Ausübung des Vorkaufsrechts

In einem Umlegungsgebiet rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn die Gemeinde die zu erwerbende Fläche für Zwecke der Umlegung verwenden will. Die strengen Voraussetzungen für die Versagung einer Genehmigung nach §51 Abs. 3 brauchen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vorzuliegen. Es genügt, wenn der Erwerb des Grundstücks der Umlegung dient, wenn also die Gemeinde z. B. vermeiden will, dass Eigentümer nach §59 ganz oder teilweise in Geld oder mit Grundstücken außerhalb des Umlegungsgebietes abgefunden werden müssen; dies dürfte selbst dann gelten, wenn die Gemeinde ihren außerhalb des Umlegungsgebietes gelegenen Grundbesitz schonen will. Zulässig ist insbesondere auch der Erwerb von Flächen, die nach § 55 Abs. 5 als Ersatzland in die Verteilungsmasse eingebracht werden sollen oder sich zum Austausch gegen andere Grundstücke eignen, um damit eine sachgerechte optimale bodenordnende Planung ohne Verzug durchführen zu können. Denn eine Gemeinde mit einem zum Austausch verwendbaren eigenen Grundbesitz kann zweckvoller und zügiger planen als eine Gemeinde ohne eigenen Grund und Boden. Insoweit ist also auch eine Vorratspolitik zulässig. Dagegen scheidet ein Erwerb aus, wenn die Gemeinde fiskalische Interessen verfolgt, insbesondere wenn sie sich den Umlegungs- oder den Planungsgewinn zunutze machen will. Fraglich ist, ob die Gemeinde ein Grundstück als Austausch- oder Ersatzland für ein anderes Umlegungsgebiet durch das Vorkaufsrecht nach Abs. 1 Nr.2 erwerben kann. Der Wortlaut deutet eher darauf hin, dass die Gemeinde das Grundstück für dasselbe Gebiet verwenden muss. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn beide Umlegungsgebiete in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, also z. B. der Aktivierung eines größeren Baugebietes dienen.

Wohl der Allgemeinheit im Sanierungsgebiet und Entwicklungsbereich. Im Sanierungsgebiet rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn der Grundstückserwerb die Durchsetzung der mit der Sanierung konkret verfolgten städtebaulichen Ziele erleichtert Dazu gehört auch die Beschaffung von Austausch- oder Ersatzland, wobei sich die Gemeinde nicht auf ihren Grundstücksvorrat außerhalb des Sanierungsgebietes verweisen lassen muss. Da die Sanierung häufig eine Vielzahl ineinander greifender Maßnahmen umfasst, kann es genügen, dass der Grundstückserwerb die Sanierung beschleunigt, auch wenn die einzelnen Eigentümer mitwirkungsbereit sind, aber wegen der komplexen Natur der Sanierungsmaßnahme einzeln nicht in der Lage sind, die Sanierung so rasch durchzuführen, wie dies die Gemeinde als Eigentümer mehrerer Grundstücke kann. Unzulässig ist ein reiner Vorratserwerb, insbesondere um die sanierungsbedingte Wertsteigerung von Grundstücken abschöpfen zu können. Diese Folge ist aber als Mitnahmeeffekt unschädlich, wenn der Grundstückserwerb -wie oben ausgeführt - sachlich geboten ist. Auch bei der Sanierung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der die Ausübung des Vorkaufsrechts z.B. für ein bebautes Grundstück verbietet, wenn nur eine Wohnung modernisiert werden soll. Zum Wohl der Allgemeinheit in den Fällen des § 163 Abs. 1 und 2. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt die Ausübung des Vorkaufsrechts im Entwicklungsbereich, wenn der Grundstückserwerb die zügige Durchführung der Entwicklungsmaßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraumes entsprechend den Zielen und Zwecken der Maßnahme erleichtert. Da die Gemeinde im Entwicklungsbereich nach § 166 Abs. 3 Satz 1 alle Grundstücke erwerben soll, rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit in der Regel die Ausübung des Vorkaufsrechts. Insoweit ist daher ein weitgehender Vorratserwerb, allerdings bezogen auf die Entwicklungsmaßnahme, zulässig. In Anpassungsgebieten, in denen die allgemeine Erwerbspflicht nicht gilt, kommt es auf den Einzelfall an, ob das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt, z. B. bei öffentlicher Zweckbestimmung des Grundstücks oder wenn es als Austauschland benötigt wird. Wird ein unbebautes Grundstück bereits entsprechend den Zielen und Zwecken der Entwicklungsmaßnahme genutzt, ist die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 3 Satz 1 ausgeschlossen, da das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung nicht rechtfertigt. Dies gilt selbst dann, wenn der Erwerber Nutzungsänderungsabsichten geäußert hat. Vom Erwerb eines noch nicht maßnahmegerecht genutzten Grundstücks soll die Gemeinde nach § 166 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 absehen, wenn dessen Verwendung nach den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist und der Eigentümer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen und er sich hierzu verpflichtet. Erfüllt der Käufer eines Grundstücks diese Voraussetzungen, fehlt es am Gemeinwohl für die Ausübung des Vorkaufsrechts. Auch bebaute Grundstücke soll die Gemeinde nicht erwerben, wenn eine Änderung von Art und Maß der baulichen Nutzung nicht beabsichtigt ist, so dass auch hier die Ausübung des Vorkaufsrechts in der Regel vom Gemeinwohl nicht gerechtfertigt wird. Die Vorschrift ist jedoch im Zusammenhang mit § 26 Nr. 4 zu sehen: Wird die bauliche Anlage nicht maßnahmegerecht genutzt oder weist sie Missstände oder Mängel auf; kann das Vorkaufsrecht ausgeübt werden. Der Käufer hat es dann in der Hand, das Vorkaufsrecht nach § 27 Abs. 1 Satz 2 abzuwenden. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts ist der zeitliche Zusammenhang zwischen der Ausübung und dem beabsichtigten Zweck zu beachten: Da die zügige Durchführung der Entwicklungsmaßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraumes bereits Voraussetzung für die förmliche Festlegung des Entwicklungsbereiches ist, muss auch der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verfolgte Zweck absehbar sein. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach § 24 Abs. 3 Satz 2 der Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben ist. Die Erleichterung des § 25 Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt also für das Vorkaufsrecht im Entwicklungsbereich nicht. Zum Begriff des absehbaren Zeitrahms. Zum Wohl der Allgemeinheit bei der vorzeitigen Entlassung einzelner Grundstücke; das dort Gesagte gilt entsprechend.

