Bindemittel

Bindemittel: 1. allg. Bezeichnung für pulverförmige oder flüssige Stoffe mit der Fähigkeit, sich nach ihrer Verarbeitung durch chemische oder physikalische Vorgänge zu verfestigen und dadurch andere Stoffe, die als Füllstoffe wirken, miteinander zu verkitten. Zu den organischen Bindemittel gehören vor allem die für Bitumina und die Plaste. Sie werden sowohl mit organischen als auch mit anorganischen Füllstoffen zu Verbundbaustoffen verarbeitet. Beispiele sind Holzspan- und Holzfaserplatten (Bauholz), Plastmörtel und -beton (Plastbindemittel) sowie für Asphalt (bituminöses Bindemittel). Auch in den für Anstrichstoffen finden vorwiegend organische Bindemittel Verwendung. 2. Die mineralischen Bindemittel sind pulverförmige Stoffe, die mit Wasser oder in Ausnahmefällen einer anderen Flüssigkeit angemacht, aufgrund chemischer Vorgänge steinartig erhärten. Sie werden im allgemeinen aus mehr oder weniger aufbereiteten, chemisch-mineralogisch unterschiedlichen Rohmaterialien ohne thermische Behandlung (ungebrannte Bindemittel) oder durch einen Brennprozeß gewonnen. Bei letzteren unterscheidet man nach der Brenntemperatur entwässerte (120 bis 700°C), entsäuerte (900 bis 1200°C), gesinterte (I 350 bis 1500°C) und geschmolzene Bindemittel (I 500 bis 1 700°C). 2.\. Hydraulische Bindemittel (Wasser-Mörtelbildner) erstarren und erhärten sowohl an der Luft als auch unter Wasser und sind nach der Erhärtung wasserbeständig. 2.1.1. Hydrokalkhydrate (Hydrokalke) entstehen durch Brennen von mergeligem Kalkstein unterhalb der Sintergrenze. Ihre Erhärtung beruht teilweise auf der Karbonathärtung, teilweise auf der Umwandlung der beim Brennprozeß entstandenen Kalksilikate, -aluminate und -ferrite durch Reaktion mit dem Wasser (Hydratation). Die einzelnen Arten unterscheiden sich durch den Gehalt (5 bis 11%) an Hydraulefaktoren, der den Grad der hydraulischen Erhärtung und damit die Druckfestigkeit bestimmt; sie wurden früher als Wasser- (2 N/mm [= 20 kp/cm2]). hydraulischer (3 N/mm2 [=30 kp/cm2]) und hochhydraulischer Kalk bez. (6 N/mm2 [~ 60 kp/cm2]). 2.1.2. Mischbinder (Abk. MB) werden durch fabrikmäßiges Vermischen oder Vermählen von hydraulischen Stoffen, wie Hochofenschlacke oder Kraftwerksasche, unter Zugabe eines für Anregers hergestellt. Ihre Festigkeit liegt zwischen der der Kalke und der der Zemente.

2.1.3. Der Prototyp der Zemente ist der Portlandzement (Abk. PZ). 2.1.3.1. Er wird gewonnen durch Feinmahlen des aus einer Mischung von ton- und kalkhaltigen Rohstoffen bis zur Sinterung gebrannten PZ-Klinkers und Gips- oder Anhydritgestein. Beider Erhärtung wandeln sich die Kalksilikate, -aluminate und -ferrite unter Reaktion mit dem Anmachwasser durch Hydratation zu wasserhaltigen Kristallen um. Der Hydratationsvorgang ist exothermer Natur, d. h., je nach der chemischen Zusammensetzung des Zements wird eine mehr oder weniger große Wärmemenge (Hydratationswärme) abgegeben; außerdem wird Kalk frei. PZ ist durch hohe Anfangsfestigkeit ausgezeichnet und wird deshalb als frühhochfester Zement bez. Sein hoher Kalkgehalt hat aber geringe Beständigkeit gegen sulfatische Medien zur Folge. Der sulfatresistente PZ hat diesen Nachteil ebenso wie der PZ mit mittlerer Sulfatbeständigkeit durch seine bes. Zusammensetzung nicht (er enthält u. a. kein Trikalziumaluminat).

