Beschädigung eines Stromkabels
Zur Frage, ob der infolge Beschädigung eines Stromkabels betroffene Gewerbebetrieb Ersatzansprüche auf den zwischen dem Bauunternehmer und dem Auftraggeber geschlossenen Vertrag stützen kann.
Zum Sachverhalt: Die Beklagte führte im Auftrag der Stadt B. und des Zweckverbandes Abwasserreinigung Erdaushubarbeiten für den Bau eines Ortskanals und eines Verbindungssammlers durch. Im Zuge der Arbeiten für den Verbindungssammler, die vom Zweckverband vergeben wurden, beschädigte sie durch einen von einem ihrer Arbeiter geführten Bagger ein Stromkabel, das u. a. den Betrieb der Kläger versorgte. Dadurch kam es bei dieser zu einer 32 Minuten dauernden Unterbrechung der Stromzufuhr und somit zu einem Arbeitsstillstand, von dem 1385 Beschäftigte betroffen waren.
LG und Oberlandesgericht haben die Schadenersatzklage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. 1. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Kläger wegen unerlaubter Handlung aus § 8231 BGB, weil nicht ein durch diese Norm geschütztes Rechtsgut verletzt sei, es sich vielmehr bei den von der Kläger während des Stromausfalls ohne entsprechende Arbeitsleistung aufgewandten Löhnen nur um einen Vermögensschaden handele. Es verneint dabei auch die Annahme eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Aber auch § 823 II BGB scheide als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatz aus, weil § 18111 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg (BadWürtt-BauO), der dem Schutz von Stromkabeln im Zuge von Baumaßnahmen dient, nicht den Charakter eines Schutzgesetzes zugunsten der an das öffentliche Stromnetz angeschlossenen Abnehmer elektrischer Kraft habe.
2. All dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
a) Der Senat hat bereits mehrfach zu den Voraussetzungen Stellung genommen, die erfüllt sein müssen, um einen ersatzpflichtigen Eingriff in einen Gewerbebetrieb bejahen zu können (BGHZ 29, 65 = LM § 823 [Ai] BGB Nr. 16 = NJW 1959, 479; BGHZ 41, 123 = LM § 823 [Ac] BGB Nr. 9 = NJW 1964, 720; BGHZ 66, 388 [393] = NJW 1976, 1740). Die dabei herausgestellten Grundsätze ergeben im Streitfall, dass die Beschädigung des Stromkabels durch den von der Beklagte eingesetzten Bagger nicht als Angriff gegen den Gewerbebetrieb der Kläger selbst gerichtet angesehen werden kann, weil es an dem Erfordernis der Betriebsbezogenheit fehlt. In seiner schon erwähnten Entscheidung BGHZ 29, 76 (74) = LM § 823 [Ai] BGB Nr. 16 = NJW 1959, 479, hat der Senat in einem ähnlich gelagerten Fall hierzu ausgeführt, dass ebenso wenig wie die Verletzung von Angestellten eines Betriebes oder die Zerstörung von zum Betriebe gehörenden Kraftfahrzeugen die Unterbrechung des zu einem Unternehmen führenden Stromkabels durch einen Baggerführer in Beziehung gerade zu diesem Gewerbebetrieb steht, weil die Lieferung elektrischen Stroms über ein Kabel und der Anspruch darauf keine dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wesenseigentümliche Eigenheit darstellt, zumal gleiche rechtliche Beziehungen auch zwischen den anderen, am selben Stromkabel angeschlossenen Abnehmern und dem Stromversorgungsunternehmen bestehen. Weitere Ausführungen hierzu sind im Streitfall schon um deswillen nicht veranlasst, weil die Revision selbst nicht einen gegenteiligen Standpunkt vertritt.
b) In seinem Urteil vom 8. 6. 1976 (BGHZ 66, 388 = LM § 823 [Bf] BGB Nr. 64 = NJW 1976, 1740) hat der Senat unter Aufgabe der früher vertretenen Auffassung (vgl. z.B. NJW 1968, 1279 = VersR 1968, 593) bereits ausgesprochen, dass § 18 III BadWürttBauO (und die nach gleichem Muster gestalteten Vorschriften der Bauordnungen anderer Länder) keine Schutzgesetze zuungunsten von Stromabnehmern sind, die bei Beschädigung eines Versorgungskabels durch Stromausfall Vermögensschäden erleiden. Danach begegnen die Erwägungen des Berufungsgerichts, dem das vorgenannte Senatsurteil offensichtlich noch nicht bekannt war, keinen rechtlichen Bedenken. Im übrigen greift auch die Revision insoweit das Berufungsurteil nicht an.
