Aufklärungs- oder Beratungspflicht

Der Schadensersatzanspruch des Käufers aus der schuldhaften Verletzung einer dem Verkäufer obliegenden Aufklärungs- oder Beratungspflicht über eine Eigenschaft des Kaufgegenstandes, die keinen Mangel darstellt, verjährt jedenfalls dann in der kurzen Frist des § 477 I BGB, wenn von der Eigenschaft die Verwendungsfähigkeit der Kaufsache für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck abhängt.

Anmerkung: Die Entscheidung befasst sich mit folgendem Sachverhalt: Der Beklagte, Inhaber eines Geschäfts für die Verlegung von Fußböden, kaufte von der Kläger, die Klebstoffe herstellt, Ende 1971 auf Empfehlung eines Verkaufsberaters der Klägereinen bestimmten Klebstoff und benutzte ihn bei der Verlegung von Fußbodenplatten. An den verlegten Platten traten Schäden auf, weil während der Abbindezeit Wasser durch die offenen Stoßfugen der Platten eingedrungen war und der Kleber seine Haftfähigkeit verloren hatte. Der Beklagte beseitigte die Schäden auf Verlangen seines Auftraggebers. Gegenüber der 1978 erhobenen Klage, mit der die Kläger Bezahlung anderer Klebstofflieferungen verlangte, erklärte der Beklagte die Aufrechnung u. a. mit den von ihm aufgewendeten Kosten zur Schadensbeseitigung und machte den die Klageforderung übersteigenden Teil seines Schadensersatzanspruches widerklagend geltend.

Die Besonderheit dieses der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH zugrunde liegenden Falles bestand darin, dass der verkaufte Klebstoff eine besondere Eigenschaft aufwies - er war feuchtigkeitsempfindlich und verlor bei frühzeitigem Zutritt von Wasser, etwa bei einer vorzeitigen Reinigung der verlegten Kunststoffplatten, seine Klebefähigkeit -, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber keinen Sachmangel darstellte, weil bei Anwendung einer bestimmten Verlegetechnik der Wasserzutritt vermieden werden konnte. Daraus ergaben sich Folgerungen hinsichtlich der Grundlage des vom Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruches und seiner Verjährung:

Schon das RG in ständiger Rechtsprechung (z. B. RGZ 135, 339 [346£.1; 161, 193 [195E1) und dann auch der BGH haben angenommen, dass das Gewährschaftsrecht der §§ 459 ff. BGB eine Haftung des Verkäufers für fahrlässige Angaben oder Nichtangaben über Eigenschaften der Kaufsache ausschließe, und dies vor allem der Bestimmung des § 463 S. 2 BGB entnommen, die einen Tatbestand des Verschuldens vor oder bei Vertragsabschluss durch Angabe oder Nichtangabe von Sacheigenschaften regelt, Rechtsfolgen aber nur an eine Arglist des Verkäufers knüpft (BGHZ 60, 319 m. Nachw. = LM § 459 BGB Nr. 33 m. Anm. von der Mühlen). Hieran hält der VIII. Zivilsenat entsprechend seiner eigenen bisherigen Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 12.5. 1976 - VIII ZR 33/74 - WM 1976, 740 -= LM § 459 BGB Nr. 40) trotz der verschiedentlich im Schrifttum geäußerten Kritik (z. B. Larenz, SchuldR II, 12. Aufl., § 41 II S. 67f.) fest, gleichviel, ob sich die unterlassene Aufklärung auf Mängel oder sonstige Eigenschaften der Sache bezieht. Er nimmt aber wegen der besonderen Umstände des Falles eine selbständige Nebenpflicht der Klägerzur Aufklärung über die besonderen Eigenschaften des Klebstoffes an, die von dem Verkaufsberater der Kläger schuldhaft verletzt worden war.

