Auslegung eines Pachtvertrages

Die ergänzende Auslegung eines Pachtvertrages kann ergeben, dass der Pächter anstelle seiner Verpflichtung aus dem Pachtvertrag, Schönheitsreparaturen vornehmen zu lassen, bei Beendigung des Vertrages dem Verpächter einen Ausgleich in Geld zahlen muss, wenn der Verpächter die Pachtsache umbaut und dadurch die Schönheitsreparaturen zerstört würden.

Anmerkung: 1. Die Kläger hatte den Bell. eine Gastwirtschaft mit Wohnung verpachtet. Im Pachtvertrag hatten die Pächter die Schönheitsreparaturen übernommen. Bei Beendigung des Pachtvertrages hatten sie die gen Schönheitsreparaturen nicht ausgeführt. Die Verpächterin verlangte im Rechtsstreit neben Schadensersatz für angeblich von den Pächtern verursachte Schäden an der Pachtsache den Betrag, der nach einem in einem Beweissicherungsverfahren erholten Sachverständigengutachten zur Durchführung der Schönheitsreparaturen notwendig war. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob , wie Landgericht und Oberlandesgericht angenommen hatten, ein Anspruch der Verpächterin auf Zahlung des für Schönheitsreparaturen nötigen Betrages insoweit nicht bestand, als die Schönheitsreparaturen durch einen Umbau der Gaststätte, den die Verpächterin vorgesehen hatte und mit welchem sie möglicherweise schon beim Auszug der Pächter begonnen hatte, wieder zerstört worden wären.

2. Bisher ist die Streitfrage nur für den Bereich des Mietrechts erörtert worden. Der BGH hat klargestellt, dass sie bei einem Pachtvertrag nicht . anders als bei einem Mietverhältnis entschieden werden kann.

Rechtsprechung und Schrifttum haben bisher die Frage nur unter dem Gesichtspunkt beurteilt, ob dem Vermieter wegen des Unterlassens der Schönheitsreparaturen ein Schadensersatzanspruch zusteht. Die herrschende Meinung hat einen Schadensersatzanspruch abgelehnt. Teils ist es mit der Begründung geschehen, der Vermieter, der einen Umbau der Mieträume beabsichtige, sei nach Treu und Glauben gehindert, die Erfüllung der Verpflichtung des Mieters zu verlangen, so dass ein Schadensersatzanspruch nicht zur Entstehung gelangen könne (LG Köln, WuM 1977, 253; Bronsch, JR 1970, 125 [126]; Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl. §§ 535, 536 Rdnr. 149). Überwiegend ist ein Schadensersatzanspruch abgelehnt worden unter dem Gesichtspunkt der überholenden Kausalität (OLG Köln, MDR 1971, 665; Landgericht Düsseldorf WuM 1973, 160; Ertnann/Sirp, BGB, 6. Aufl. § 249 Rdnr. 45; Palandt/Heinrichs, BGB, 39. Aufl. Vorbem. 5 faa zu § 249; Tondorf, WuM 1975, 237 [239]).

3. Der BGH ist zu der Auffassung gelangt, dass der Versuch, das Problem über § 326 BGB zu lösen, der Interessenlage der Vertragsteile nicht gerecht wird und dass für den meist vorliegenden Fall des Fehlens einer Vereinbarung darüber, ob dem Vermieter bei einer Sachlage wie hier ein Geldanspruch gegen den Mieter zusteht, im allgemeinen eine gerechte Lösung durch ergänzende Vertragsauslegung gefunden werden kann. Es ist nicht einzusehen, warum der Vermieter, wie es nach § 326 I 1 BGB erforderlich wäre, den Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, die diesen Geld kosten, ihm aber nichts nützen würden, sollte auffordern müssen, um einen Schadensersatzanspruch und damit einen Geldanspruch zu erlangen. Auch die Vorschrift des § 32611 BGB hilft nicht weiter, denn zwar ist die Ausführung der Schönheitsreparaturen durch den Mieter Für den Vermieter nicht mehr von Interesse, aber nicht wegen des Verzuges des Mieters mit der Leistung, sondern weil der Vermieter sich entschlossen hat, die Mietsache umzubauen und deshalb die Ausführung von Schönheitsreparaturen für ihn ohne Wert ist, weil sie beim Umbau zerstört würden.

Die Vorschriften über die Unmöglichkeit (§§ 323, 324 BGB) sind nicht anwendbar, weil der Umstand, dass die Schönheitsreparaturen durch die späteren Umbauarbeiten wirtschaftlich sinnlos werden, die rechtliche Unmöglichkeit der Mieterleistung nicht begründet.

Die Annahme, dem Vermieter stehe ein Geldanspruch nicht zu, entspricht nach Meinung des BGH im Regelfall nicht dem mutmaßlichen Willen der Vertragspartner. Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen stellt sich nämlich im allgemeinen als Teil des Entgelts dar, das er als Gegenleistung für die Leistungen des Vermieters zu entrichten hat. Der BGH hat deshalb die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen als Hauptpflicht und nicht etwa als Nebenpflicht angesehen (BGH, NJW 1977, 36 = LM § 326 [A] BGB Nr. 20 = WM 1976, 1277). Da der Vermieter die ihm im Rahmen des Leistungsaustausches obliegenden Leistungen voll erbracht hat, ist nicht einzusehen, weshalb der Mieter von einem Teil seiner Vertragspflichten ersatzlos befreit werden sollte. Dem mutmaßlichen Parteiwillen wird es daher im Regelfall entsprechen, dem Vermieter einen dem ursprünglichen vertraglichen Anspruch auf Vornahme der Schönheitsreparaturen wertmäßig gleichen Geldanspruch als Erfüllungsanspruch zu gewähren. Der Vermieter erhält auf diese Weise nicht mehr als ihm vertraglich zusteht, der Mieter hat nicht mehr zu leisten, als er nach dem Vertrag zu erbringen hat.

Dazu Stellung zu nehmen, ob das Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung unterschiedlich ausfallen kann je nach dem, ob es sich um unumgänglich notwendige Umbauten handelt oder ob sie vom Vermieter aus freien Stücken vorgenommen werden, gab die Fallgestaltung keinen Anlass. Rechtlich wird ein Unterschied nicht zu machen sein.

Zur Höhe des Geldanspruchs hat der BGH darauf hingewiesen, dass es von Bedeutung sein kann, ob der Vermieter sich nach dem mutmaßlichen Parteiwillen auf die Durchführung der Schönheitsreparaturen durch den Mieter persönlich oder Verwandte oder Bekannte des Mieters hätte einlassen müssen, was der Mieter zu beweisen habe. In der Praxis wird es nicht leicht sein, die Höhe des Geldanspruchs festzustellen. Der BGH sah daher Veranlassung, auf die Möglichkeit einer Schätzung durch das Gericht nach § 287 II ZPO hinzuweisen.