Blockwahlen

Zur Frage der Zulässigkeit von sog. Blockwahlen in den Ortsvereinen einer Partei.

a) Vereins- und Parteiwahlen, die vom einfachen Mehrheitsprinzip abweichen oder dieses besonders ausgestalten, müssen eine satzungsmäßige Grundlage haben.

b) Der staatsrechtliche Grundsatz, dass Wahlen regelmäßig nur mit Wirkung für die Zukunft anfechtbar sind, ist auf innerparteiliche Wahlen nicht zu übertragen.

Die Feststellung und Verkündung des Wahlergebnisses durch den Wahlleiter hat beim Verein nicht die Wirkung eines konstitutiven, das Wahlergebnis fixierenden Aktes. Der Beklagten Verband, der seinen Sitz in M. hat und dort im Vereinsregister eingetragen ist, verfolgt nach seiner Satzung den Zusammenschluss der Siedler und Eigenheimer im Lande Bayern. Mitglied kann jede im Tätigkeitsbereich des Beklagten arbeitende Gemeinschaft von Siedlern und Eigenheimern sein. Die Generalversammlung des Beklagten wird aus den Delegierten der Mitgliedervereine gebildet. Zu den Vereinsorganen gehört die von der Generalversammlung zu wählende Gesamtvorstandschaft, die aus dem Landesvorsitzenden, seinen Stellvertretern und mindestens weiteren 14 Personen besteht. Der Kläger zu. 1, ein eingetragener Verein, ist ordentliches Mitglied des Beklagten Er entsandte den Kläger zu 2 als seinen Delegierten und Kandidaten für die Gesamtvorstandschaft in die am 15. 5.1971 stattfindende Generalversammlung des Beklagten auf der unter anderem die Gesamtvorstandschaft zu wählen war. Nach dem von der Wahlkommission ermittelten, von ihrem Vorsitzenden der Generalversammlung verkündeten Wahlergebnis entfielen auch 38 Stimmen auf S und 27 auf den Kläger zu 2. Dazu bemerkte der Vorsitzende der Wahlkommission, dass es sicher zu sein scheine, dass diese beiden Herren in den Gesamtvorstand gewählt sind. Danach erklärten auf Frage auch der Kläger zu 2 und S, dass sie die Wahl annehmen. Bei einer auf Beanstandung erfolgten Überprüfung der Wahlunterlagen stellte die Wahlkommission fest, dass nicht der Kläger, sondern H als 32. und letztes Mitglied in den Gesamtvorstand gewählt worden ist. Demzufolge hat der Beklagten Verein den Kläger zu 2 nicht zu den Sitzungen der Gesamtvorstandschaft zugezogen. Dagegen richten sich die Klagen beider Kläger. Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger im Wesentlichen zurückgewiesen. Die - zugelassene - Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Revision rügt u. a., das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Tatsache, dass der Vorsitzende der Wahlkommission die Wahl des Klägers zu 2 verkündet und dieser sie angenommen habe, für rechtlich unerheblich angesehen. Durch die Annahme der Wahl sei der Kläger zu 2 rechtswirksam zum Vorstandsmitglied bestellt worden. Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Die Wirksamkeit der Wahl eines Mitglieds in den Vorstand hängt zwar davon ab, dass der Gewählte die Wahl annimmt. Das setzt aber, wenn sie, wie hier, durch Wahl der Mitgliederversammlung erfolgt, voraus, dass der Kandidat überhaupt gewählt worden ist, also die zur Wahl nach der Satzung notwendige Stimmenzahl erreicht hat. Ist dies, wie beim Kläger zu 2, nicht der Fall, dann ist der Kandidat nicht gewählt. Daran ändert sich nichts, wenn aus welchen Gründen auch immer ein falsches Wahlergebnis verkündet und ein Kandidat zu Unrecht als gewählt bezeichnet wird. Denn die Feststellung und Verkündung des Wahlergebnisses durch den Leiter der Wahlkommission hat beim Verein im Gegensatz zur Aktiengesellschaft nicht die Wirkung eines konstitutiven, das Wahlergebnis fixierenden Aktes.

Eine solche Wirkung erklärt sich im Aktienrecht daraus, dass die Feststellung des Beschlussergebnisses vor allem Bedeutung für die Geltendmachung von Mängeln hat. Da die Anfechtungsklage an die kurze Frist von einem Monat gebunden ist, müssen die Anfechtungsberechtigten von einem bestimmten Beschlussergebnis als maßgebend ausgehen können. Dazu ist erforderlich, dass dieses Ergebnis festgestellt und verkündet wird. Im Gegensatz dazu hat der Gesetzgeber im Vereinsrecht bewusst von der Einführung einer besonderen Anfechtungsklage abgesehen. Deshalb gibt es hier nur gültige oder ungültige, aber keine lediglich anfechtbaren Beschlüsse. Ein Anlass für die sofortige maßgebliche Feststellung des Inhalts eines Vereinsbeschlusses besteht somit nicht. Demnach kann die Annahmeerklärung des als gewählt bezeichneten, aber in Wirklichkeit nicht gewählten Kandidaten erst recht keine konstitutive Wirkung haben. Daraus folgt für den Streitfall, dass der Kläger zu 2 trotz der ursprünglich gegenteiligen Feststellung des Wahlergebnisses in der Generalversammlung und der von ihm erklärten Annahme der Wahl nicht Mitglied des Gesamtvorstandes der Beklagten geworden ist. Bei der Beschlussfassung im Verein ist die Mehrheit nur nach der Zahl der abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen zu berechnen, Enthaltungen sind nicht mitzuzählen.

Anmerkung: Nach § 32 I 3 BGB entscheidet bei der Beschlussfassung im Verein die Mehrheit der erschienenen Mitglieder. In der Literatur ist umstritten, ob diese Bestimmung wörtlich oder in dem Sinne zu verstehen ist, wie die § 47 I und § 53 I GmbHG, § 133 I AktG, § 16 II und § 43 II GenG die Beschlussfassung regeln, dass nämlich die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen entscheidet. Nach Ansicht des Senats kommt es allein auf diese Mehrheit an. Der § 32 BGB stellt lediglich klar, dass nicht die Mehrheit aller, der erschienenen und nicht erschienenen Vereinsmitglieder erforderlich ist, dass vielmehr die erschienenen allein die beantragten Beschlüsse fassen können. Er setzt dabei aber auch voraus, dass sich alle daran beteiligen. Ist das nicht der Fall, enthalten sich Mitglieder der Stimme, so sind deren Stimmenthaltungen bei der Berechnung der Mehrheit nicht mitzuzählen. Denn diese Mitglieder kommen nach der Verkehrsanschauung nicht auf den Gedanken, ihr Verhalten werde sich auf die Beschlussfassung anders auswirken, als wenn sie der Versammlung ferngeblieben wären oder sich vor der Abstimmung entfernt hätten. Würden die Stimmenthaltungen mitgezählt und dabei im Ergebnis den Nein-Stimmen zugeschlagen, so würde der objektive Erklärungswert ihres Abstimmungsverhaltens verfälscht. Denn das sich der Stimme enthaltende Mitglied gibt deutlich zu erkennen, dass es weder für noch gegen den Beschlussgegenstand ist. Der Senat schließt die Möglichkeit nicht aus, dass es in anderen als Vereinsangelegenheiten Bereiche geben kann, in denen von jedem Vereinsmitglied erwartet wird, dass es Stellung bezieht; in denen es deshalb sinnvoll sein mag, die Enthaltung wie eine Ablehnung zu behandeln.