Ausfuhrgarantie

Zur Frage der Auslegung der Anrechnungsklausel in § 10 der Allgemeinen Bedingungen für die Übernahme von Ausfuhrgarantien Ausgabe G vom April 1963.

Zum Sachverhalt: Der Beklagte lieferte im Jahre 1963 an den belgischen Kaufmann P Wolle im Gesamtwert von 456974,22 DM. Davon entfielen Lieferungen im Werte von 163047,46 DM auf die Zeit bis Ende April 1963. Durch Ausfuhr-Garantie-Erklärung vom 7. 3. 1963 übernahm die klagende Bundesrepublik eine Garantie mit Selbstbeteiligung für Forderungen des Beklagte bis zu 300000 DM aus Lieferungen von Wolle an P in der Zeit vom 1. 5. 1963 bis zum 30. 4. 1964. Die formularmäßige Garantieerklärung enthielt unter Nr. IV die folgende Regelung: Im Rahmen des garantierten Höchstbetrages erstreckt sich die Garantie auf Forderungen aus laufenden Lieferungen an den ausländischen Abnehmer. Wird der Höchstbetrag überschritten, so fallen alle darüber hinausgehenden Forderungen oder Forderungsteile nur insoweit unter die Garantie, als durch Eingang des Ausfuhrerlöses für garantiert gewesene Forderungen im Rahmen des Höchstbetrages Raum wird...

Der Ausfuhrgarantie wurden im Übrigen die üblichen Allgemeinen Bedingungen für die Übernahme von Ausfuhrgarantien zugrunde gelegt, deren § 10 I wie folgt lautet: Die Entschädigung wird wie folgt festgestellt:

1. Vor Eintritt des Garantiefalles vom Schuldner geleistete Zahlungen sind auf die jeweils ältesten Forderungen anzurechnen.

2. Im Schuldnerland in nicht vereinbarter Währung gezahlte oder hinterlegte Beträge, die noch nicht in die vereinbarte Währung konvertiert und transferiert sind, sind zum letzten amtlichen Kurs im Schuldnerland am Tage vor der Zahlung oder Hinterlegung in die vereinbarte Währung umzurechnen.

3. Von der im Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit dem Garantienehmer gegen den ausländischen Schuldner zustehenden garantierten Forderung kommen in Abzug

a) die nach eingetretener Uneinbringlichkeit geleisteten Zahlungen oder sonstige Leistungen des Schuldners oder dritter Personen,

b) die nach eingetretener Uneinbringlichkeit abgegebenen, noch nicht erfüllten Leistungsversprechen des Schuldners, insbesondere vereinbarte Ausschüttungen und Erlöse aus der schuldnerischen Masse,

c) der Erlös aus Rücklieferungen oder anderweitiger Verwertung von Waren, Pfändungen, Versicherungen und sonstigen Sicherheiten abzüglich der sachgemäß aufgewendeten Kosten,

d) aufrechenbare Forderungen, Forderungsnachlässe, Gutschriften und Leistungen an Zahlung statt,

e) Kursgewinne aus der Abwicklung des den Gegenstand der Garantie bildenden Liefervertrags in voller Höhe, soweit sie garantierte Forderungen betreffen, anteilig im Verhältnis der garantierten zu den nicht garantierten Forderungen, soweit sie sich auf nicht garantierte Forderungen beziehen. Der hiernach verbleibende Rest der Forderung ist um die in der Garantie-Erklärung festgesetzte Selbstbeteiligung des Garantienehmers zu kürzen.

