzumutbar belasten.

b) Überschreitung der verfassungsrechtlichen Schranken einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums - Wird durch die Veränderungssperre die verfassungsrechtliche Schrankenbestimmung des Eigentums überschritten, so behält eine dahingehende, verfassungswidrige Inhaltsbestimmung ihren Rechtscharakter, sie stellt keinen enteignenden Eingriff im verfassungsrechtlichen Sinne dar und kann nicht in eine Enteignung mit Entschädigungsfolge umgedeutet werden, da das BVerfG von einem engen, stark formalisierten Begriff der Enteignung ausgeht. Wenn demgegenüber die Ansicht vertreten wird, eine die Grenzen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums überschreitende Veränderungssperre erfülle die Merkmale des so definierten Enteignungsbegriffs, da sie auf der Grundlage der formellen und materiellen, in jedem Anwendungsfall zu prüfenden Voraussetzungen der § 14fI., rechtlich formalisierte und gezielte Eingriffe in die Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke darstelle, so kann dem nicht beigetreten werden. Nach der Systematik des BVerfG ist eine derartige Veränderungssperre - ebenso wie ein die Grenzen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung überschreitender Bebauungsplan - weder eine Legalenteignung noch eine Administrativenteignung aufgrund eines Gesetzes.

Eine analoge Anwendung des Art. 14 Abs. 3 GG als sog. Aufopferungsenteignung ist nach dem Verständnis des BVerfG gleichfalls nicht zulässig, denn eine Rechtsvorschrift kann nicht zugleich verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums und verfassungsmäßige Legal- und Administrativenteignung sein. Beides sind nach der Rspr. des BVerfG jeweils eigenständige Rechtsinstitute, die das GG deutlich voneinander absetzt. Insoweit der Gesetzgeber zur Vermeidung einer sich übermäßig belastend auswirkenden Inhalts- und Schrankenbestimmung in §18 Ausgleichsansprüche gewährt, handelt es sich nicht um Enteignungsentschädigung oder um eine Entschädigung für einen enteignungsgleichen Eingriff, sondern um entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung.

Keine drittschützende Funktion - Ein Nachbar kann sich nicht darauf berufen, dass eine Baugenehmigung im Hinblick auf eine Veränderungssperre nicht hätte erteilt werden dürfen. Dies gilt auch dann, wenn der spätere Bebauungsplan zu seinen Gunsten nachbarschützende Festsetzungen enthält. Die Interessen von Nachbarn, die sich durch die Verwirklichung von Vorhaben in ihren Rechten beeinträchtigt sehen, hat eine Veränderungssperre nicht im Auge. Eine andere Auffassung liefe letztlich darauf hinaus, den Festsetzungen des späteren - durch die Veränderungssperre gesicherten - Bebauungsplans, soweit diese nachbarschützend sind, rückwirkende Kraft beizumessen. Ein solcher - zeitlich vorgelagerter - Schutz von Nachbarn vor der Ausnutzung von Bebauungsmöglichkeiten, die durch Festsetzungen eines beabsichtigten Bebauungsplans ausgeschlossen werden sollen, ist nicht Inhalt und Ziel einer Veränderungssperre.

Die Veränderungssperre wird als Satzung beschlossen - Unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung - Das in Abs. 1 vorgesehene Beschlussverfahren ist zwingend. Ein Satzungs- beschluss ist erforderlich nicht nur für den erstmaligen Erlass der Veränderungssperre, sondern auch für deren Änderung, Ergänzung, eine erste oder zweite Fristverlängerung, eine erneute Veränderungssperre und ein Außerkraftsetzen ganz oder teilweise. Der Beschluss als solcher hat jedoch noch keine Außenwirkung; er bedarf hierzu neben der Ausfertigung der Bekanntmachung. Ein Satzungsbeschluss ist ebenso erforderlich, wenn der Rechtsschein einer nichtigen Satzung beseitigt werden soll.

Zeitpunkt des Beschlusses - Der Beschluss über die Veränderungssperre hängt nicht, wenn auch der Aufstellungsbeschluss nach Bundesrecht materiell-rechtliche Voraussetzung für den Erlass einer Veränderungssperre ist, von der zuvorigen Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses ab. Der Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans und der Beschluss über die Veränderungssperre können in derselben Gemeinderatssitzung gefasst werden. Zwischen dem Beschluss, einen Bebauungsplan aufzustellen und dem Erlass der Veränderungssperre zur Sicherung dieser Planung kann andererseits aber auch ein längerer Zeitraum liegen. Auf eine verfahrensmäßige Absicherung durch eine formalisierte Bürgerbeteiligung entsprechend §3 hat die Vorschrift verzichtet.

Individualsperre - Eines Satzungsbeschlusses bedarf es auch bei einer Individualsperre, bei der sich deren räumlicher oder sachlicher Geltungsbereich nur auf ein bestimmtes Grundstück oder ein bestimmtes Vorhaben bezieht. Es kann hierauf nicht verzichtet werden, weder von Seiten der Eigentümer noch der Gemeinde. Der Beschluss als solcher hat jedoch auch hier noch keine Außenwirkung; erst mit der Bekanntmachung tritt die Veränderungssperre in Kraft.

Kein Gewohnheitsrecht - Eine Veränderungssperre kann - ebenso wie ein Bebauungsplan - im Gegensatz zum Außerkrafttreten durch Gewohnheitsrecht weder entstehen noch geändert oder verlängert werden. Damit ist erst recht ausgeschlossen, dass unter noch minderen Voraussetzungen eine Gültigkeitsvermutung begründet ist, die in ihrer Auswirkung der Annahme des Entstehens von Gewohnheitsrecht so gut wie gleichkäme. Eine allgemeine und im Wesentlichen nur von einem gewissen Zeitablauf, nicht aber von besonderen konkreten Umständen abhängige Vermutung, dass jede Veränderungssperre unter Beachtung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens zustandegekommen ist, wird durch Bundesrecht nicht begründet, sondern im Gegenteil in dieser Form und Reichweite ausgeschlossen. Zu den vom BVerwG zum Bebauungsplan entwickelten und auch auf die Veränderungssperre anwendbaren Rechtsgrundsätzen erwähnte gefestigte Rechtsprechung.

Gegenstand des Beschlusses - Der Beschluss umfasst inhaltlich:

- den Satzungsinhalt,

- den räumlichen Geltungsbereich,

- den ev. erforderlichen Beitrittsbeschluss,

- die Bestimmung des rückwirkenden Inkrafttretens in den Fällen des §215 Abs.3 Satz2.

Die für Rechtsverordnungen maßgebenden strengeren Anforderungen des Zitiergebotes nach Art. 80 GG brauchen bei Satzungen nicht eingehalten zu werden. Eine Angabe der Ermächtigungsgrundlagen ist somit nicht zwingend, aber dennoch zu empfehlen. Beschlüsse über mehrere Veränderungssperren können zusammengefasst werden, wenn die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen für jede einzelne Veränderungssperre gewahrt worden sind.