Wohl der Allgemeinheit bei Erhaltungssatzung. Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn die Ausübung die mit der Erhaltungssatzung verfolgten besonderen städtebaulichen Ziele sichern soll, wie sie in § 172 Abs. 3-5 zum Ausdruck kommen, wobei konkret aus diesen Zielen nur diejenigen in Betracht kommen, die in der jeweiligen Erhaltungssatzung genannt sind. Diese auf den ersten Blick selbstverständliche Auslegung hat jedoch bei näherem Hinsehen einige Hürden zu überwinden, die sich insbesondere aus dem Zusammenhang des Abs. 3 Satz 1 mit §26 Nr. 4 und dessen Formulierung ergeben.

Verhältnis des § 24 Abs. 3 Satz 1 zu § 26 Nr. 4. § 26 verneint in den dort genannten Fällen objektiv das Wohl der Allgemeinheit und grenzt damit § 24 Abs. 3 Satz 1 ein. § 26 will nach seiner systematischen Stellung innerhalb der §§ 24-28 verschiedene Ausschlussgründe für alle Vorkaufsrechte einheitlich regeln. Dies ist allerdings in Bezug auf § 24 Abs. 1 Nr. 4 misslungen: Von den Ausschlussgründen in § 26 passt in Bezug auf §24 Abs. 1 Nr.4 nur Nr.4. Danach ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 aufweist. Subsumiert man das Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung unter diese Bestimmung, indem man die Erhaltungssatzung als städtebauliche Maßnahme ansieht, so sind - bei wörtlicher Auslegung - in der Praxis nur wenige Anwendungsfälle denkbar, da § 26 Nr. 4 die Ausübung des Vorkaufsrechts ausschließt, wenn das Grundstück plan- oder zielkonform bebaut ist und genutzt wird. Danach wäre zunächst - im Umkehrschluss - die Ausübung des Vorkaufsrechts zulässig, wenn das Grundstück unbebaut ist. Im Hinblick auf die mit § 172 verfolgten Ziele kommt das Vorkaufsrecht aber allenfalls in Betracht, wenn der Käufer eine bauliche Anlage errichten will, für die die Genehmigung nach § 172 Abs. 3 Satz 2 wegen der Beeinträchtigung der städtebaulichen Gestalt des Gebietes zu versagen wäre. Anlass für die Ausübung des Vorkaufsrechts wäre in diesem Fall allerdings nur die städtebaulich unerwünschte Bebauungsabsicht, nicht hingegen die Tatsache, dass das Grundstück unbebaut ist und die Bebauung städtebaulich erwünscht wäre. Denn das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr.4 ist kein zulässiges Instrument zur Durchführung einer Bebauung, insbesondere zur Abrundung einer städtebaulich schützenwerten Situation. Dieses Vorkaufsrecht soll - in Bezug auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 2 - dazu beitragen, eine störende Bebauung zu verhindern, um die städtebauliche Eigenart eines Gebietes nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu erhalten. Zur Durchsetzung einer Bebauung dient das Satzungsvorkaufsrecht. In den übrigen beiden Fällen des § 172 ist schwer vorstellbar, dass - bei einem unbebauten Grundstück - das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt, da die dort genannten Ziele nur bei bebauten Grundstücken gefährdet werden können.