Aufrechnungsverbot

Ein in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenes Aufrechnungsverbot gilt regelmäßig nicht für den Konkursfall (Bestätigung von RGZ 124, 8).

Auch wenn ein rechtsgeschäftliches Aufrechnungsverbot erst dadurch wegfällt, dass der Aufrechnungsgegner nach Abschluss des Berufungsverfahrens in Konkurs gerät, ist das regelmäßig im Revisionsverfahren noch zu berücksichtigen.

Am 11. 3. 1969 und am 16. 7. 1969 beauftragte die beklagte Werft die frühere Klägerin, ebenfalls eine Werft, mit der Herstellung von Teilen für Schiffsneubauten zu ihren umseitigen Einkaufsbedingungen. Diese lauteten einleitend und in Nr. 6 auszugsweise:

Für meine sämtlichen Aufträge auf Lieferungen und Leistungen gelten, sofern nicht schriftlich etwas anderes vereinbart ist, die nachstehenden Bedingungen, die allein für Lieferer und Besteller auch dann verbindlich sind, wenn die Verkaufsbedingungen des Lieferers im Widerspruch hierzu stehen.

In jedem Falle bin ich an Zahlungs Statt zur Aufrechnung von Gegenforderungen berechtigt.

Die Klägerin nahm in ihren Auftragsbestätigungen vom 13, 3. und 22. 7. 1969 auf ihre Verkaufs- und Lieferbedingungen Bezug, in denen es heißt:

1. 7. Unsere Verkaufs- und Lieferbedingungen schließen entgegenstehende Bestimmungen des Bestellers aus; dies gilt auch dann, wenn seitens der Werft gegen die Bedingungen des Bestellers Widerspruch nicht ausdrücklich erhoben ist. ...

III. 5.... Eine Aufrechnung gegen Ansprüche der Werft mit irgendwelchen Gegenforderungen ist nur zulässig, wenn die Gegenforderungen rechtskräftig festgestellt sind.

Das gleiche gilt für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegen Ansprüche der Werft.

Die Beklagte hat der Klägerin vorgeworfen, den 1. Auftrag verspätet ausgeführt zu haben, und deshalb den 2. Auftrag teilweise rückgängig gemacht. Nach der Abrechnung der Klägerin soll ihr die Beklagte für beide Aufträge noch einen Restbetrag von 118 302,26 DM zu zahlen haben.

Die Beklagte hat nicht bestritten, Rechnungen in Höhe von 109 959,11 DM nicht bezahlt zu haben, aber gegenüber der Klagforderung mit einem Schadensersatzanspruch von über 130 000 DM aufgerechnet und insoweit hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.

Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 118 302,26 DM durch Teilurteil in Höhe von 109 959,11 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge weiter, die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihr nur Zug um Zug gegen eine Zahlung der Klägerin in Höhe von 118 302,26 DM stattzugeben.

Während des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der Klägerin das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Konkursverwalter hat das Verfahren aufgenommen; er beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit das Landgericht über sie durch Teilurteil entschieden hat, weil die Beklagte gegen-die insoweit unstreitige Klageforderung weder wirksam habe aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht habe ausüben können. Beides sei nach den Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin ausgeschlossen; diese seien im Zuge der Entwicklung der Geschäftsbeziehungen der Parteien für ihr Rechtsverhältnis verbindlich geworden.

Ob dieser rechtlichen Beurteilung zu folgen ist, kann auf sich beruhen. Man kann unterstellen, dass jene Verkaufs- und Lieferbedingungen Vertragsinhalt geworden sind und die Beklagte daher zunächst mit dem Aufrechnungseinwand ausgeschlossen war. Das Aufrechnungsverbot kann aber jedenfalls keine Geltung mehr beanspruchen, seitdem über das Vermögen der bisherigen Klägerin der Konkurs eröffnet worden ist.

