Bürgschaft und Hauptschuld

Das Prinzip der Akzessorietät zwischen Bürgschaft und Hauptschuld spitzt sich in einer Sinn und Zweck dieses wichtigen Kreditsicherungsmittels in Frage stellenden Weise zu, wenn die Hauptforderung erlischt, weil der Hauptschuldner untergeht und dies auf dem Verfall seines Vermögens beruht.

Bei derartiger Fallgestaltung kollidiert der Grundsatz der Abhängigkeit der Bürgschaft von der Hauptforderung mit ihrem Zweck, dem Gläubiger Sicherheit für den Fall des Zahlungsunvermögens des Hauptschuldners zu bieten dass die Akzessorietät unter solchen Umständen eingegrenzt werden muss, zeigen die Bestimmungen der §§ 768 I 2 BGB, 193 S. 2 KO und § 82 II Verg10. Die zitierten Vorschriften machen deutlich, dass im Interesse des Gläubigers dem Sicherungszweck der Bürgschaft Vorrang vor ihrer Abhängigkeit von der Hauptschuld eingeräumt werden muss. Gerade auf den Vermögensverfall des Hauptschuldners darf sich der Bürge mit Erfolg nicht berufen. Die Akzessorietät hat deshalb zurückzutreten, wenn die Hauptschuld aus Gründen untergeht oder ermäßigt wird, die auf den Vermögensverfall des Hauptschuldners zurückzuführen ist. In diesem Fall haftet der Bürge weiterhin in vollem Umfang. Der BGH hat in diesem Zusammenhang auf eine frühere Entscheidung vom 20. 6. 1956 - IV ZR 37/56 = WM 1956, 1209 und auf eine Kammergerichtsentscheidung aus dem Jahre 1955 (NJW 1955, 1152) verwiesen (vgl. ferner Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 15. Aufl. S. 801; Mormann, in: BGB-RGR-Kommentar, 12. Aufl. § 767 Rdnr. 8; Palandt-Thomas, BGB, 40. Aufl. § 765 Anm. 3b und Soergel-Reimer-Schmidt, BGB, 10. Aufl. § 767 Rdnr. 6).

Der VIII. Zivilsenat hat im zitierten Urteil keine Notwendigkeit gesehen, für den entschiedenen Sachverhalt eine Fiktion des Fortbestands der gesicherten Hauptforderung anzunehmen, sondern ausgeführt, die Forderung gegen den Bürgen verwandle sich infolge der Aufhebung der Akzessorietät von einem abhängigen Nebenrecht in einen selbständigen Anspruch. Diese verselbständigte Bürgenhaftung sei unmittelbar der Bürgschaftserklärung zu entnehmen. Jede andere Auslegung liefe dem Sicherungszweck der Bürgschaft zuwider.

Da es im entschiedenen Falle um die Sicherung mietrechtlicher Ansprüche durch eine Bürgschaft ging, lag es in diesem Zusammenhang nahe, vergleichsweise auf die Rechtslage hinzuweisen, die gemäß § 19 KO im Falle der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin bestünde. Dann aber würde die Haftung des Bürgen sowohl bei Fortsetzung des Mietverhältnisses, als auch bei dessen Kündigung nach § 19 S. 1 KO unberührt bleiben, denn im zuletzt genannten Falle steht dem Vermieter nach § 19 S. 3 KO Anspruch auf Ersatz des ihm durch die vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses entstehenden Schadens, regelmäßig also des Mietausfalls, zu. Für diese Schadensersatzforderung, die im Mietvertrag begründet ist, haftet der Bürge nach § 767 1 2 BGB. Der BGH hat im Hinblick darauf gemeint, es sei nicht einzusehen, dass der Bürge demgegenüber nur deshalb in einer günstigeren Lage sein solle, weil die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners so schlecht sind, dass sie nicht einmal die Konkurseröffnung zulassen.

In dem der Entscheidung des BGH vom 25. 11. 1981 zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Vermieter, nachdem der Mieter von Geschäftsräumen wegen Zahlungsunfähigkeit weggefallen war, einen Umbau der Mieträume durchgeführt, um deren Weitervermietung zu ermöglichen. Auf Ersatz dieser Umbaukosten hat er den Bürgen des Mieters aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Anspruch genommen. Damit hatte er keinen Erfolg.

Der BGH hat zunächst unterstrichen, dass die in Rede stehenden Umbaumaßnahmen ihrem äußeren Erscheinungsbilde nach ausschließlich zum Rechts- und Geschäftskreis des Vermieters gehörten, was allerdings, für sich betrachtet, die Annahme einer Geschäftsbesorgung für den Mieter bzw. den hinter ihm stehenden Bürgen nicht ausschließt. Anerkanntermaßen kann eine Geschäftsführung im Sinne des § 677 BGB auch dann vorliegen, wenn der Handelnde zwar vornehmlich zur Wahrung eigener Belange, daneben aber auch im Interesse des anderen tätig wird (BGHZ 40, 28 [30] = LM § 683 BGB Nr. 15; BGHZ 65, 354, [357] = LM § 683 BGB Nr. 33). Das Vorliegen eines derartigen Sonderfalles hat das RevGer. indessen für den entschiedenen Sachverhalt verneint.

