Auftraggeber eines Rechtsanwalts

Willigt der Auftraggeber eines Rechtsanwalts darin ein, dass der Rechtsanwalt in einer anderen Sache gleichzeitig die Interessen eines Dritten gegen ihn wahrnimmt, so ist diese Zustimmung nur wirksam, wenn der Rechtsanwalt den Auftraggeber über ihre Tragweite ausreichend unterrichtet hat. Ist dies unterblieben, so können Angriffe des Rechtsanwalts gegen die berufliche Qualifikation seines Mandanten in der anderen Sache einen - die Kündigung des Anwaltsvertrages rechtfertigenden - Verstoß gegen seine Pflicht enthalten, alles zu unterlassen, was das Vertrauensverhältnis zum Mandanten beeinträchtigen kann.

Zum Sachverhalt: Der Kläger, ein Rechtsanwalt, nimmt den Beklagten, einen Bauunternehmer, auf Zahlung von Anwaltsgebühren in Anspruch. Bei einer vom Beklagten übernommenen Renovierung der Fensterfront eines Hauses beschädigte der von ihm herangezogene Malermeister H einen Personenkraftwagen. Dessen Eigentümer S beauftragte den Kläger mit der Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber den Grundeigentümern, dem Beklagten und H. Anfang Mai 1981 beauftragte der Beklagte den Kläger, ihn in zwei gegen ihn gerichteten Zivilprozessen zu vertreten. Der eine Rechtsstreit betraf eine Zahlungsklage über einen Betrag von 6000 DM. In dem anderen Prozess machten die dortigen Kläger Gewährleistungsansprüche in erheblichem Umfang geltend. Da keiner der wegen des Fahrzeugschadens in Anspruch Genommenen zahlte, erhob der Klägerdurch Schriftsatz vom 6. 8. 1981 gegen sie Klage. In bezug auf den Beklagten, den Beklagten zu 3 jenes Verfahrens, trug der Kläger vor: Bei dem Beklagten zu 3 handelt es sich um die Person, die von den Beklagten zu 1 und 2 (den Grundeigentümern) mit der Renovierung der Fensterfront beauftragt worden war. Die Beklagte zu 1 und 2 haben diese Person überhaupt nicht sorgfältig ausgewählt ... Dabei hat es sich nun herausgestellt, dass es sich bei dem Beklagten zu 4 (H) nicht, wie man annehmen sollte, um einen Alleskönner handelte, sondern um einen Nichtskönner. Er ist nämlich vielmehr lediglich Malermeister und darüber hinaus Bankrotteur. Ob eine solche ausgewählte handwerkliche Persönlichkeit den Kriterien des § 831 BGB standhält ... wird von hier aus füglich bezweifelt ... Der Beklagte zu 3 hat keinerlei Sachkunde. Von daher ist er von den Beklagten zu 1 und 2 nicht richtig ausgesucht worden. Dieses begründet weiterhin die Haftung der Beklagte zu 1 und 2 ... Durch Schreiben seines Rechtsanwalts vom 9. 9. 1981 ließ der Beklagte dem Kläger die erteilten Mandate mit der Begründung entziehen: ... Mein Mandant ist nicht nur, was den ihn betreffenden Inhalt der Klagschrift angeht, empört, sondern insbesondere über die Tatsache der Klage überhaupt. Immerhin vertreten Sie seine Interessen in anderen Rechtsstreitigkeiten ... Der Kläger hat vorgetragen, vor Übernahme der Aufträge habe er den Mitarbeiter des Beklagten N darauf hingewiesen, dass eine Klage wegen des Fahrzeugschadens unausweichlich sei, wenn der Schaden nicht vorher ausgeglichen werde. N habe darauf erklärt, eine solche Entwicklung der Dinge werde das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nicht berühren; möglicherweise werde eine Haftpflichtversicherung für den Schaden eintreten. Der Beklagte sei für die zum Schaden führenden Arbeiten tatsächlich nicht sachkundig. Die Ausführungen in der Klageschrift des Haftpflichtprozesses seien daher sachlich und rechtlich geboten gewesen. Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe einer Klagerhebung gegen sich nicht zugestimmt. Die unsachlichen Angriffe des Klägers gegen seine Person hätten sein Vertrauen zum Kläger beseitigt. Infolge des dadurch erforderlich gewordenen Anwaltswechsels seien ihm die durch die Beauftragung des Klägers entstandenen Kosten nochmals erwachsen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Der Revision ist allerdings darin zuzustimmen, dass ihre Zulassung wegen der Frage, ob sich ein Mandant gegenüber dem Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts auf § 628 I2 BGB berufen kann, wenn dieser in einer im Interesse eines Dritten gegen den Mandanten erhobenen Klage Ausführungen macht, die der Mandant trotz seines Einverständnisses mit der Prozessführung gegen sich als ehrverletzend empfindet, den Umfang der rechtlichen Prüfung des angefochtenen Urteils im Revisionsrechtszug nicht beschränkt. Diese Rechtsfrage betrifft keinen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs (BGH, NJW 1982, 1535 = LM § 296 ZPO Nr. 14 [L]; NJW 1982, 1873 = LM § 236 [A] ZPO Nr. 6 jeweils m. w. Nachw.).

