Ausnahmen

Nach §8 Abs. 2 Satz 2 ist ein Flächennutzungsplan nicht erforderlich, wenn der Bebauungsplan ausreicht, um die städtebauliche Entwicklung zu ordnen. Insoweit besteht eine Ausnahme vom Grundsatz der Zweistufigkeit der Bauleitplanung und vom Entwicklungsgebot. In den Fällen des § 8 Abs. 2 Satz 2 übernimmt der Bebauungsplan insoweit die Funktion des Flächennutzungsplans. Der selbständige Bebauungsplan bedarf aus diesem Grunde der Genehmigung nach § 11 Abs. 1 Halbs. 1; die Anzeige genügt nicht. Für die Anwendung des §8 Abs. 2 Satz 2 ist Voraussetzung, dass ein Flächennutzungsplan nicht vorliegt und auch nicht i. S. von §1 Abs. 3 erforderlich ist, so dass auf ihn verzichtet werden kann. Die Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 2 ist ausgeschlossen, wenn ein Flächennutzungsplan zwar vorhanden, aber nicht den Planungsabsichten für den Bebauungsplan entspricht. Hier ist eine Änderung bzw. Ergänzung des Flächennutzungsplans erforderlich, gegebenenfalls im Parallelverfahren nach § 8 Abs. 3. Ein selbständiger Bebauungsplan darf auch nicht aufgestellt werden, falls der vorhandene Flächennutzungsplan rechtsunwirksam sein sollte. Hier hat die Gemeinde das Erfordernis der Flächennutzungsplanung grundsätzlich anerkannt, so dass die Voraussetzungen des §8 Abs. 2 Satz 2 nicht gegeben sind. Das gleiche gilt für den Fall, dass bereits ein Verfahren zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans eingeleitet worden ist. Hier kommt gegebenenfalls das Parallelverfahren nach §8 Abs. 3 in Betracht. Ein selbständiger Bebauungsplan darf nicht aufgestellt werden, wenn ein Flächennutzungsplan objektiv erforderlich ist, die Gemeinde ihn aber nicht aufstellen will oder sich aus sonstigen Gründen hierzu nicht in der Lage sieht. Hier ist erforderlichenfalls im Wege der Kommunalaufsicht die Planungspflicht durchzusetzen. Ob ein Flächennutzungsplan erforderlich oder entbehrlich ist, ist nach der Gesamtsituation in der Gemeinde zu beurteilen. Dabei sind in erster Linie objektive, der Planungsentscheidung der Gemeinde vorgegebene Kriterien maßgebend. Hierzu gehören insbesondere:

- die städtebaulichen Verhältnisse und ihre Entwicklung im Gemeindegebiet wie die Größe der Gemeinde, die Art und das Maß der vorhandenen Bebauung, die zu erwartende Siedlungstätigkeit. Im Falle einer Gebietsänderung ist von den hiernach geschaffenen Verhältnissen auszugehen;

- Ziele der Raumordnung und Landesplanung;

- Vorgaben durch Planungen und Maßnahmen anderer Aufgabenträger, insbesondere vorrangige Fachplanungen, die in eine Gesamtkonzeption eingebunden werden müssen;

- sonstige Rahmenbedingungen gegebenenfalls auch Zwangspunkte für die städtebauliche Planung.

Innerhalb dieses objektiv vorgegebenen Rahmens unterliegt die Entscheidung darüber, was erforderlich ist, auch der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde. Sie richtet sich unter anderem danach, was nach den Planungszielen der Gemeinde notwendig ist und dem Gebot gerechter Abwägung der konkret berührten privaten und öffentlichen Belange entspricht. Der Flächennutzungsplan kann auch infolge der beabsichtigten Bebauungsplanung der Gemeinde erforderlich werden, wenn verschiedene Belange eine Gesamtkoordination verlangen, die über den Geltungsbereich des einzelnen Bebauungsplans hinausreicht z.B. wegen der verkehrlichen Anbindung oder wegen der städtebaulichen Auswirkungen auf die Nachbarschaft oder auf sonstige Nutzungen. So berührt die Frage, wo und wie Gewerbebetriebe unterzubringen sind, die das Wohnen im angrenzenden Wohngebiet erheblich stören, die Grundzüge der Bodennutzung in der gesamten Gemeinde; sie macht deshalb eine Flächennutzungsplanung erforderlich. Das Bedürfnis nach einer Gesamtkoordination wurde auch bei der Planung eines kirchlichen Zentrums in einem Stadtteil angenommen. Ein Flächennutzungsplan wurde auch bei der Planung eines neuen Baugebiets von erheblicher Größe am Stadtrand an einem Berg innerhalb eines Landschaftsschutzgebiets für erforderlich gehalten. Sind bauliche und sonstige Entwicklungstendenzen in der Gemeinde nicht vorhanden und müsste sich der Flächennutzungsplan auf die Darstellung des Vorhandenen beschränken, so kann ein Flächennutzungsplan entbehrlich sein. In einem solchen Fall könnte auch ein Flächennutzungsplan keine eigentlich planerische Funktion erfüllen. Ein selbständiger Bebauungsplan i. S. von §8 Abs. 2 Satz 2 kann hiernach bei dörflichen Gemeinden mit geringer Siedlungsentwicklung in Betracht gezogen werden. Eine derartige Situation ist in den westlichen Bundesländern nach Durchführung der Kommunalreform kaum noch gegeben. Anders ist die Lage in den östlichen Bundesländern, wo die Neugliederung der Gemeinden noch bevorsteht.

Ist ein Flächennutzungsplan erforderlich, so kann er nicht durch einen informellen Plan, z.B. durch einen städtebaulichen Rahmenplan, ersetzt werden. Die informelle Planung reicht nicht aus, die städtebauliche Entwicklung zu ordnen. Aus der informellen Planung kann sich aber das Bedürfnis zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans ergeben. Ob ein Flächennutzungsplan erforderlich ist oder ob ein selbständiger Bebauungsplan ausreicht, ist stets aus gemeindlicher Gesamtsicht zu beurteilen. Die Beurteilung darf nicht allein und isoliert aus der Sicht des jeweiligen Bebauungsplans vorgenommen werden. Auf den Umfang oder den Inhalt des betreffenden Bebauungsplans kommt es allenfalls sekundär an, wenn feststeht, dass ein Flächennutzungsplan nicht erforderlich ist. Ein selbständiger Bebauungsplan ist daher nicht schon deshalb zulässig, weil er nur einen kleinen Teil des Gemeindegebiets erfasst, nur unbedeutende Festsetzungen enthält oder sich aus anderen Gründen nur unwesentlich auf die städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets auswirkt. Auch in einem solchen Fall ist zunächst zu prüfen, ob im Hinblick auf die Gesamtverhältnisse in der Gemeinde ein Flächennutzungsplan erforderlich ist. Nur wenn diese Frage verneint werden kann, kommt ein selbständiger Bebauungsplan in Betracht.