Blutspender

Pflichten des ärztlichen Leiters einer Blutsammelstelle gegenüber einem Blutspender bei positivem Ausfall einer Ines Suchreaktion.

Die Beklagte ist eine vom Bayerischen Roten Kreuz gegründete gemeinnützige GmbH mit dem Zweck, Blut für Transfusionszwecke von Spendern zu beschaffen. Der Kläger hatte schon früher - ohne allerdings ein so genannter Dauerblutspender zu sein - mehrfach bei der Beklagten Blut gespendet. Er tat dies erneut am 13. 12. 1966.

Unter dem 22. 12. 1966 sandte die Oberärztin, die das von der Beklagten unterhaltene Untersuchungsinstitut leitete, je einen eingeschriebenen Brief an den Hausarzt des Kläger, einen praktischen Arzt, und an den Kläger selbst. Das Schreiben an den Hausarzt; das bei diesem am 27. 12. 1966 eintraf, lautete wie folgt: Sehr geehrter Herr Kollege! Am 13. 12. 1966 spendete Herr S. geb. 29. 9. 1928, wohnhaft in X. Blut. Da von den serologischen Reaktionen auf Lues die Meinicke Klärung positiv ausfiel, möchten wir Sie bitten, uns vorsorglich Blut zur Kontrolluntersuchung einzusenden und die Überwachung und Behandlung von Herrn S. zu übernehmen. Wir haben ihn mit getrennter Post verständigt. Der Brief an den Kläger traf erst am 2. 1. 1967 ein und hatte folgenden Inhalt: Sehr geehrter Herr S.! Sie spendeten am 13. 12. 1966 Blut. Leider fanden wir in Ihrem Blut eine Eigenschaft, die unbedingt überprüft werden muss. Bitte wenden Sie sich hier wegen an Ihren Hausarzt. Letzteres Schreiben an den Kläger wurde von dessen hierzu von ihm allgemein ermächtigten Ehefrau entgegengenommen und gelesen. Der Hausarzt hatte sich schon zuvor, nämlich unmittelbar nach Erhalt des Schreibens, mit dem Kläger fernmündlich in Verbindung gesetzt. Er veranlasste eine erneute Blutentnahme und die Untersuchung dieser Blutprobe auf das Vorliegen einer Erkrankung an Lues. Das Untersuchungsergebnis war negativ.

Der Kläger hat behauptet, er habe durch die Mitteilung der Beklagten einen Schock erlitten, der zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geführt habe. Außerdem sei dadurch, dass seine Ehefrau von dem an ihn selbst gerichteten Schreiben Kenntnis genommen habe, seine Ehe schwer gefährdet worden. Überdies habe ihm das Bekannt werden des Infektionsverdachts infolge des Anrufs des Hausarztes im Betrieb - auch an seinem Arbeitsplatz schwere Nachteile gebracht.

Nach Meinung des Kläger hat die Oberärztin der Beklagten sowohl durch die Form ihrer Mitteilungen als auch dadurch, dass sie nicht nach dem positiv verlaufenen Meinicke-Test weitere, Lues-spezifische Untersuchungen veranlasst hat, eine unerlaubte Handlung begangen und auch die der Beklagten obliegenden Pflichten aus dem Blutspendervertrag verletzt. Der Kläger fordert ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Rev. des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Sowohl der Schmerzensgeldanspruch als auch der Anspruch auf Ersatz angeblicher Auslagen des Kläger setzen zunächst voraus, dass die Oberärztin durch ihr im einzelnen unstreitiges Verhalten gegen allgemeine Rechtspflichten oder gegen besondere Sorgfaltspflichten aus dem Blutspendervertrag verstoßen hat. Schon dies hat das

BerGer. verneint. Was die Rev. dagegen vorbringt, greift nicht durch.

Ohne Rechtsirrtum verneint das Berufsgericht eine Verpflichtung des Beklagten zur selbständigen Abklärung des Befundes. Sachverständig beraten stellt es fest, dass der besonders empfindliche Meinicke-Test lediglich die Bedeutung einer Lues-Suchreaktion hat, wobei auch zahlreiche andere Krankheitszustände die positive Reaktion bedingen können, eine Lueserkrankung als Ursache aber zahlenmäßig mit Abstand überwiegt. Somit habe die Oberärztin der Beklagten mit der Mitteilung vom positiven Ausgang des Meinicke-Tests nichts Unrichtiges ausgesagt. Die Durchführung einer bloßen Lues-Suchreaktion sei bei Gelegenheitsspendern üblich. Dagegen gelte es nicht als Pflicht eines Blutspendedienstes, die Ursache der positiven Reaktion festzustellen. Solche diagnostischen Maßnahmen gehörten zum Aufgabengebiet der praktizierenden Ärzteschaft.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts entspricht diese Übung auch den Grundsätzen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Entnahme und Untersuchung des Blutes dienten in erster Linie dem Wohl des künftigen Blutempfängers; für den Blutspender hätten sie lediglich Reflexwirkungen. Es müsse das zumindest stillschweigende Einverständnis des Klägers damit unterstellt werden, dass die Beklagten ihre Untersuchung auf die Eignung und Unschädlichkeit des gespendeten Blutes beschränke; dazu aber sei der Meinicke-Test ausreichend gewesen.

Im Übrigen, so stellt das Berufsgericht fest, wäre, die Beklagten sogar bereit gewesen, eine neue, vom Hausarzt abzunehmende Blut- probe einer Kontrolluntersuchung zu unterziehen. Eine nochmalige Untersuchung einer Probe des bereits entnommenen Blutes, von der der Kläger meint, dass sie geboten gewesen sei, sei medizinisch nicht sinnvoll gewesen.

