Bierlieferungen

Zur Frage, wie ein Vergleich, der über Schadensersatzansprüche eines iranischen Bierimporteurs gegen einen deutschen Lieferanten vor der islamischen Revolution geschlossen wurde, nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen ist.

Zum Sachverhalt: Im Jahre 1977 bestellte die Kläger, eine iranische Importfirma, bei der Beklagte, einer deutschen Brauerei, 12000 Kartons mit je 24 Dosen Export-Bier zum Preis von 15,36 DM pro Karton. Sie zahlte den Kaufpreis von 184320 DM im Juli 1977 mit Akkreditiv der Bank von Teheran. Die Ware, die cif Teheran geliefert werden sollte, wurde im August 1977 von Bremen aus in einen persischen Hafen verschifft und von dort aus zum größten Teil ins Landesinnere befördert. Bei der nachfolgenden Untersuchung stellte die Kläger fest, dass etwa 40% der Ware beschädigt und unbrauchbar war. Die Parteien schlossen sodann am 7. 11. 1978 folgenden Vergleich: Bis 31. 5. 1980 wird der Kläger ein Festpreis pro Karton 24/33 cl von 9,30 DM eingeräumt.... In den nächsten Tagen erfolgt eine Auszahlung in Höhe von 20000 DM auf das Konto der Kläger. Die restlichen 20000 DM aus der Schadensreklamation werden nach Erhalt eines Akkreditivs über 20000 Kartons Dosenbier ausgezahlt.... Die 20000 DM zahlte die Beklagte an die Kläger Zu weiteren Bierlieferungen und zur Zahlung der restlichen 20000 DM an die Kläger kam es nicht mehr. Im Januar 1979 übernahm der Ayatollah Khomeini nach der Flucht des Schah die Macht im Iran. Seitdem besteht nach der Darstellung der Kläger in der Islamischen Republik ein uneingeschränktes - unter der Androhung der Todesstrafe stehendes - Verbot, Alkohol in den Iran einzuführen oder mit alkoholischen Erzeugnissen zu handeln. Auf den Wunsch der Kläger, über eine anderweitige außergerichtliche Einigung zu verhandeln, ging die Beklagte nicht ein. Die Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit Schadensersatz für angeblich unbrauchbare Bierdosen in Höhe von 53728 DM geltend gemacht.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang, das Oberlandesgericht hat ihr lediglich in Höhe von 37000 DM stattgegeben. Die - zugelassene - Revision der Kläger blieb erfolglos.

Aus den Gründen:Das Berufsgericht hat eine Unmöglichkeit der Leistung mit der Begründung verneint, das Verbot, Bier in den Iran einzuführen, habe die Beklagte von ihrer Schadensersatzpflicht nicht befreit. Das wird von den Parteien nicht angegriffen und ist jedenfalls im Ergebnis schon deshalb richtig, weil die Kläger ihre nach dem Vergleich zu erbringenden Leistungen im Vergleich selbst bereits erbracht hat und die Beklagte ihre Leistungen, nämlich Zahlung weiterer 20000 DM, aber auch Bierlieferungen zum Vorzugspreis durch die schon 1977 widerspruchslos angekündigte Lieferung fob deutscher Hafen erbringen konnte. Die Bestellung von Bier und die Eröffnung eines Akkreditivs waren keine Verpflichtung der Kläger, sondern standen als Voraussetzung für die Leistung der Beklagte im Belieben der Kläger

Zutreffend und auch von der Revision nicht beanstandet hält das Berufsgericht den Vergleich nicht für unwirksam nach § 779 BGB. Nur wenn der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprochen hat, ist der Vergleich nach dieser Vorschrift nicht wirksam. Haben sich die Parteien dagegen bei Vergleichsabschluss Vorstellungen über das Eintreten oder Ausbleiben künftiger Ereignisse - wie hier möglicherweise über die politische Entwicklung im Iran und deren Auswirkungen auf ihr Vertragsverhältnis - gemacht, so kann ein Zuwiderlaufen der Entwicklung mit ihren Erwartungen nicht zu einer Nichtigkeit des Vergleichs nach § 779 BGB führen.

Das Berufsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Geschäftsgrundlage des Vergleichs vom 7. 11. 1978 nachträglich fortgefallen ist.

Auch die Revision verkennt nicht, dass ein Vergleich der Prüfung sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 779 BGB als auch demjenigen des § 242 BGB unterzogen werden kann.

Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut. Es hält den Angriffen der Revision stand, wenn das Berufsgericht in der Möglichkeit weiterer Zusammenarbeit der Parteien die Geschäftsgrundlage des Vergleichs gesehen hat. Es handelte sich dabei nicht nur um einen - von den Parteien mehrfach geäußerten - Wunsch. Nur im Wege künftiger Zusammenarbeit ließ sich vielmehr der beabsichtigte wirtschaftliche Zweck des Vergleichs, den der Kläger entstandenen Schaden auszugleichen, verwirklichen. Denn die Inanspruchnahme eines Vorzugspreises war für die Kläger wirtschaftlich sinnvoll nur, wenn sie die bei dem Beklagten bestellte Ware auch verwerten konnte. Der Annahme, dass die entsprechende Vorstellung der Parteien die Geschäftsgrundlage des Vergleichs bildete, steht nicht der Grundsatz entgegen, dass Umstände, die in den Risikobereich der einen oder anderen Vertragspartei fallen, ihr nicht das Recht geben, sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen. Zwar fällt das Weiterverkaufsrisiko im Geschäftsleben in der Regel in die Sphäre des Käufers. Indessen hat das Berufsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Kaufvertrag, sondern um ein Rechtsgeschäft handelte, mit dem die Beklagte der Kläger Ersatz für einen bei dieser eingetretenen Verlust leisten wollte. Es sind keine Umstände ersichtlich, aus denen folgte, dass nach dem Willen der Vertragsparteien das Risiko des Scheiterns des mit dem Vergleich beabsichtigten Entschädigungszwecks ausschließlich von der Kläger getragen werden soll.

Die Geschäftsgrundlage des Vergleichs ist fortgefallen. Das Berufsgericht hat festgestellt, dass der Handel mit Alkohol im Iran verboten ist. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg....