Baugenehmigung

Auch wenn noch keine Baugenehmigung erteilt wurde, scheidet eine einstweilige Anordnung nach §47 Abs. 8 VwGO regelmäßig aus. Denn der Nachbar kann vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80, 80 a VwGO gegenüber einer später ergehenden Baugenehmigung erlangen, er ist mithin zur Verhinderung des Vollzugs des Bebauungsplans durch Verwirklichung von Bauvorhaben nicht auf eine einstweilige Anordnung nach §47 Abs.8 VwGO angewiesen, so dass diese nicht dringend geboten ist. Allerdings scheidet vorläufiger Rechtsschutz gegenüber einer Baugenehmigung, die aufgrund eines nichtigen Bebauungsplans erteilt wurde, nicht selten schon deshalb aus, weil sich das Bauvorhaben dann nach § 34 oder § 35 beurteilt, die nur in eingeschränktem Umfang nachbarschützende Funktion haben; in solchen Fällen kann mithin der Vollzug des Bebauungsplans nicht durch vorläufigen Rechtsschutz nach §§80, 80a VwGO verhindert werden. Man könnte deshalb in Betracht ziehen, in diesen Fällen eine einstweilige Anordnung nach §47 Abs. 8 VwGO zuzulassen. Das führt aber zu dem eigenartigen Ergebnis, dass bei besonders intensiven Beeinträchtigungen des Nachbarn, bei denen das Baurecht - z.B. wegen Verletzung des Art. 14 GG oder des Gebots der Rücksichtnahme - einen nachbarlichen Abwehranspruch anerkennt, eine einstweilige Anordnung nach §47 Abs. 8 VwGO ausscheidet, während in Fällen geringerer Beeinträchtigung eine einstweilige Anordnung erlassen werden könnte. Es kommt hinzu, dass die Regelung des §47 VwGO selbst davon ausgeht, dass in gewissen Fällen zwar ein Antrag auf Normenkontrolle erfolgreich, gleichwohl aber ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §47 Abs. 8 VwGO unbegründet sein kann, nämlich dann, wenn dem Antragsteller zwar durch den Vollzug einer ungültigen Norm ein Nachteil droht, dieser Nachteil aber nicht die Qualität eines schweren Nachteils im Sinne des §47 Abs. 8 VwGO aufweist. Man wird deshalb davon ausgehen können, dass der durch den Vollzug eines nichtigen Bebauungsplans eintretende Nachteil nicht schwer i. S. d. §47 Abs. 8 VwGO ist, sofern der Nachbar durch diese Baugenehmigung nicht in seinen Rechten verletzt wird und deshalb nicht um vorläufigen Rechtsschutz nach § 80, 80a VwGO nachsuchen kann. Für eine einstweilige Anordnung nach §47 Abs.8 VwGO verbleibt damit allerdings im Bauplanungsrecht nur noch ein geringer Spielraum. Ein solcher Antrag ist wohl nur noch dann zulässig, wenn der Antragsteller eines Normenkontrollverfahrens gegen eine Baugenehmigung keine Rechtsmittel einlegen kann, weil ihm in solchen Fällen grundsätzlich keine Rechtsmittelmöglichkeit eingeräumt ist. Das ist zunächst denkbar bei Mietern und Pächtern, die zwar nach §47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, aber nach §42 Abs. 2 VwGO nicht klagebefugt sind. Wollte man auch in diesem Fall eine einstweilige Anordnung nach §47 Abs. 8 VwGO für unzulässig halten, dann hätten Mieter und Pächter selbst in Fällen schwerster Vernachlässigung ihrer Interessen bei der Aufstellung des Bebauungsplans keine Möglichkeiten, vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen. Eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 8 VwGO kommt ferner in Betracht, wenn der Antragsteller die Verhinderung eines Vorhabens erreichen will, das ohne Baugenehmigung errichtet werden kann, z.B. den Bau einer im Bebauungsplan vorgesehenen Straße oder sonstigen öffentlichen Einrichtung. Eine einstweilige Anordnung kann ferner von Behörden beantragt werden, die auch ohne eigenen Nachteil nach §47 Abs.2 VwGO antragsbefugt, aber nicht nach §42 Abs.2 VwGO klagebefugt sind Hierzu zählt. nach Ansicht des OVG Münster nicht die Nachbargemeinde, die bei Verletzung ihrer Planungshoheit durch Bauvorhaben auf dem Gebiet benachbarter Gemeinden vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO erlangen kann.