1. Aufrechnungsverbote nehmen Kaufleute in Einzelverträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen meist auf, um zu verhindern, dass ihnen der Vertragspartner den Lohn für die erbrachte Leistung vorenthält, sich dazu auf möglicherweise zweifelhafte und erst durch einen vielleicht langwierigen Prozess zurückweisbare Gegenforderungen beruft und so die schnelle und zügige Geschäftsabwicklung hinauszögert. Dieser Zweck entfällt, wenn die Geschäftstätigkeit des durch die Verbotsklausel Begünstigten aufgehört hat und nur noch eine gesetzlich geregelte Abwicklung aller Ansprüche und Gegenansprüche Platz greift. In Rechtsprechung und Schrifttum wird daher die Auffassung vertreten, Aufrechnungsverbote in Individualverträgen seien meist so auszulegen, dass sie für den Konkursfall nicht gelten sollen. Dasselbe hat das BG für einen Fall ausgesprochen, in dem die Aufrechnung für bestimmte Fälle in Allgemeinen Verkaufsbedingungen ausgeschlossen war (RGZ 124, 8ff.). Diesen Entscheidungen ist für Sachverhalte der hier vorliegenden Art beizutreten. Wenn und solange der Begünstigte leistungsfähig ist, ist nicht nur sein Interesse an der Durchsetzung eines Aufrechnungsverbots (mit Einschränkungen - vgl. BGH, Urteil vom 3. 3.1971 - VIII ZR 194/69, WM 1971, 722) grundsätzlich als berechtigt anzuerkennen; solche Verbote belasten im allgemeinen auch den Vertragspartner nicht unzumutbar, weil hier durch die Realisierbarkeit und damit der Wert seiner etwaigen Gegenforderungen nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Der Vertragspartner würde dagegen empfindlich getroffen, wenn ein Aufrechnungsausschluss in den Konkurs des Begünstigten hineinwirken würde, in dem die Aufrechnungsbefugnis eine besondere Schutzwirkung hätte: Der Konkursgläubiger, der gleichzeitig Schuldner der Masse ist, kann sich von seiner Schuld nach §§ 53, 54 KO befreien, so dass er im Ergebnis wegen seiner Gegenforderung eine abgesonderte Befriedigung erhält. Wäre dagegen die Aufrechnung weiterhin unzulässig, wäre er wegen seiner Forderung als einfacher Konkursgläubiger auf die Verteilung der Masse angewiesen, die kaum jemals ausreicht, um die Gläubiger ausreichend zu befriedigen. Die Annahme, ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenes und ganz allgemein formuliertes Aufrechnungsverbot greife auch im Konkurs des durch die Klausel Begünstigten durch, würde daher der gegenüber der Zeit vor dem Konkurse völlig gewandelten Interessenlage beider Vertragsteile nicht gerecht werden; eine derartige Klausel ist daher mangels gegenteiliger Anhaltspunkte dahin auszulegen, sie solle für den Konkursfall nicht bestimmt sein.

2. Das Konkursverfahren über das Vermögen der Klägerin ist erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens eröffnet worden. Der aus der Konkurseröffnung herzuleitende Wegfall des Aufrechnungsverbots ist aber gleichwohl im Revisionsverfahren zu berücksichtigen. Nach § 561 ZPO unterliegt allerdings der Beurteilung des Revisionsgerichts, außer bei Verfahrensrügen, nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder der Sitzungsniederschrift er sichtlich ist. Neu vorgebrachte Tatsachen können grundsätzlich im Revisionsverfahren auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie, wie es hier hinsichtlich der Konkurseröffnung der Fall ist, erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind und daher gar nicht früher hätten vorgetragen werden können.

Diese Grundsätze gelten jedoch nicht ausnahmslos. Hinsichtlich der Konkurseröffnung durchbricht das Gesetz sie teilweise selbst. Nach § 240 ZPO unterbricht die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer Partei den Rechtsstreit auch in der Revisionsinstanz, bis er nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird. Danach wird die Konkurseröffnung als neue Tatsache verfahrensrechtlich berücksichtigt. Dieser Gedanke liegt auch den Entscheidungen zugrunde, in denen die während des Revisionsverfahrens erfolgte Eröffnung oder Beendigung des Konkursverfahrens wegen der davon abhängigen Prozessführungsbefugnis entweder des Konkursverwalters oder des Gemeinschuldners beachtet worden ist. Auch die Entscheidungen des BGH, in denen der Tatsache, dass während des Revisionsverfahrens über das Vermögen des Beklagten das Konkursverfahren eröffnet worden war, dadurch Rechnung getragen worden ist, dass entweder die Aufnahme des Rechtsstreits gegen den Konkursverwalter oder nachträglich noch die Anpassung des Klagantrages an die Konkurseröffnung oder die nachträgliche Anmeldung eines Konkursvorrechts, das allerdings aufgrund besonderer Umstände, zugelassen wurde (BGH, Urteil vom 23. 12. 1953 - VI 1/52 = Nr. 5 zu § 146 KO; BGH, Urteil vom 21. 11. 1953 - VI ZR 203/52 = Nr. 4 zu § 146 KO und BGH, Urteil vom 15. 10. 1953 - IV ZR 31/53 = Nr.2/3 zu §61 KO -= NJW 1954, 31), betreffen überwiegend die verfahrensrechtlichen Auswirkungen der Konkurseröffnung und haben im wesentlichen eine Anpassung der Anträge an das Konkursverfahren zum Gegenstand.

