Außerordentliche Kündigung

Zur Frage der Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages.

Auch im Mietrecht gilt Schweigen in der Regel nicht als Zustimmung zu einem Vertragsangebot.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte mietete am 27. 10. 1972 von der Firma C- KG ein ca. 45 qm großes Ladenlokal in einem Bazar zu einem Mietzins von 1300 DM. Das Mietverhältnis begann am 1. 11. 1972 mit einer Laufzeit von zunächst einem Jahr und verlängerte sich dann um drei Jahre, weil es nicht sechs Monate vor Ablauf der Jahresfrist gekündigt wurde. Unter § 8 III des Mietvertrages ist bestimmt: Um die absatzpolitischen Interessen aller im Bazar untergebrachten Betriebe zu wahren, ist der Vermieter berechtigt, die Mieträume selbst unentgeltlich zu Ausstellungen und dergleichen zu verwenden, wenn der Mieter seinen Geschäftsbetrieb in den Mieträumen vor Beendigung der Mietzeit einstellt. Der Vermieter kann dieses Recht auch Dritten übertragen. Im Jahre 1973 erwarb die Kläger das Mietobjekt. Die Verwaltung verblieb noch bis zum 31. 5. 1974 bei der Firma C-KG; am 1. 6. 1974 übernahm die Firma T die Verwaltung. Die Beklagte stellte die Mietzinszahlungen ab Januar 1974 ein und berief sich zur Begründung auf Bau- und Gestaltungsmängel, die schon im Schreiben der Mietergemeinschaft vom 1. 12. 1972 beanstandet worden waren. Am 6. 3. 1974 richtete sie an die Firma C-KG ein Schreiben, das mit folgendem Absatz schloss: Wir setzen Ihnen hiermit eine letzte Frist, uns innerhalb 10 Tagen unsere Schreiben zu beantworten mit einem für uns akzeptablen Vorschlag. Sollten Sie unserer Aufforderung wiederum nicht nachkommen, so werden wir bis zum Ende des Monats unseren Stand räumen und betrachten zu diesem Zeitpunkt auch das Mietverhältnis als erloschen. Das inhaltlich nicht bekannte Antwortschreiben der Kläger vom 15. 3. 1974 stellte die Beklagte nicht zufrieden. Sie kündigte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 10. 4. 1974 das Mietverhältnis fristlos und teilte mit, dass das Ladenlokal zum Monatsende geräumt werde. Unter Bezugnahme auf dieses Kündigungsschreiben übersandte die Beklagte der Kläger am 25. 4. 1974 die Schlüssel für das Mietobjekt. In dem Begleitbrief heißt es u. a.: Bei der Gelegenheit möchten wir Sie davon in Kenntnis setzen, dass der Stand geräumt und gereinigt Ihnen zur Verfügung steht. Ob die Kläger der Kündigung alsbald widersprochen hat, wie sie behauptet, ist zwischen den Parteien streitig. Die neue Verwalterin zeigte der Beklagte am 20. 8. 1974 die Übernahme der Verwaltung an und forderte sie zu weiteren Mietzinszahlungen bis zur Weitervermietung auf. Das Ladenlokal wurde gemäß § 8IIl des Mietvertrages zu Ausstellungszwecken zwei Firmen überlassen. In einem im Dezember 1975 eingeleiteten Vorprozess hat die Kläger die Beklagte auf Zahlung rückständiger Miete für die Monate Januar bis einschließlich März 1974 in Anspruch genommen. Später hat die Kläger ihre Klagebegründung als auf einem Informationsirrtum beruhend widerrufen. Die Beklagte ist im Vorprozess antragsgemäß verurteilt worden. Die Kläger machen vorliegend den Mietzins für die Zeit vom 1. 4. 1974 bis zum 31. 10. 1976 geltend. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Mietzinses für April 1974 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Berufsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht führt aus, das Mietverhältnis sei nicht durch die fristlose Kündigung vom 10.4. 1974 beendet worden, weil sich Gründe gemäß §§ 542, 554a BGB nicht feststellen ließen. Gleichwohl habe es zum 30. 4. 1974 sein Ende gefunden. Die Kündigungserklärung der Beklagte sei in einen Antrag auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages umzudeuten, weil sie wegen der ungünstigen Geschäftsentwicklung unter allen Umständen aus dem Vertragsverhältnis habe ausscheiden wollen. Dieses Angebot habe die Kläger durch Schweigen angenommen.

Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen nicht stand.

1. Die Auffassung der Vorinstanz, der Mietvertrag sei nicht wirksam gekündigt worden nimmt die Kläger als ihr günstig hin. Sie ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2. Die Ansicht des Berufsgerichts, das Mietverhältnis sei durch einen Aufhebungsvertrag beendet worden, ist in der Begründung nicht frei von Rechtsirrtum. Sie lässt sich auch mit anderer Begründung nicht halten.

a) Aufgrund des Schreibens der Beklagte vom 6. 3. 1974 ist ein Aufhebungsvertrag nicht zustande gekommen; denn das inhaltlich nicht näher bekannte Antwortschreiben der Kläger ist unstreitig in einem für die Beklagte ungünstigen Sinne ausgefallen.

b) Es begegnet durchgreifenden Bedenken, die von dem Beklagten am 10. 4. 1974 ausgesprochene fristlose Kündigung in ein Angebot zur Aufhebung des Mietvertrages umzudeuten. Die Umdeutung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist, wie deren Auslegung, Aufgabe des Tatrichters und deshalb in der Revisionsinstanz nur begrenzt nachprüfbar. Das Berufsgericht hat jedoch anerkannte Regeln, insbesondere die Grenzen einer Umdeutung verkannt. Nach § 140 BGB kann ein nichtiges Rechtsgeschäft in ein anderes Rechtsgeschäft umgedeutet werden, wenn es dessen Erfordernissen entspricht und angenommen werden kann, dass es bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. So liegt hier der Sachverhalt nicht, denn die von dem Beklagten ausgesprochene Kündigung ist nicht nichtig, sondern hat mangels hinreichender Kündigungsgründe ihre einseitig rechtsgestaltende Wirkung der Vertragsbeendigung nicht entfaltet. Eine Umdeutung einer - noch dazu von einem Anwalt mit eingehender Begründung ausgesprochenen - einseitig rechtsgestaltenden Willenserklärung in ein annahmebedürftiges Vertragsangebot ist nur dann zulässig, wenn sich der Erklärende bei Abgabe der außerordentlichen Kündigung bewusst gewesen ist, dass sie als einseitige Erklärung nicht wirksam werden könnte, und es für diesen Fall zur Herbeiführung des rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolges der Vertragsbeendigung, gewissermaßen hilfsweise, der Zustimmung des Erklärungsempfängers bedürfe. Das Berufsgericht hat gemeint, dafür reiche die Feststellung aus, die Beklagte habe unter allen Umständen vom Mietvertrage loskommen wollen.