Verfahrensgrundsätze - Der Antrag kann in analoger Anwendung des § 123 Abs. 1 VwGO auch schon vor der Einleitung eines. Normenkontrollverfahrens gestellt werden. Das BVerfG lässt einstweilige Anordnungen nach §32 BVer1GG zu, wenn das Hauptsacheverfahren noch nicht anhängig ist. Da §47 Abs. 8 VwGO in Anlehnung an § 32 BVerfGG entstanden ist, liegt es nahe, diesen Grundsatz auch für §47 Abs. 8 VwGO zu übernehmen. Freilich muss dann konsequenterweise über eine entsprechende Anwendung die Möglichkeit eröffnet werden, den Antragsteller zur Einleitung des Normenkontrollverfahrens zu zwingen. Antragsgegner eines Antrags nach §47 Abs. 8 VwGO ist nach allerdings nicht unstreitiger Ansicht nur die Gemeinde, die den Bebauungsplan erlassen hat. Der Ansicht, dass neben der Gemeinde auch die Behörde Antragsgegner sein könne, die den Bebauungsplan zu vollziehen habe, kann nicht gefolgt werden. Denn Antragsgegner in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist grundsätzlich die Körperschaft, gegen die die Klage bzw. der Antrag im Hauptverfahren zu richten ist.

Ober den möglichen Inhalt einer einstweiligen Anordnung nach §47 Abs. 8 VwGO bestehen unterschiedliche Ansichten, die sich vor allem auf die Frage beziehen, ob das OVG generell den Vollzug des Bebauungsplans vorübergehend durch einstweilige Anordnung ganz oder teilweise außer Kraft setzt oder ob in Ausnahmefällen auch Einzelanordnungen zu Gunsten des Antragstellers zulässig sind. Ob der Bebauungsplan generell oder nur in Bezug auf den Antragsteller außer Vollzug gesetzt wird, richtet sich nach dem Rechtsschutzziel des Antragstellers. Soweit der dem Antragsteller drohende schwere Nachteil dadurch beseitigt werden kann, dass eine nur zu Gunsten seiner Person wirkende einstweilige Anordnung ergeht, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine derartige Entscheidung; der von der vorherrschenden Ansicht angeführte Grundsatz, dass eine Norm nur einheitlich gegenüber allen Normbetroffenen Geltung haben könne, besteht nicht, wie z.B. § 17 Abs. 1 Satz 2 zeigt. Freilich kommen solche Fallgestaltungen praktisch nur selten vor, etwa wenn nur eine bestimmte Festsetzung des Bebauungsplans, deren Auswirkung sich auf das Grundstück des Antragstellers beschränkt, unwirksam ist. In der Regel wird der Bebauungsplan in toto oder partiell mit Wirkung für alle Normbetroffenen außer Vollzug zu setzen sein, denn beinah alle Festsetzungen eines Bebauungsplans entfalten Wirkungen für mehrere Grundstückseigentümer. Da der Schutzzweck der einstweiligen Anordnung es häufig verlangt, dass sie nicht nur zwischen dem Antragsteller und der Gemeinde wirkt, sondern auch gegenüber der Baugenehmigungsbehörde und eventuell anderen Grundstückseigentümern, wird einer einstweiligen Anordnung nach §47 Abs.8 VwGO nach beinah allgemein vertretener Ansicht in entsprechender Anwendung des §47 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz VwGO eine Allgemeinverbindlichkeit zuerkannt. Durch eine einstweilige Anordnung wird die Wirksamkeit einer bereits erteilten Baugenehmigung nicht berührt. Die Baurechtsbehörde kann daher auch nicht verpflichtet werden, ein genehmigtes und bereits begonnenes Bauvorhaben stillzulegen.