Bodenbelastungen

Die Ermittlung von Bodenbelastungen darf sich nicht auf Flächen beschränken, die für eine Wohnnutzung vorgesehen sind; sie ist auch fair andere Flächen erforderlich, z.B. für Gemeinbedarfsflächen, Grünflächen, Dauerkleingärten, Flächen für Sport und Spielanlagen, Versorgungsflächen, Verkehrsflächen, Lagerplätze, Flächen für die Landwirtschaft, Wald usw. Auch Flächen, deren Nutzung gegenüber Bodenbelastungen verhältnismäßig unempfindlich sind, sind zu untersuchen. Unerheblich ist, ob im Bebauungsplan eine neue Nutzung vorgesehen ist oder ob eine vorhandene Nutzung lediglich bestätigt oder abgesichert werden soll. Auch Flächen für weiterhin tätige Betriebe oder Deponien sind auf Bodenbelastungen zu untersuchen, wenn sie im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen. Nachteilige Auswirkungen brauchen nicht akut gegeben zu sein; latente Auswirkungen reichen aus, um eine Ermittlungs- und Feststellungspflicht auszulösen. Latente Auswirkungen liegen z.B. vor, wenn Stoffe in Fässern oder in anderen Behältnissen lagern oder in sonstiger Weise abgekapselt sind, aber im Falle der Korrosion oder Beschädigung des Abschlusses freigesetzt werden und dann umweltgefährdend wirken. Möglich ist auch, dass die im Boden lagernden Stoffe für sich unschädlich sind und erst bei Bodenbewegungen, bei der Vermischung untereinander oder bei der Verbindung mit Luft zu gefährlichen Stoffen reagieren. Auf die Herkunft der Bodenbelastung kommt es bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials nicht an. Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei den umweltgefährdenden Stoffen um Fremdstoffe, d h durch menschliche Tätigkeit in den Boden verbrachte Stoffe handelt. Eine für die Abwägung relevante Belastung des Bodens kann herbeigeführt worden sein durch:

- Ablagerungen;

- industrielle und gewerbliche Nutzungen;

- den Umgang mit Kernbrennstoffen und radioaktiven Stoffen;

- militärische Nutzungen, Ablagerungen von Kampstoffen und Munition;

- die Nutzung zu Verkehrszwecken;

- das Aufbringen belasteter Abwässer und Klärschlämme, Fäkalien und ähnliche Stoffe;

- das Aufbringen von Pflanzenbehandlungs und Düngemitteln;

- Luftverunreinigungen;

- Überschwemmungen oder sonstige Einwirkungen von außen;

- Leckagen in Leitungssystemen und Abwässerkanälen;

- Transportunfülle;

- natürliche Bodenbestandteile.