II. 1. Der Kläger hat die Kündigung des Beklagten durch vertragswidriges Verhalten veranlasst. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger nach der Kündigung des Anwaltsvertrages aufgrund des § 628 I 2 BGB kein Honorar beanspruchen. Dieser Ausgangspunkt lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere schließt die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung die Anwendung der Vorschrift nicht aus (Senat, LM § 611 BGB Nr. 63 = NJW 1982, 437 [438] m. w. Nachw.). Nach dieser Bestimmung steht einem Rechtsanwalt, der durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Mandatsverhältnisses veranlasst hat, ein Anspruch auf Vergütung nicht zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Auftraggeber kein Interesse haben. Eine Leistung ist für den Dienstberechtigten ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist (Erman-Küchenhoff, BGB, 7. Aufl., § 628 Rdnr. 10). In dieser Lage befindet sich der Auftraggeber eines Rechtsanwalts, wenn er wegen der von dem Rechtsanwalt veranlassten Kündigung für einen noch andauernden Rechtsstreit einen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, für den die gleichen Gebühren entstehen wie für den bisherigen Prozessbevollmächtigten. Das führt wegen Interessewegfalls zum Untergang der Gebührenforderung, ohne dass es einer Aufrechnung des Auftraggebers mit Gegenforderungen bedarf (Senat, WM 1977, 369 [371] = LM § 665 BGB Nr. 11; LM § 611 BGB Nr. 63 = NJW 1982, 437 [438], jeweils m. w. Nachw.).

2. Das Berufungsgericht hat nach seinen Feststellungen rechtsbedenkenfrei die Vorschrift des § 627 S. 1 BGB als Grundlage der Kündigung des Beklagten angesehen.

a) Diese Vorschrift gilt für Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, es sei denn - was bei einem Rechtsanwalt regelmäßig, so auch hier, nicht zutrifft - der Dienstverpflichtete stehe in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen. Beruht ein Vertrag auf besonderem Vertrauen, so können beide Vertragspartner bei ernstlicher Erschütterung oder gar einem Fortfall der Vertrauensgrundlage auch dann kündigen, wenn die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund nach der für alle Arbeits- und Dienstverhältnisse geltenden Vorschrift des § 626 BGB nicht gegeben sind (Erman-Küchenhoff, § 627 Rdnr. 2; PalandtPutzo, BGB, 43. Aufl., § 627 Anm. 2 a. E.).

b) Auch das anwaltliche Standesrecht betont die Notwendigkeit eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber. Nach § 43 BRAO hat sich der Rechtsanwalt des Vertrauens, welches die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen. Auch die aufgrund des § 177 II Nr. 2 BRAO erlassenen Richtlinien gehen in §§ 1, 43 (nach dem Stand vom 1. 3. 1982) davon aus, dass die Beziehungen zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber auf einem Vertrauensverhältnis beruhen. Sie sehen deshalb die Annahme von Aufträgen in allen Fällen als ausgeschlossen an, in denen dieses Vertrauensverhältnis nicht bestehen kann; entsprechendes gilt für die Durchführung eines Auftrags.

c) Die personelle Verbindung zwischen den verschiedenen Streitsachen ist für das Kündigungsrecht des Beklagten aus § 627 BGB ohne Bedeutung. Da der Kläger für S und den Beklagten nicht in derselben Rechtssache tätig geworden ist, war die Annahme der Aufträge des Beklagten weder nach § 356 StGB strafbar noch widersprach sie dem anwaltlichen Standesrecht, vgl. § 45 Nr. 2 BRAO und § 46 I der Standesrichtlinien.

3. a) Ein Rechtsanwalt kann zwar in verschiedenen Sachen gleichzeitig für und gegen den Mandanten tätig sein (EGHE 17, 42; Isele, BRAO, S. 567). Der Mandant vertraut in der Regel aber darauf; dass der von ihm beauftragte Rechtsanwalt nur seine Interessen und nicht auch gleichzeitig die Interessen Dritter gegen ihn wahrnimmt. Der Mandant muss deshalb von der gleichzeitigen Tätigkeit im Interesse Dritter unterrichtet werden. Das hat der Kläger nach der Unterstellung des Berufungsgerichts getan; er hat dem Angestellten N des Beklagten mitgeteilt, dass er in einer Haftpflichtsache die Interessen des Autoeigentümers S gegen ihn vertrete. Der Beklagte konnte dem wirksam zustimmen. Davon ist das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum ausgegangen. Bei dem Prozess wegen des Fahrzeugschadens handelte es sich um eine Haftpflichtsache. Gerade in solchen Verfahren kann der Mandant wegen des Eintretens seiner Haftpflichtversicherung regelmäßig damit rechnen, dass seine persönlichen Belange nicht wesentlich berührt werden, und darum mit einer Vertretung des Gegners durch seinen Anwalt einverstanden sein.