II. Das Berufungsgericht verneint entgegen der von der Kläger schon in der Klageschrift vertretenen Auffassung auch einen vertraglichen Anspruch sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht. Dabei hat es allerdings seiner rechtlichen Beurteilung die dem unstreitigen Sachverhalt entsprechende und nicht angefochtene Feststellung zugrunde gelegt, dass anlässlich einer Ortsbesichtigung in Anwesenheit je eines Vertreters des Zweckverbandes, der Stadt B. und der Parteien von dem Betriebsleiter der Kläger und dem Vertreter der Stadt ausdrücklich auf das im Bereich der bevorstehenden Erdarbeiten verlegte Hauptstromkabel und auf dessen Bedeutung für den Betrieb der Kläger hingewiesen worden war. Dabei sei von dem beauftragten Bauführer W der Beklagte zugesagt worden, in der Nähe dieses Kabels nicht mit einem Bagger, sondern nur mit der Hand graben zu lassen. Die Angriffe der Revision gegen diese rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts und insbesondere gegen die Ablehnung einer Einbeziehung der Kläger, in den Schutzbereich des zwischen dem Zweckverband einerseits und der Beklagte andererseits geschlossenen Werkvertrages greifen -jedenfalls im Ergebnis - nicht durch.
1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen in dessen Schutzbereich mit einbezogen werden können mit der Folge, dass sie zwar nicht, wie dies dem echten Vertrag, zugunsten Dritter gemäß § 328 I BGB eigentümlich ist, einen eigenen Leistungsanspruch erwerben, dass ihnen aber ein vertraglicher Schadensersatzanspruch erwächst, falls der Schuldner durch schuldhaftes vertragswidriges Handeln ihnen einen Schaden zufügt. Die in dieser Rechtsprechung entschiedenen Fälle stimmen darin überein, dass die Einbeziehung Dritter, am Vertragsschluss selbst nicht Beteiligter in den vertraglichen Schutzbereich, die von den Vertragsschließenden nicht ausdrücklich vereinbart war, sich aus Sinn und Zweck des jeweiligen Vertrages und dessen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben erfolgten Auslegung (§ 157 BGB) ableiten ließ (vgl. BGHZ 56, 269 [273] = NJW 1971, 1931), wobei letztlich das Innenverhältnis zwischen Gläubiger und einbezogenem Dritten, nicht dasjenige zwischen den Vertragsparteien ausschlaggebend war (so insbesondere BGHZ 51, 91 [96] = LM § 823 [J] BGB Nr. 22 = NJW 1969, 269). Um einer nicht mehr erträglichen und mit den Grundsätzen von Treu und Glauben im Blick auf den Schuldner einer vertraglichen Leistung nicht mehr zu vereinbarenden Ausweitung vertraglicher Sorgfaltspflicht zu steuern, hat der Senat wiederholt darauf hingewiesen, dass nur dann eine Erstreckung der Sorgfalts- und Obhutspflichten über den Kreis der Vertragsgenossen hinaus in Betracht kommt, wenn der berechtigte Gläubiger - im Streitfall der Zweckverband- sozusagen für das Wohl und Wehe des Dritten mitverantwortlich ist, weil er ihm Schutz und Fürsorge zu gewähren hat (so insbesondere BGHZ 51, 91 [96] = LM § 823 [J] BGB Nr. 22 NJW 1969, 269; Senat, NJW 1974, 1189 = LM § 823 [Ae] BGB Nr. 4 = VersR 1974, 860). Dieses Erfordernis, das notwendig ist, um die Grenze zwischen vertraglicher Haftung und einer Haftung aus unerlaubter Handlung nicht in unzuträglicher und dem gesetzgeberischen Willen entgegenstehender Weise zu verwischen, wird in aller Regel nur dann als erfüllt angesehen werden können, wenn zwischen Vertragsgläubiger und dem Dritten ein Rechtsverhältnis mit personenrechtlichem Einschlag besteht, wie es vor allem bei familien-, arbeits- oder mietrechtlichen Beziehungen der Fall ist (vgl. BGHZ 51, 91 [96] = LM § 823 [J] BGB Nr. 22 = NJW 1969, 269).
