Baugenehmigungsverfahren
Die, §§ 29ff enthalten im wesentlichen nur materiell-rechtliche Bestimmungen, lediglich für Bauvorhaben des Bundes und der Länder sind in § 37 auch Verfahrensregelungen getroffen worden. Ferner bestimmt § 36, in welchen Fällen das Einvernehmen der Gemeinde bzw. die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde notwendig ist. Im übrigen ist das formelle Baurecht, d. h. die Bestimmungen über das Baugenehmigungsverfahren und die Eingriffsmöglichkeiten der Baurechtsbehörden gegen rechtswidrige bauliche Anlagen in den Landesbauordnungen geregelt. Es besteht aber ein enger Sachzusammenhang zwischen der materiell-rechtlichen Zulässigkeit und der formellen Genehmigungsbedürftigkeit von baulichen Anlagen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Begriff der baulichen Anlage in § 29 weitgehend identisch ist mit dem bauordnungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage, der für die formelle Genehmigungspflicht maßgeblich ist. Zwar verlangt das Bundesverwaltungsgericht neben der im Bauordnungsrecht üblichen Definition der baulichen Anlage als einer mit dem Erdboden verbundenen, aus Bauteilen und Baustoffen hergestellten Anlage zusätzlich noch eine bauplanungsrechtliche Relevanz der Anlage. Diesem zweiten Erfordernis kommt aber praktisch keine Bedeutung zu. Zum anderen ist es nach § 29 Voraussetzung für eine Anwendung der §§ 30-37, dass es sich um genehmigungs- oder anzeigebedürftige bauliche Anlagen handelt. Für nach dem Landesbauordnungsrecht genehmigungs- und anzeigefreie Anlagen gelten mithin die §§ 30 ff nicht. Daraus folgt allerdings nicht, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschriften zur Disposition des Landesgesetzgebers gestellt wäre. Vielmehr muss der Landesgesetzgeber bei der Festlegung derjenigen baulichen Anlagen, die keiner Baugenehmigung bedürfen, auch den Regelungsgehaltlicher Relevanz nicht dadurch dem Anwendungsbereich der §§ 30-37 entziehen, dass er sie für genehmigungsfrei erklärt. Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies zunächst damit, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Bauplanungsrecht nach Art. 74 Nr. 18 GG faktisch ausgehöhlt werden könnte, wenn die Länder auch städtebaulich gewichtige Vorhaben von der Genehmigungspflicht freistellen könnten mit der Folge, dass §§ 30 ff keine Anwendung finden. Ferner enthalte § 38 eine abschließende bundesrechtliche Zusammenstellung derjenigen städtebaulich relevanten Vorhaben, die nicht unter §§ 30ff fallen sollen; dieser Katalog könne nicht durch landesrechtliche Vorschriften über die Genehmigungspflicht erweitert werden. Mit dieser sich aus § 29 ergebenden Beschränkung der Regelungskompetenz der Länder bei der Normierung der Genehmigungsfreiheit baulicher Anlagen ist auch die verfassungsrechtliche Problematik einer eventuell unzulässigen dynamischen Verweisung auf Landesrecht befriedigend gelöst.
Nachbarschutz - §§ 30-35 enthalten nur Bestimmungen über die Zulässigkeit von baulichen Anlagen, dagegen sagen diese Vorschriften nichts über die Frage des Nachbarschutzes aus. Hierin liegt wohl eine der bedeutendsten Schwächen dieser Vorschriften. Zwar gilt insoweit nichts anderes als bei sonstigen baurechtlichen Vorschriften; der Nachbar kann sich nur dann auf eine Verletzung der §§ 30-37 berufen, wenn diese zumindest auch dem Schutz seiner Interessen dienen sollen. Über diese Grundvoraussetzung des Nachbarschutzes besteht zwar weitgehend Einigkeit, dagegen ist es äußerst umstritten, ob und in welchem Umfang die §§ 30 ff im einzelnen nachbarschützend sind, zumal der Wortlaut der Vorschriften keine klare Aussage zulässt. Es hätte daher nahe gelegen, diese Frage anlässlich der Neufassung der §§ 29 ff zu regeln, was jedoch nicht geschehen ist. Vor allem hätte es sich geradezu aufgedrängt, das vom Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme einer gesetzlichen Regelung zuzuführen, zumal das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt hat, beim Gebot der Rücksichtnahme handele es sich nicht um ein allgemein gültiges Rechtsprinzip, sondern um ein einfach-rechtliches Gebot, das zu statuieren der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten ist und das er zwar an einigen Stellen, aber nicht als allgemeines baurechtliches Gebot durchgehend geschaffen hat. Angesichts der Schwierigkeiten, dieses Gebot aus den einzelnen baurechtlichen Tatbeständen der §§ 30 ff herauszulesen und außerdem den Umfang seiner nachbarschützenden Wirkung zu bestimmen, wäre es sehr zu begrüßen, wenn hier eine gesetzliche Klarstellung erfolgt wäre. Die Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts, dem Gebot der Rücksichtnahme komme nachbarschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen sei; dies gelte für diejenigen Ausnahmefälle, in denen - erstens - die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen sei und - zweitens - eine besondere Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen sei; die Schutzwürdigkeit, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherren und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sei dann gegeneinander abzuwägen, ist zwar theoretisch nachvollziehbar, bereitet aber bei der Umsetzung auf den praktischen Einzelfall doch beträchtliche Auslegungsschwierigkeiten. Auch die Frage, ob und in welchem Umfang die bebauungsrechtlichen Vorschriften als solche - also ohne Rücksicht auf das Gebot der Rücksichtnahme - nachbarschützend sind, hätte einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden müssen. Dies wird für die Festsetzungen von Baugebieten nach §§ 2 ff BauNVO durchweg bejaht, für sonstige Festsetzungen aber in der Regel verneint, sofern sich nicht die nachbarschützende Zweckbestimmung aus dem Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung ableiten lässt. Freilich vermittelt das nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in § 15 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme unter Umständen auch dann Nachbarschutz, wenn die mißachtete Festsetzung selbst nicht nachbarschützend ist. § 34 entfaltet nach der Rechtsprechung des BVerwG nur im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme nachbarschützende Wirkung; das Gebot der Rücksichtnahme ist dabei im Begriff des Einfügen verankert. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei klargestellt, dass weder § 34 Abs.! noch § 34 Abs. 3 i. V. m. §§ 2 ff BauNVO als solche nachbarschützende Wirkung haben. Teilweise abweichend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts meint der Hess. VGH, eine nachbarschützende Wirkung des § 34 sei dann gegeben, wenn in vergleichbaren Fällen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ein Nachbarschutz zu bejahen ist. Bei § 35 wird ein Nachbarschutz für privilegierte Vorhaben anerkannt, soweit durch die Genehmigung eines anderen Vorhabens die Privilegierung in Frage gestellt wird; im übrigen kann im Außenbereich aber ebenfalls nur mit Hilfe des Gebots der Rücksichtnahme, das einen öffentlichen Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 darstellt, ein nachbarlicher Abwehranspruch in Anspruch genommen werden.