b) Das Berufungsgericht hat zwar unterstellt, dass der Beklagte der Wahrnehmung der Interessen des Herrn S durch den Kläger zugestimmt hat. Rechtlich beachtlich ist aber nur eine Einwilligung, die der Auftraggeber in voller Kenntnis der dafür wesentlichen Umstände erteilt hat. Der Mandant kann regelmäßig nicht übersehen, in welcher Weise der Rechtsanwalt in der anderen Sache gegen ihn vorgehen wird. Zur angemessenen Wahrung der Interessen des anderen Mandanten kann es angezeigt sein, im Zivilprozess das Vorzubringende auch in starken, eindringlichen Ausdrücken und sinnfälligen Schlagworten zu sagen, selbst wenn dies dem Gegner unangenehm ins Ohr klingen muss (RGZ 140, 392 [398]; BGH, NJW 1962, 243 = LM § 1004 BGB Nr. 58). Auf diese Möglichkeit muss indes der Rechtsanwalt seinen (neuen) Mandanten hinweisen, wenn er dessen wirksame Einwilligung erhalten will. Dabei braucht er nicht auf Einzelheiten einzugehen, wohl aber muss dem Mandanten deutlich werden, mit welchen Angriffen gegen seine berufliche Tätigkeit oder seine Person er etwa rechnen muss. Nur wenn der Auftraggeber dieses Risiko und damit die Tragweite seiner Einwilligung kennt, muss er sich an ihr festhalten lassen und kann später nicht in der Prozessführung für den Gegner einen Vertragsverstoß erblicken und daraus einen Anlass zur Kündigung nach § 627 BGB herleiten.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen seine Pflicht verstoßen, den Beklagten ausreichend darüber zu unterrichten, welche Folgen seine Einwilligung in die Vertretung des Herrn S für ihn, insbesondere für seine beruflichen Belange haben konnte. Dabei wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass eine ausreichende Unterrichtung des Angestellten N als Vertreter des Beklagten genügt hätte. In der Angelegenheit S ging es um die richtige Auswahl des Malermeisters H und dessen Überwachung. Beides setzte eine ausreichende Sachkunde für die in Betracht kommenden Renovierungsarbeiten voraus. Die damit angesprochene berufliche Qualifikation des Beklagten konnte auch für den anderen Rechtsstreit, in dem es um gegen den Beklagten erhobene Gewährleistungsansprüche ging, von Bedeutung sein. Insoweit musste der Kläger in Rechnung stellen, dass ein Leugnen jeglicher Sachkunde des Beklagten in der Sache S Rückwirkungen auch auf den Rechtsstreit haben konnte, in dem er die Interessen des Beklagten vertrat. Daraus ergab sich die Verpflichtung des Klägers, den Beklagten vor Annahme des Mandants über diesen möglichen Interessenkonflikt aufzuklären. Dieser Verpflichtung ist der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht ausreichend nachgekommen. Seine Behauptung, er habe N mitgeteilt, er werden gegen den Beklagten ebenso deutlich vorgehen, wie dieser es von ihm in seinen Sachen erwarte, konnte die erforderliche Aufklärung über etwa beabsichtigte Angriffe gegen seine berufliche Qualifikation nicht ersetzen. Aufgrund dieser mangelhaften Unterrichtung brauchte der Beklagte nicht davon auszugehen, der Kläger werde solche scharfen Angriffe auch gegen seine Berufsehre vorbringen. Die Behauptung der Revision, der Kläger habe weiter darauf hingewiesen, er werde die Interessen des S in dem Haftpflichtprozess uneingeschränkt wahrnehmen, findet in den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Grundlage. Im übrigen wäre eine solche Äußerung auch zu ungenau, um dem Beklagten hinreichend deutlich vor Augen zu führen, mit welcher Art von Angriffen gegen seine Person er rechnen musste.

c) Hiernach brauchte der Beklagte auch nach der - unterstellten - Aufklärung durch den Kläger jedenfalls nicht mit dem vom Kläger in der Klagschrift des Haftpflichtprozesses enthaltenen Vorwurf zu rechnen, er besitze keinerlei Sachkunde für die von ihm übernommenen Renovierungsarbeiten. Dieser Vorwurf war so gewichtig, dass dem Beklagten nicht angesonnen werden kann, ihn als geringfügig hinzunehmen. Dem Beklagten konnte es nicht gleichgültig sein, von eben dem Rechtsanwalt, der seine berufliche Sachkunde in krasser Form verneinte, weiter in einem Rechtsstreit vertreten zu werden, in dem es auf die Bestätigung dieser Sachkunde ankam. Die Verneinung seiner Sachkunde war deshalb geeignet, das Vertrauen des Beklagten in den Kläger so erheblich zu erschüttern, dass eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr in Betracht kam. Das hat den Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts veranlasst, den Anwaltsvertrag zu kündigen.

4. Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob auch der weitere Vortrag des Klägers in der Klagschrift wegen des Fahrzeugschadens geeignet war, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zu stören und ob er sich in dieser Weise ausgewirkt hat.