Für die Feststellung des Abwägungsmaterials ist unerheblich, aus welcher Zeit die Belastung herrührt. Böden, die erst in jüngster Zeit belastet worden sind oder derzeit noch belastet werden, sind ebenfalls zu untersuchen. Es muss sich bei den Bodenbelastungen nicht um Alt lasten bzw. Alt ablagerungen handeln. Die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials muss vollständig sein. Die Erfassung darf sich nicht auf einzelne Aspekte wie z.B. Gefährdung des Grundwassers oder Gründungsschwierigkeiten beschränken, wenn auch andere planungsrechtlich relevante Belange betroffen sein können. Die Auswahl des Abwägungsmaterials darf insbesondere nicht allein darauf ausgerichtet sein, mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen oder für bedeutende Sachwerte zu ermitteln. Für die Abwägung ist entscheidend, dass schutzwürdige Belange negativ, d. h. in mehr als nur geringfügiger Weise verletzend betroffen sind bzw. betroffen werden können. Auch nachteilige Auswirkungen unterhalb der Gefahrenschwelle können daher von Bedeutung sein. Insoweit reichen die Anforderungen an die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials nach § 1 Abs. 6 weiter als die für §9 Abs. 5 Nr. 3 erforderlichen Feststellungen, bei denen nur umweltgefährdende Belastungen zu ermitteln sind. Es kann daher im Falle der Bodenbelastungen nicht allein auf humantorrikologische Gesichtspunkte abgestellt werden. Vielmehr sind entsprechend dem Auftrag der Bauleitplanung als integrierte Gesamtplanung auch die Wirkungen auf alle anderen planungsrechtlich relevanten Belange zu berücksichtigen, sofern diese schutzwürdig sind. Die Abwägung muss sich auch an der Zielsetzung des § 1 Abs. 5 Satz 1 orientieren, wonach die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sind; dies zwingt dazu, auch die Auswirkungen auf einzelne Umweltmedien zu berücksichtigen. Für die Zugehörigkeit zum Abwägungsmaterial kommt es auch nicht darauf an, ob die berührten Belange Gegenstand drittschützender Amtspflichten i. S. des Staatshaftungsrechts sind. Nicht jede Verletzung der Pflicht zur vollständigen Zusammenstellung des Abwägungsmaterials verletzt zugleich die Rechte Dritter. Die Pflichten aus dem Abwägungsgebot obliegen der Gemeinde in erster Linie gegenüber der Allgemeinheit; eine mit der Sanktion des Schadensersatzes bewehrte Amtspflicht gegenüber dem einzelnen planbetroffenen Bürger besteht daher im Grundsatz nicht. Dem Schutz Dritter dienende Amtspflichten können erst dann verletzt sein, wenn bei der konkreten Planungsmaßnahme in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist Eine aus diesem allgemeinen Schutzzweck der Bauleitplanung herausgehobene Pflicht, auch die Individualinteressen der Planbetroffenen zu wahren, besteht nach Auffassung des BGH im Hinblick auf die Anforderungen an gesunde Wohn und Arbeitsverhältnisse. Diese Ausnahme von dem Grundsatz, dass Planung der Allgemeinheit zu dienen bestimmt ist, rechtfertigt der BGH mit der überragenden Bedeutung der Rechtsgüter von Leben und Gesundheit. Die so verstandene Amtspflicht will nicht ausschließlich die Gesundheit der Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet schützen, sondern soll auch verhindern, dass Gebäude errichtet werden, die wegen der in ihnen drohenden Gefahren nicht bewohnbar sind; sie bezweckt auch den Schutz gerade der Personen, die in dem konkreten, von der jeweiligen Bauleitplanung betroffenen Plangebiet wohnen bzw. wohnen werden. Nicht in den Schutzbereich der hier in Rede stehenden Amtspflicht fällt derjenige, bei dem eine Gefährdung von Leben und Gesundheit nicht besteht und der auch nicht die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die von ihm errichteten Bauten von Gesundheitsgefahren frei sind. Demzufolge ist der nicht geschützt, dessen Grundstück lediglich in der Nachbarschaft oder Umgebung schadstoffbelasteter Flächen liegt, der aber selbst nicht Gesundheitsgefahren ausgesetzt ist.

Begrenzt wird die Pfticht zur Zusammenstellung des Abwägungsmaterials durch das Merkmal der planungsrechtlichen Relevanz. Die Ermittlungen und Feststellungen sind darüber hinaus ebenenspezifisch vorzunehmen; sie brauchen nur so weit zu gehen, wie dies zur Entscheidung auf der Bebauungsplanebene erforderlich ist. Fragen des Planvollzuges brauchen auf der Bebauungsplanebene noch nicht abschließend geklärt zu werden. Hieraus ergibt sich, dass eine flächenbezogene Ermittlung ausreicht. Die Bebaubarkeit jedes einzelnen Grundstücks oder gar einzelner Grundstücksteile braucht nicht untersucht zu werden. Das Raster eventuell erforderlicher Untersuchungsbohrungen kann entsprechend grobmaschig sein; allerdings dürfte ein Raster von 100 m x 100 m gerade bei inhomogenen Belastungen nicht ausreichen.

Die Ermittlung und Feststellung des Abwägungsmaterials muss in einer der jeweiligen Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise durchgeführt werden. Hierzu sind Bestandsaufnahmen und Prognosen notwendig. Erforderlichenfalls ist der Rat von Fachbehörden oder von Sachverständigen außerhalb der Verwaltung einzuholen. Es reicht gerade bei Bodenbelastungen nicht aus, wenn die Gemeinde den Planentwurf einer Vielzahl von Trägern öffentlicher Belange zusendet und auf deren Stellungnahme wartet. Die Prüfungspflicht der Gemeinde entfällt jedenfalls nicht schon dann, wenn beteiligte Fachbehörden gegen die beabsichtigte Planung keine Bedenken erheben; vielmehr kommt es darauf an, ob die betreffenden Dienststellen mit der Aufklärung etwaiger Bodenbelastungen und der daraus herrührenden Gesundheitsgefahren befasst sind. Die Gemeinde wird auch nicht dadurch entlastet, dass das fragliche Gelände aus der Bergaufücht entlassen ist. Besondere Bedeutung kommt der Auswahl des Sachverständigen zu. Von seinem Gutachten hängen sowohl die Wirksamkeit der Planung als auch mögliche Vermögensdispositionen der Eigentümer ab.