Die Rev. beharrt gegenüber diesen tatsächlichen Feststellungen des Berufsgerichts bei der Meinung, dass eine Neuuntersuchung des bereits entnommenen Blutes doch sinnvoll gewesen wäre. Damit kann sie aber, da kein Verfahrensverstoß dargetan wird, nicht gehört werden, wobei offen bleiben kann, ob es auf die von dieser Feststellung getragene Hilfserwägung des Berufsgerichts überhaupt ankommt. Im Übrigen wendet sie sich ohne Erfolg gegen die rechtliche Beurteilung durch das Berufsgericht

Soweit die Beklagten nach den damals geltenden Richtlinien gehalten war, auch auf die Gesundheit des Spenders Rücksicht zu nehmen, lässt sich dies nur im Hinblick auf die Fürsorge verstehen, die wegen etwa aus der Spendung erwachsenden Gefahren geboten war. Der positive Ausfall eines Suchtests, der kunstgerecht durchgeführt wurde, gehört zweifellos nicht dazu.

Andererseits ergab sich gerade aus dieser Tatsache, die dem Kläger nicht verschwiegen werden durfte, zwangsläufig die Notwendigkeit einer eingehenderen Untersuchung. Diese Untersuchung bildete jedoch nur eine Maßnahme im Rahmen der allgemeinen, von der Blutspende unabhängigen Gesundheitsvorsorge für den Kläger Dass sich insoweit aus dem Blutspender- vertrag eine Verpflichtung der Beklagten zu besonderen, Zeit und vor allem Kosten erfordernden Maßnahmen ergeben musste - wenigstens über dasjenige hinaus, wozu die Beklagten nach den Feststellungen des Berufsgericht ohnehin bereit war - kann entgegen der Meinung der Rev. nicht bejaht werden. Damit bedurfte es nicht einmal der vom Berufsgericht angenommenen besonderen Einwilligung des Kläger dazu, dass die Beklagten ihre Untersuchung auf das für ihre Zwecke Erforderliche beschränkte und im übrigen durch ihre Unterrichtung über das Ergebnis den Kläger instand setzte, die nur in seinem eigenen Interesse erforderlichen weiteren Prüfungen zu veranlassen.

Aber auch das weitere Vorgehen der Oberärztin gereicht der Beklagten nicht zum Vorwurf. Da sich der positive Ausfall des Suchtests in der Mehrzahl der Fälle durch eine luetische Erkrankung erklärt, und er auch in den selteneren Fällen, in denen dies nicht zutrifft, einen Hinweis auf eine sonstige, ernstliche und handlungsbedürftige Erkrankung bilden kann, durfte die Beklagten die Sache nicht auf sich beruhen lassen und sich etwa damit begnügen, das gespendete Blut nicht zu verwenden. Auch die Rev. will der Beklagten ein derartiges Verhalten nicht ansinnen, so dass dahinstehen mag, welche Pflichten zu weiterer Veranlassung sich für die Beklagten schon aus den Vorschriften des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ergaben.

Demnach erschien zunächst eine Unterrichtung des Klägers selbst nahe liegend und geboten. Der Kläger meinte, dass die Beklagten diese nicht in angemessener Form bewirkt hätte. Darin kann ihm indes nicht gefolgt werden.

Zunächst war es unsachgemäß, für die Übermittlung einen eingeschriebenen Brief zu wählen. Ein solcher pflegt allgemein für wichtige und vertrauliche Mitteilungen verwendet zu werden. Dass ein Brief jedenfalls ohne besonderen Vermerk auch an Hausgenossen ausgehändigt werden kann, steht nicht entgegen, da auch diesen gegenüber die couvertierte Nachricht durch das strafbewehrte Briefgeheimnis geschützt ist. Wenn nun der Kläger, wie er ausführt, als Ausdruck seines besonderen ehelichen Vertrauens seine Ehefrau allgemein ermächtigt hatte, auch solche an ihn gerichteten Sendungen zu öffnen und von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, dann hat er sich ihr gegenüber freiwillig des Geheimschutzes teilweise begeben. Er kann die Folgen nicht der von dieser Ermächtigung nicht unterrichteten Beklagten anlasten. Aus dem gleichen Grund kommt es nicht darauf an, ob - wie die Rev. meint - die Beklagten mit einer solchen Ermächtigung unter Ehegatten immerhin rechnen musste. Sie konnte davon ausgehen, dass der Ermächtigung auch ein wirkliches Vertrauensverhältnis entsprach, welches die Gefahr von Auswirkungen der vom Kläger behaupteten Art zwangsläufig ausschloss.

Auch der Inhalt des an den Kläger gerichteten Schreibens ist entgegen seiner Meinung nicht zu beanstanden. Die von der Oberärztin gewählte Fassung vermeidet es zwar mit Recht, den Befund, der eine weitere Prüfung dringend erforderlich machte, zu bagatellisieren Andererseits sind aber alle voreiligen und den Kläger möglicherweise unnötig beängstigenden Folgerungen vermieden; durch die Bitte, seinen Hausarzt zu konsultieren, wurde ihm ein angemessener Weg zur endgültigen Klärung gewiesen. Wenn sich dem Kläger gleichwohl - möglicherweise auf Grund der bei Blutspendern pflichtgemäß erhobenen Anamnesen - in erster Linie die Verdachtsdiagnose einer venerischen Erkrankung aufdrängte, dann ließ sich dies nach Lage der Sache kaum vermeiden.