Beschlagnahme der Forderung

Es ist zulässig, dass der Schuldner mit Gesamtgläubigern vereinbart, er werde auf die Dauer einer Beschlagnahme der Forderung bei einem der Gesamtgläubiger nur an einen anderen von ihnen leisten. Eine solche Vereinbarung kann besagen, dass der Schuldner gegenüber den anderen Gesamtgläubigern nicht seine Leistung mit der Begründung verweigern darf, er habe mit einer Gegenforderung gegen denjenigen Gesamtgläubiger aufgerechnet, bei dem die Beschlagnahme eingetreten ist.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte und ihr Ehemann verkauften mit notariellem Vertrag vom November 1966 an den Kläger ein Grundstück u. a. gegen Bezahlung einer Leibrente auf Lebzeit des Längstlebenden der beiden Verkäufer in einer damaligen Höhe von 1250 DM monatlich. Die Rente sollte nach dem Vertrag den Lebensunterhalt der Berechtigten sichern und war einer Wertsicherungsklausel unterworfen. Der Kaufvertrag enthielt weiter folgende Regelung: ... Die Gläubiger sind gesamtberechtigt i. S. des § 428 BGB. Der Käufer kann nach seinem Belieben die Rente an einen der Berechtigten leisten. Wird bei einem Berechtigten der Rentenanspruch mit Beschlag belegt, dann hat der Käufer für die Dauer der Beschlagnahme nur an den anderen Teil zu zahlen ... Im August 1974 ließ ein Gläubiger die Rentenansprüche des Ehemanns der Beklagte gegen den Kläger aus dem Grundstücksverkauf pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Der Gläubiger, der zunächst mit der Weiterzahlung der Rente an die Beklagte nach dem Vertrag einverstanden war, verlangte im August 1977 vom Kläger, dass dieser an die Beklagte nur noch die Hälfte der Rente zahle und die andere Hälfte zu seinen Gunsten und zugunsten des Pfändungsschuldners hinterlege. Diesem Verlangen kam der Kläger ab Oktober 1977 nach. Die Beklagte hatte sich bereits im März 1976 eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Kaufurkunde erteilen und diese dem Kläger zustellen lassen. Der Kläger behauptet, selbst eine Forderung von 50000 DM gegen den Ehemann der Beklagte, den Pfändungsschuldners, zu haben. Er hat mit dieser Forderung gegen die Rentenansprüche der Beklagte die Aufrechnung erklärt. Der Kläger hat Zwangsvollstreckungsgegenklage erhoben und beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde in Höhe von 50000 DM für unzulässig zu erklären.

Beide Vorinstanzen haben die Klage im wesentlichen abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass der Kläger als Schuldner der Leibrentenzahlung schon dann zur Aufrechnung berechtigt ist, wenn er auch nur gegen einen der beiden Gesamtgläubiger eine aufrechenbare Forderung hat, weil er an sich nach seinem Belieben an jeden der beiden Gläubiger leisten kann (BGHZ 55, 20 [33] = LM § 771 ZPO Nr. 6 = NJW 1971, 799; BGH, WM 1961, 1149 [1151]). Es meint aber, dies gelte hier deswegen nicht, weil der Kläger als Schuldner seit der Pfändung der Leibrentenforderung des Ehemannes der Beklagte und für deren Dauer kraft ausdrücklicher vertraglicher Bestimmung kein Wahlrecht mehr habe, an welchen der beiden ursprünglichen Gesamtgläubiger er mit befreiender Wirkung leisten könne. Es könne für die Dauer der Beschlagnahme vielmehr allein an die Beklagte mit befreiender Wirkung zahlen. Eine solche vertragliche Vereinbarung besagt nach Auffassung des Berufungsgerichts auch, dass für die Dauer der Beschlagnahme der Kläger nicht mit einer gegen den Ehemann der Beklagte begründeten Forderung aufrechnen könne.