Die vom Berufungsgericht für die Annahme, der Vermieter habe mit den Umbaumaßnahmen auch ein Geschäft des Bürgen besorgt, weil dieser durch die Vermietung von Teilflächen finanziell entlastet worden sei, hat der Bundesgerichtshof nicht gelten lassen, weil dabei wesentliche Gesichtspunkte außer acht gelassen worden seien. Die Vermietung von Teilflächen habe in erster Linie im Interesse des Vermieters gelegen, denn er habe nicht abschätzen können, wie solvent der Bürge gewesen sei, ihm habe schon deshalb daran gelegen sein müssen, das eigene Risiko zu verringern. Entscheidend falle auch ins Gewicht, dass das Mietobjekt in der ursprünglichen Form auch nach Auslaufen der Bürgschaftshaftung (30. 6. 1980) schwer oder gar nicht zu vermieten gewesen wäre, so dass die Umbaumaßnahmen früher oder später in jedem Falle erforderlich wurden. Es liege weiter auf der Hand, dass ein unvermietetes Objekt kaum zu veräußern gewesen wäre, ein Ziel, das der Vermieter im entschiedenen Falle aber, wie der Geschehensablauf zeige, verfolgt habe. Richtig sei zwar, dass dem Bürgen die Umbauarbeiten mittelbar zugute gekommen seien, weil sie Einfluss auf den Umfang seiner Haftung gewinnen konnten. Diese mittelbare Beziehung reiche jedoch nicht aus, ihn im Verhältnis zum Vermieter, den Geschäftsführer als Geschäftsherrn anzusehen. Auf die Entscheidung in BGHZ 54, [160] = LM § 677 BGB Nr. 12 und BGHZ 72, 151, [153] = LM PflVG 1965 Nr. 23 hat der VIII. Zivilsenat in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Hat der Vermieter danach im entschiedenen Falle objektiv kein Geschäft des Bürgen geführt, so kam allenfalls die Annahme eines subjektiv fremden Geschäfts in Betracht. Hierzu hat der Bundesgerichtshof deutlich gemacht, dass der Wille des Vermieters, ein oder auch ein Geschäft des Bürgen zu führen, anders als bei objektiv fremder Geschäftsführung, nicht vermutet werden könne. Vielmehr bedürfe es der tatrichterlichen Feststellung, dass der Geschäftsführungswille nach außen erkennbar geworden sei. Die Behauptung des Vermieters, die Umbauten seien im Interesse des Bürgen vorgenommen worden, hat das Revisionsgericht nicht als ausreichend angesehen, denn daraus ergebe sich nicht, dass die Absicht des Vermieters mit den Umbauten ein Geschäft des Bürgen zu besorgen, erkennbar geworden sei. Auch das Verlangen des Vermieters gegenüber dem Bürgen, er solle sich an den Umbaukosten beteiligen, lässt nach Meinung des Bundesgerichtshofs nicht verlässlich auf die Absicht des Vermieters schließen, mit den Umbaumaßnahmen ein Geschäft des Bürgen zu führen.

Der Anspruch auf Aufwendungsersatz setzt ferner voraus, dass die Geschäftsführung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Auch in dieser Hinsicht hat der BGH die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, die Vermietung von Teilflächen habe im Sinne des Beklagten gelegen, nicht ausreichen lassen und unterstrichen, es genüge nicht, dass das wirkliche oder mutmaßliche Einverständnis des Geschäftsherrn lediglich darin bestehe, dass er dem durch die Geschäftsführung ihm zufließenden Vorteil zustimme (BGH, LM § 683 BGB Nr. 3). Bei solcher Betrachtung würden das Interesse des Bürgen als Geschäftsherr und sein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille vermengt dass die Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn liege, reiche für die Zuerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach § 683 BGB, von dem Sonderfall des § 679 BGB abgesehen, nicht aus. Der tatsächliche oder mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn müsse vielmehr - greifbar - festgestellt werden.

Mit Blick auf den entschiedenen Sachverhalt wird im zitierten Urteil vom 25. 11. 1981 auch in diesem Zusammenhang unterstrichen, aus dem Interesse des Bürgen an der Vermietung von Teilflächen könne verlässlich weder auf seinen wirklichen noch auf seinen mutmaßlichen Willen geschlossen werden. Einer solchen Schlussfolgerung stehe insbesondere der Sachvortrag des Vermieters entgegen, er habe eine vertragliche Regelung über eine Kostenbeteiligung des Bürgen angestrebt. Dazu sei es jedoch nicht gekommen. Bei solcher Sachlage könne aber das Scheitern einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten nicht dazu führen, dem Bürgen anstelle einer vertraglichen Verpflichtung eine Kostenbeteiligung wegen Geschäftsführung ohne Auftrag aufzuerlegen, deren Übernahme er ausdrücklich oder durch Schweigen abgelehnt hatte. Die Partei, die ein Vertragsangebot ausdrücklich ablehnt oder hierzu keine Äußerungen abgibt, lässt erkennen, dass das Vorhaben des Gegners nicht ihrem Willen entspricht. Unter diesen Umständen gleichwohl die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag heranzuziehen, würde, hat der BGH gemeint, zum Aufdrängen von Geschäftsführungsmaßnahmen führen.