Am 6. 7. 1963 wurde über das Vermögen des P der Konkurs eröffnet. Der Beklagte fiel in dem Konkursverfahren sowohl mit Forderungen aus der Zeit vor als auch nach dem Beginn der Ausfuhrgarantie aus; für die Forderungen aus dem Garantiezeitraum leistete die Kläger die vereinbarte Garantie. Nachträglich erstritt der Beklagte gegen die Banque de Bruxelles einen Schadensersatztitel in Höhe von 200000 DM wegen des Ausfalls bestimmter Forderungen gegen P. Eine dieser Forderungen in Höhe von 65448,43 DM fiel in den Garantiezeitraum, für den die Kläger die Garantie gezahlt hatte; diesen Betrag zahlte der Beklagte der Kläger zurück.

Unter Berufung auf § 10 I Nr. 3 der A. B. verlangt die Kläger mit der Klage Rückzahlung von erbrachten Garantieleistungen in Höhe von weiteren 31093,63 DM, weil die Schadensersatzzahlungen der Banque de Bruxelles für Lieferungen aus der Zeit vor Beginn des Garantiezeitraums anteilig auf die in die Garantiezeit fallenden Forderungen zu verrechnen seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufsgericht der Beklagte zur Zahlung verurteilt. Die Revision des Beklagten führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht hält die Klage mit Rücksicht auf § 10 I Nr. 3 der A. B. für begründet. Seiner Auffassung nach ist die darin vorgesehene anteilige Anrechnung von Zahlungen für garantiefremde Forderungen auf den Umfang der Garantieleistung unbedenklich, da andernfalls die Kläger befürchten müsste, dass der Garantienehmer seinen Schuldner veranlasse, mit den noch vorhandenen Mitteln nicht garantierte Forderungen zu befriedigen, um selbst eine weitestgehende Garantieleistung zu erhalten. Die Möglichkeit einer solchen Manipulation lasse die Anrechnung von Zahlungen auf nicht garantierte Forderungen als billig erscheinen, weil die Kläger langwierige Auseinandersetzungen über einen solchen Missbrauch der Garantie, die auch nicht durch Beweiserleichterungen zu verhindern seien, nicht in Kauf zu nehmen brauche. Dies rechtfertige es, die vorgesehene Anrechnung generell als unbedenklich anzusehen, auch wenn in einer Reihe von Fällen eine Manipulation von vornherein ausgeschlossen sei.

Die Auslegung von § 10I Nr. 3 A. B. durch das Berufsgericht hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen in vollem Umfang oder nur eingeschränkt, nämlich auf Verstöße gegen Rechtssätze, Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze, überprüft werden können; denn die Auslegung durch das Berufsgericht hält bereits einer solchen eingeschränkten Überprüfung nicht stand.

Das Berufsgericht hat allerdings den Text von § 10 I Nr. 3 der A.B. bedenken frei dahin verstanden, dass sich sein vorletzter Satz nicht nur auf den vorangehenden Buchstaben e) sondern auf alle in dem Absatz aufgeführten Fälle einschließlich des hier in Betracht kommenden Buchstabens a), bezieht; denn diese Auslegung ist mit der drucktechnischen Anordnung des Textes vereinbar. Die Klausel würde auch weitgehend ihren Sinn einbüßen, wenn sie nur auf den Buchstaben e) zu beziehen wäre. Nach diesem Wortlaut des § 10 I Nr. 3 Buchst. a) der A. B. sind die nach Uneinbringlichkeit der garantierten Forderungen erbrachten Leistungen des Schuldners oder Dritter auf nicht garantierte Forderungen anteilig auf die garantierten Forderungen anzurechnen. Da die anzurechnenden Leistungen in keiner Weise inhaltlich, zeitlich oder von der Person des Schuldners her näher bestimmt sind, wären nach dem Wortlaut sämtliche Leistungen an den Garantienehmer aus seinen gesamten Rechtsbeziehungen, sofern sie nach dem Garantiefall erbracht werden, mit anzurechnen. Bei wortgetreuer Anwendung dieser Klausel müsste daher z. B. auch die Erfüllung einer inländischen Schadensersatzpflicht aus einem Verkehrsunfall mit einem Dritten hierauf in Anrechnung kommen.