Hier steht jedoch im Vordergrund die Frage, ob auch die materiell-rechtlichen Auswirkungen der Konkurseröffnung bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Dafür spricht, dass kein einleuchtender Grund für eine unterschiedliche Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen und der materiell-rechtlichen Auswirkungen der Konkurseröffnung gerechtfertigt ist, solange diese als Tatsache feststeht, wie es hier der Fall ist. Unter solchen Umständen belastet auch ihre Beachtung das Revisionsgericht bei der Urteilsfindung nicht mit der dem Revisionsverfahren grundsätzlich fremden Bewertung von Tatsachen. Eine dahingehend eingeschränkte Auslegung des § 571 ZPO ist daraus zu rechtfertigen, dass diese Vorschrift in erster Linie nur sicherstellen soll, dass das Revisionsgericht grundsätzlich nicht mit der Würdigung von Tatsachen befasst wird. Das RG und der BGH haben dementsprechend bereits in einigen Fällen neue Tatsachen materiell-rechtlich berücksichtigt, wenn sie nicht beweisbedürftig waren (Änderung der Patentlage BGHZ 3, 365 = Nr. 5 zu § 6 PatG = NJW 1952, 302 m. w. Nachw.; Erteilung einer Devisengenehmigung, BGH, Urteil vom 25. 6. 1953 - IV ZR 135/51, und Eintritt der Volljährigkeit, BGH, Urteil vom 24. 1. 1962 - V ZR 6/61, beide wiedergegeben in BGHZ 53, 128, 131 = Nr. 38 zu § 561 ZPO = NJW 1970, 1007, wo der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit berücksichtigt worden ist).

Ob hieraus mit dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum zu folgern ist, dass zur Vermeidung einer Zurückverweisung oder gar eines neuen Prozesses erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetretene Tatsachen immer im Revisionsverfahren zu berücksichtigen sind, wenn der Gegner sie zugestanden hat oder sie wegen Offenkundigkeit keines Beweises bedürfen (vgl. dazu insbesondere Nattern, JZ 1963, 649, 652 und BGHZ 53, 128, 131 Nr. 38 zu § 561 ZPO = NJW 1970, 1007, jeweils m. w. Nachw.), braucht nicht entschieden zu werden. Die sachlich-rechtlichen Folgen der hier unstreitig feststehenden Konkurseröffnung sind jedenfalls im vorliegenden Revisionsverfahren zu berücksichtigen, da dem keine schützenswerten Interessen des Prozessgegners (vgl. dazu BGH, Urteil vom 5. 2. 1974 - VI ZR 71/72, NJW 1974, 639 Nr. 39 zu § 561 ZPO) entgegenstehen. Der jetzt klagende Konkursverwalter und die von ihm betreute Masse müssen die von der früheren Klägerin mit der Beklagten geschlossenen Verträge, abgesehen von der hier nicht interessierenden Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 29ff. KO, stets hinnehmen. Ihre Rechtsstellung wird nicht geschmälert, wenn noch in diesem Prozess geklärt wird, dass die Beklagte nunmehr aufrechnen kann, weil das von der Klägerin in ihren Verkaufs- und Lieferbedingungen vorgesehene Aufrechnungsverbot nicht im Konkursfall gilt; mit der Verweisung der Beklagten auf eine spätere Vollstreckungsgegenklage wäre der Abwicklung des Konkursverfahrens wenig gedient.

Da es hiernach auf den Bestand der von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderung ankommt, die das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - bisher nicht geprüft hat, muss das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.