II. Die Revision nimmt die Meinung des Berufungsgerichts hin, die Vereinbarung der Parteien im Kaufvertrag über die Pflicht zur Rentenzahlung an den einen der beiden Gesamtgläubiger, wenn beim anderen der Rentenanspruch mit Beschlag belegt ist, sei weder sittenwidrig (§ 138 BGB) noch verstoße sie gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot (§ 135 BGB). Ein Rechtsfehler ist insoweit auch nicht erkennbar. Der Schuldner kann gegenüber einem der Gesamtgläubiger schon nach dem Gesetz (§ 428 BGB) immer, insbesondere auch dann nach seinem Belieben mit befreiender Wirkung die geschuldete Leistung erbringen, wenn ein anderer Gesamtgläubiger gegen ihn bereits Klage erhoben oder die Zwangsvollstreckung eingeleitet hat (Weber, in: RGRK, 12. Aufl., § 428 Rdnr. 23; Erman-Westermann, BGB, 6. Aufl., § 428 Rdnr. 2; Palandt-Heinrichs, BGB, 38. Aufl., § 428 Anm. 1). Der Schuldner kann also jederzeit den Versuch eines der Gesamtgläubiger, sich im Wege der Zwangsvollstreckung Befriedigung wegen der Forderung zu verschaffen, dadurch zum Scheitern bringen, dass er an einen anderen Gesamtgläubiger leistet. Der Kläger konnte demnach schon nach dem Gesetz ohne Rücksicht auf die im notariellen Kaufvertrag zwischen ihm und den Verkäufern getroffene Vereinbarung mit befreiender Wirkung an die Beklagte die Leibrentenzahlung solange leisten, wie diese Forderung beim Ehemann der Beklagte gepfändet war; denn der Pfändungsgläubiger ist nur zur Geltendmachung des Rechts seines Schuldners, in dessen Recht er eingesetzt ist, im eigenen Namen ermächtigt (BGH, NJW 1978, 1914 = LM § 208 BGB Nr. 9 = WM 1978, 632). Der Kläger konnte also stets eine Pfändung bei einem seiner Gesamtgläubiger dadurch ins Leere gehen lassen, dass er an den anderen Gläubiger zahlte. Unter diesen Umständen kann es nicht als Gesetzes- oder Sittenverstoß angesehen werden, wenn für den Fall einer Beschlagnahme die Forderung bei einem der Gesamtgläubiger eine Verpflichtung zur Zahlung an einen anderen Gesamtgläubiger übernommen wird; denn diese Verpflichtung geht nicht über die Möglichkeit der Zahlung hinaus, die bereits das Gesetz dem Schuldner gegenüber Gesamtgläubigern einräumt.

III. 1. Die Revision meint, auch während der Zeit der Beschlagnahme der Forderung bei einem der beiden Gesamtgläubiger sei dessen Gesamtgläubigerstellung nicht erloschen. Die Verkäufer hätten mit der Vertragsklausel nur verhindern wollen, dass die Leibrentenzahlungen an den Gläubiger eines von ihnen hätten fließen und der andere dadurch hätte leer ausgehen können. Der Kläger habe deshalb auch nach der Pfändung mit seiner gegen den Ehemann erworbenen Forderung aufrechnen dürfen.

2. Das Berufungsurteil hält diesem Revisionsangriff stand.

a) Wenn das Berufungsgericht ausführt, dass infolge der Vereinbarung im notariellen Kaufvertrag der Kläger auf die Dauer der Pfändung der Forderung bei dem Ehemann nur an die Beklagte die Rente zahlen und dass er in diesem Falle nicht an den Ehemann mit befreiender Wirkung leisten konnte - auch nicht durch Aufrechnung mit einer Forderung gegen diesen -, dann legt es die vertragliche Vereinbarung der Parteien des Kaufvertrages dahin aus, dass auf die Dauer einer Beschlagnahme der Forderung bei einem der beiden Gesamtgläubiger auch eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung des Klägers gegen diesen Gesamtgläubiger ausgeschlossen sein sollte. Darin liegt zwar, entgegen der Meinung des Berufungsgerichts, hier, bei nur zwei Gesamtgläubigern, eine zeitweilige Aufhebung der Gesamtgläubigerschaft, die aber nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig ist.

b) Diese vom Tatrichter vorgenommene Auslegung des notariellen Kaufvertrages ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Für den Fall, dass gegen den einen der Gesamtgläubiger, hier den Ehemann, Pfändungen auf die Rente ausgebracht waren, hatte der Kläger sich seines Wahlrechts im Kaufvertrag begeben. Er musste für die Dauer einer solchen Beschlagnahme immer an die Beklagte zahlen und konnte seine Leistung nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an den Ehemann erbringen. Eine solche Vereinbarung ist, wie dargelegt, zulässig. Die Aufrechnung mit Gegenforderungen ist ein Leistungsersatz. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger auf die Dauer der Pfändung auch nicht mit Gegenforderungen gegen den Ehemann aufrechnen können sollte, also keinen ihm nur gegen den Ehemann zu Gebote stehenden Leistungsersatz mit schuldbefreiender Wirkung benützen konnte, erscheint interessengerecht; denn sie trägt der von den Parteien des Kaufvertrags gewollten alleinigen Gläubigerstellung des einen der beiden Gesamtgläubiger für die Dauer einer Pfändung bei dem anderen Rechnung. Die Revision versucht vergeblich, ihre Auslegung an die Stelle derjenigen, die das Berufungsgericht gefunden hat, zu setzen.

c) Das der Kläger gegen die Beklagte selbst keine aufrechenbare Forderung hat, ist unstreitig. Wenn das Berufungsgericht eine befreiende Wirkung der Hinterlegung des streitigen Rententeils nach § 372 S. 2 BGB hier verneint hat, so ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision hat hiergegen auch Angriffe nicht erhoben.