2. Zu Unrecht meint die Revision, das Berufungsgericht habe gegen diese Grundsätze verstoßen, wenn es im Streitfall die Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Kläger in den Schutzbereich des zwischen der Beklagte und dem Zweckverband geschlossenen Werkvertrages nicht für erfüllt angesehen hat.
a) Es fehlt hier das besondere, durch die Verantwortung des Zweckverbandes für das Wohl und Wehe der Klägergekennzeichnete Rechtsverhältnis. Diese war von der Sicht des Vertragsgläubigers aus nur einer von ihrer Anzahl nach unbestimmten Stromabnehmern, die durch eine Kabelbeschädigung betroffen werden konnten. Der Senat hat indes bereits in seinem Urteil vom 3. 11. 1961 (VersR 1962, 86 [88]) zum Ausdruck gebracht, dass sich die Ausweitung der Vertragspflichten schon darum verbietet, weil durch mangelhafte Arbeitsausführung oder Vernachlässigung von Sicherungsmaßnahmen alle möglichen Personen - Hauseigentümer, Mieter, Gewerbetreibende usw. - geschädigt werden könnten, der Vertragsschutz sich daher auf einen nicht mehr zu übersehenden unbegrenzten Personenkreis erstrecken würde. Der Umstand allein, dass möglicherweise ein Stromausfall den Betrieb der Kläger besonders hart traf und zu einem erheblichen Vermögensschaden führte, rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass es dem Zweckverband oblag, für deren Wohl und Wehe Sorge zu tragen, weil eine Schädigung der Kläger auch diesen, den Zweckverband, hätte treffen können. Selbst wenn man ein gewisses Interesse dieses Vertragsgläubigers an der Nichtbeschädigung des Stromkabels bejahen wollte, so ist dies doch nur allgemeiner Art und nicht etwa nur oder überwiegend auf die Belange der Kläger bezogen, die vom Gläubiger hätte Fürsorge beanspruchen können.
c) Somit muss der Ortsbesichtigung eine den Werkvertrag zwischen Beklagte und Zweckverband beeinflussende Wirkung abgesprochen werden. Daher ist sie als bloßer Teil der dem Beginn der Bauarbeiten dienenden Einweisung, die der Zweckverband schuldete, um der Beklagte die notwendigen Maßnahmen zum Schutze von Versorgungskabeln (neben Stromkabeln auch noch Fernemeldeleitungen, § 371 StGB) zu ermöglichen, trotz des besonderen Hinweises auf einen der Kläger im Falle der Stromunterbrechung drohenden Schaden nicht geeignet, in Durchbrechung der oben hervorgehobenen Grundsätze zu deren Einbeziehung in den vertraglichen Schutzbereich zu führen. Wollte man nämlich dem Vertragsgläubiger gestatten, auch noch nach Vertragsschluss durch einseitige Erklärung gegenüber dem Schuldner oder auch einem nicht einmal mit Vertretungsmacht ausgestatteten Beauftragen dieses Schuldners den Kreis der in den Schutzbereich einzubeziehenden Dritten zu bestimmen, so würde letzterer nicht mehr in der Lage sein, im wesentlichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses das übernommene Risiko zu überschauen.
3. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht einen der Kläger vom Zweckverband abgetretenen Ersatzanspruch nach den Grundsätzen über die Drittschadensliquidation verneint. Die Voraussetzungen hierfür (BGHZ 51, 91 [93 ff] = LM § 823 [J] BGB Nr. 22 = = NJW 1969, 269), liegen nicht vor. Es fehlt an besonderen Rechtsbeziehungen zwischen dem Zweckverband, dem aus dem Vertrag mit der Beklagte berechtigten Gläubiger, und der Kläger, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass der entstandene Schaden rechtlich nicht den Gläubiger, sondern sie treffe. Nur dann muss der Ersatzpflichtige dem Gläubiger das Gläubigerinteresse auch aufgrund von dessen rechtlicher Interessenverknüpfung mit einem Dritten ersetzen, wenn das Gläubigerinteresse im Augenblick der Rechtsverletzung statt beim Gläubiger bei diesem Dritten entstanden oder auf diesen übergegangen ist. Das gilt - mit wenigen Ausnahmen (z. B. BGHZ 40, 91 [100] = LM § 551 Ziff. 1 ZPO Nr. 41 = 1963, 2071) - dann, wenn der Gläubiger für Rechnung des Dritten kontrahiert hatte (z. B. BGHZ 25, 250 [258] = LM § 662 HGB Nr. 4 = NJW 1957, 1838) oder wenn die Sache, die in die Obhut des Schuldners gelangt ist, nicht dem Gläubiger, sondern dem Dritten gehörte (so BGHZ 15, 224 = LM § 249 [D] BGB Nr. 1 = NJW 1955, 257). Eine derartige Sachlage liegt hier aber nicht vor (vgl. auch Senat, NJW 1959, 479 = VersR 1959, 150 [153], insoweit in BGHZ 29, 65. = LM § 823 [Ai] BGB Nr. 16 nicht abgedruckt). Ob sich eine ähnliche Rechtslage dann ergeben kann, wenn dem Vertragspartner erkennbar gerade zum Schutze des Dritten besondere Sorgfaltspflichten vertraglich auferlegt sind, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn eine solche Vereinbarung läßt sich, wie oben ausgeführt, nicht feststellen.