Die eigentliche Bedeutung der Entscheidung liegt in den Ausführungen zur Anwendung des § 477 BGB, mit denen der VIII. Zivilsenat seine Rechtsprechung zur Verjährung der kaufvertraglichen Ansprüche, die mit Mängeln oder Eigenschaften des Kaufgegenstandes zusammenhängen, fortsetzt. Danach verjähren in der kurzen Frist des § 477 I BGB nicht nur die im Gesetz ausdrücklich genannten Ansprüche auf Wandelung, Minderung und Schadensersatz wegen Mangels einer zugesicherten Eigenschaft sowie auf Neulieferung beim Gattungskauf (§ 480 I 2 BGB), sondern auch der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Rechts auf mangelfreie Nachlieferung (BGHZ 60, 9 [131 = LM § 477 BGB Nr. 19 m. Anm. Hiddemann), ferner die Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss und positiver Vertragsverletzung, soweit sie auf Sachmängeln beruhen (BGHZ 77, 215 = LM § 477 BGB Nr. 34a m. Anm. Hiddemann), und aus Verletzung einer Nebenpflicht (Beratung), wenn diese sich auf Eigenschaften der Kaufsache bezieht (BGH, Urteil vom 19. 10. 1964 - VIII ZR 20/63 - NJW 1965, 148 = LM § 477 BGB Nr. 7); das gilt im Kaufrecht auch, wenn sich der Anspruch - sei es aus § 463 BGB (vgl. BGHZ 50, 200 = LM § 463 BGB Nr. 14 m. Anm. Mezger), sei es aus positiver Vertragsverletzung (vgl. BGHZ 77, 215 [219] = LM vorstehend Nr. 34a m. Anm. Hiddemann) - auf Ersatz eines Mangelfolgeschadens richtet, soweit nur der Folgeschaden im Einzelfall von dem Anspruch erfaßt wird (vgl. auch BGHZ 60, 9 [12]). Wenn auch die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 477 I BGB, die noch dazu den Fristbeginn an den Zeitpunkt der Ablieferung anknüpft, angesichts der heutigen Produktionsabläufe, des vielschichtiger gewordenen Handelsverkehrs und der oft komplizierten Kaufgegenstände weithin als unbefriedigend empfunden wird (vgl. z. B. Hiddemann, Arun bei LM § 477 BGB Nr. 25 u. 34a), so gewinnt doch die gesetzgeberische Grundentscheidung, solange sie nun einmal Geltung hat und eine Korrektur im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht möglich erscheint (dazu BGHZ 77, 215), Bedeutung auch für die neben den Gewährleistungsansprüchen von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Rechtsinstitute. Im vorliegenden Falle veranlassen der Wille des Gesetzgebers (Mot. II S. 238, 240), der notwendig erscheinende Gleichlauf der Verjährungsfrist bei der Haftung für Mängel und derjenigen für Eigenschaften der Kaufsache und die Gefahr sonst drohender Wertungswidersprüche den VIII. Zivilsenat - in Abgrenzung zu einigen früheren Entscheidungen (BGHZ 47, 312 = LM § 278 BGB Nr. 45 m. Anm. Art/ und Urteil vom 29. 6. 1977 - VIII ZR 309/75 - WM 1977, 1027 = LM § 433 BGB Nr. 49) - zu der Feststellung, dass die Verletzung einer Aufklärungspflicht über Eigenschaften der Sache auch dann der kurzen Verjährungsfrist des § 477 I BGB unterliegt, wenn eine Eigenschaft in Rede steht, die keinen Sachmangel darstellt. Für zwingend hält der Senat dabei das Argument, dass derjenige, der über eine Sacheigenschaft (nur) nicht aufgeklärt hat, nicht schärfer haften darf als derjenige, der eine bestimmte Eigenschaft ausdrücklich zugesichert hat. Bei der Beurteilung der Tragweite der Entscheidung sollte freilich nicht außer acht gelassen werden, dass die Gleichstellung der mit einem Mangel und der mit einer Eigenschaft des Kaufgegenstandes zusammenhängenden Ansprüche ausdrücklich nur für solche Eigenschaften entschieden worden ist, von denen die Verwendungsfähigkeit der Sache für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck abhängt.