Bei Zementen mit reaktionsfähigen Zumahlstoffen spielt der während der Hydratation entstehende Kalk (s. o.) die Rolle eines Anregers. Solche Zumahlstoffe werden als latent-hydraulische Stoffe bez., weil sie kein eigenes Erhärtungsvermögen aufweisen, sondern eben eines Anregers bedürfen. 2.1.3.2. PZ mit Zumahlstoff enthält als solchen meist Hochofenschlacke (max. 20%) o. ä., die gemeinsam mit dem PZ-Klinker vermählen wird. Er wird ähnlich wie PZ verwendet, erhärtet aber etwas langsamer. Bei den PZ mit Gesteinsmehlzusatz (PZG) wird Augitporphyritmehl als Zumahlstoff verwendet. Er beteiligt sich nicht an der Erhärtung und wird deshalb als nicht reaktionsfähig bez. Die festigkeitssteigernde Wirkung dieses Zumahlstoffes ist rein physikalisch. 2.1.3.3. Hüttenzemente (Abk. ZZ, früher Hochofenzement gen.) werden aus PZ-Klinker und 21 bis 80% Zumahlstoff hergestellt und variieren entspr. in ihren Eigenschaften; je größer der Anteil, umso geringer ist das Schwindmaß und umso größer sind Erhärtungszeit sowie Sulfatbeständigkeit. Ihre Erzeugung ist aufgrund der Einsparung von PZ-Klinker sehr wirtschaftlich. 2.1.3.4. Beim Puzzolan-zement wird Steinkohlenfilterasche (> 20%) aus Kraftwerken als Zumahlstoff verwendet, die ebenso wie Puzzolane wegen ihres Gehalts an reaktionsfähigen Hydraulefaktoren puzzolanischen Charakter hat und deshalb mit Kalk in Wechselwirkung tritt und dadurch hydraulisch erhärtet. Puzzolanzement entspricht in seinen Eigenschaften etwa dem Hüttenzement ZZ. Wegen der geringeren Wärmeentwicklung beim Erstarrungs- und Erhärtungsprozess eignen sich die Hüttenzemente ebenso wie Puzzolanzement besser für Massebetonbauten als PZ. Dafür sind sie aber empfindlicher gegen tiefe Temperatur während der Erhärtung. 2.1.3.5. Tonerdeschmelzzement entsteht durch Schmelzen einer Mischung aus Bauxit o. a. hochtonerdehaltigem Stoff und Kalk sowie Feinmahlen der erstarrten Schmelze. Dieser sehr frühhochfeste Zement wird im allgemeinen nur zur Herstellung feuerbeständigen Betons verwendet, ist dagegen für Stahl- und Spannbeton nicht zugelassen. 2.2. Nicht hydraulisch erhärtende Bindemittel (Luft-Mörtelbildner) erstarren und erhärten nur an der Luft und sind nach der Erhärtung nicht wasserbeständig. 2.2.1. Luftkalke werden durch Brennen von Kalkstein (CaC03) oder Dolomit (CaMg[C03]2) unterhalb der Sintergrenze hergestellt. Sie kommen als Stückkalk oder zu Feinkalk vermählen oder mit Wasser zu trockenem, pulverförmigem Luftkalkhydrat gelöscht in den Handel. Aus Dolomit hergestelltes Luftkalkhydrat, früher als Dolomitkalk bez., hat durch den Magnesiumgehalt graue Farbe und ergibt weniger geschmeidigen Mörtel als das aus Kalkstein gewonnene weiße und deshalb früher als Weißkalk bez. Karbidluftkalkhydrat ist ein Nebenprodukt der Äthin-(AzetyIen-)gewinnung aus Kalziumkarbid. Die Erhärtung der Luftkalkhydrate beruht neben der Wasserabgabe (Austrocknung), die den Verfestigungsprozess einleitet, auf der Bildung von Kalziumkarbonat (Karbonathärtung), geht nur langsam vor sich und ergibt auch keine hohe Festigkeit. Der unter Verwendung von Luftkalkhydrat hergestellte Silikatbeton verfestigt sich dagegen durch Bildung von Kalziumsilikaten weil er im Autoklaven bei hohem Druck und hoher Temperatur gehärtet wird (Beton).

2.2.2. Gipse entstehen durch teilweises oder vollständiges Entwässern (Brennen bei > 100°C) von Gipsstein (CaS04 2H2O) und anschließendes Feinmahlen. Anrühren mit Wasser ergibt wieder kristallisiertes Gipsgestein. Dabei zeichnen sich Stuck- und Putzgips (für Stuck- bzw. Putzarbeiten, ersterer auch als Zusatz zu Kalkputzmörtel) durch bes. kurze Versteifungs- und Erhärtungszeit aus. Baugipse, vor allem Stuckgipse, finden in ständig steigendem Umfang für die Herstellung von Bauelementen Verwendung.

Modellgips hat ähnliche Eigenschaften, aber größere Reinheit und Feinheit; er wird hauptsächlich für die Herstellung von Modellen verwendet. Hartformgips wird durch teilweises Entwässern in einer Wasserdampfatmosphäre hergestellt und erreicht deshalb bes. hohe Festigkeit. Man setzt ihn z. B. für hochbeanspruchte Formen ein. Alaungipsbinder erfordern zwei Brennprozesse und werden zwischen diesen mit Alaunlösung getränkt. Seine bes. Merkmale sind relativ gute Wasserbeständigkeit und Polierbarkeit. Er eignet sich deshalb vor allem für die Herstellung von Kunstmarmorplatten.

2.2.3. Anhydritbinder werden durch gemeinsames fabrikmäßiges Vermählen oder Vermengen von natürlichem oder synthetischem Anhydrit (CaSOj) mit Anregern hergestellt.

2.2.4.Magnesiabinder bestehen aus Magnesiumoxid (Magnesia, MgO), das durch Entsäuern (Brennen bei 500 bis 900°C) von Dolomit (CaMg [C03]2) oder Magnesit (MgC03) gewonnen und dann gemahlen wird. Beim Anmachen mit Magnesiumchlorid- oder -sulfatlösung erhärtet dieses Bindemittel verhältnismäßig rasch unter Freisetzung einer großen Wärmemenge. Anhydritbinder finden zur Herstellung von Mauer-, Putz- und Estrichmörteln sowie von Handmontagesteinen und Wandplatten für Kaltbauten Verwendung. Die Hauptanwendungsgebiete von Magnesiabindern umfassen Estriche (Steinholz-Estrich), Fußbodendämmplatten und Holzwolle-Leichtbauplatten.